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Corona-Pandemie
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Paxlovid: Woher kommt der bittere Geschmack?

Eine Packung Paxlovid mit zwei Blistern davor
Patienten, die Paxlovid einnahmen, bemerkten einen dauerhaft schlechten/bitteren Geschmack im Mund. | Bild: IMAGO / osnapix

Paxlovid® kombiniert die beiden Wirkstoffe Nirmatrelvir und Ritonavir. Das Arzneimittel von Pfizer ist zugelassen zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Corona-Verlauf haben und keinen Sauerstoff benötigen.

Zur Erinnerung: Wie wirkt Paxlovid?

  • Paxlovid ist ein antivirales Arzneimittel, das zwei Wirkstoffe kombiniert: Nirmatrelvir (PF-07321332) plus Ritonavir. 
  • Nirmatrelvir hemmt als SARS-CoV-2-3CL-Proteaseinhibitor die für die Vermehrung von SARS-CoV-2 wichtige Protease 3CL und stört dadurch die Virusvermehrung. 
  • Ritonavir ist zwar ebenfalls ein Virostatikum und wird in der Behandlung von HIV und Hepatitis C angewendet, jedoch wirkt es gegen SARS-CoV-2 nicht antiviral. In Kombination mit Nirmatrelvir fungiert es als Booster, denn es blockiert als CYP3A4-Inhibitor den Abbau von Nirmatrelvir und verlängert dadurch dessen Wirkdauer, sodass man geringer dosieren kann.

Kurz nach Zulassung und Verfügbarwerden des antiviralen Präparats Ende Januar 2022 bemerkten „einige Patienten während der Paxlovid®-Behandlung einen dauerhaften schlechten/bitteren Geschmack im Mund“, schreiben Wissenschaftler vom „Monell Chemical Senses Center“ in den Vereinigten Staaten im Fachjournal „Biochemical and Biophysical Research Communications“„Paxlovid mouth likely is mediated by activation of the TAS2R1 bitter receptor by nirmatrelvir“ .

Auch die Fachinformation nennt Geschmacksstörungen als eine der „häufigsten Nebenwirkungen“ bei 4,6 Prozent der Behandelten – vor Diarrhö (3 Prozent), Kopfschmerzen und Erbrechen (je 1,2 Prozent).

Bitterer Geschmack hält lange an

Interessant ist vor allem, dass der bittere Geschmack für die gesamte Dauer der Therapie berichtet wird und Patienten dies nicht lediglich nach Einnahme der Tablette beobachten.

Damit unterscheidet sich Nirmatrelvir von vielen anderen bitter schmeckenden Arzneistoffen: Meist tritt bei bitter schmeckenden Arzneimitteln der Effekt nur kurz auf und hält nach Schlucken des Präparats sodann nicht lange an. 

Dies liege wahrscheinlich daran, dass die meisten bitter schmeckenden Arzneimittel in flüssiger Form in der Mundhöhle vor dem Schlucken in der konzentriertesten Form vorlägen und nach Aufnahme in den Körper auf ein Niveau verdünnt werden, das von Bitter-Rezeptoren in den Geschmacksrezeptorzellen nicht mehr erkannt würde, überlegen die Wissenschaftler vom Monell Center. 

Und woher kommt nun der bittere Geschmack bei Paxlovid®? Und wie kommt es zu diesem „Paxlovid®-Mund“?

Bitterer Geschmack durch Nirmatrelvir?

Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass Nirmatrelvir, der eigentliche antivirale Wirkstoff in Paxlovid®, für den bitteren Geschmack im Mund verantwortlich zeichnet. Denn: Das zur Wirkverstärkung zugesetzte Ritonavir (verlangsamt lediglich den Abbau von Nirmatrelvir, besitzt jedoch keine antivirale Wirkung gegen SARS-CoV-2) ist bereits seit Jahren in der Anwendung.

Ein bitterer Geschmack ist den Wissenschaftlern vom Monell Center jedoch nicht bekannt, auch nicht, wenn Patienten Ritonavir in Kombination mit anderen Wirkstoffen (z. B. Protease-Inhibitoren bei HIV) eingenommen hatten.

Gut zu wissen: Was ist das Monell Center?

Das Monell Center ist eigenen Angaben zufolge „das weltweit einzige unabhängige, gemeinnützige wissenschaftliche Institut, das sich der interdisziplinären Grundlagenforschung über den Geschmacks- und Geruchssinn widmet“ und diesenaus „verschiedenen Perspektiven erforscht“.

Dabei geht es um Fragen wie: „Was sind die zellulären Grundlagen von Geschmack und Geruch?“ oder „Wie beeinflussen unsere chemischen Sinne die menschliche Ernährung?“

Diese These konnten die Wissenschaftler nun belegen. Dafür hatten sie – in Zellkulturen – Nirmatrelvir an 25 menschlichen Bitter-Rezeptoren (TAS2R-Rezeptoren) untersucht.

Bittere Stoffe binden an die TAS2R-Rezeptoren, woraufhin diese die Bitterzellen aktivieren. Diese Bitterzellen regen über den Botenstoff Adenosintriphosphat (ATP) wiederum die Geschmacksnerven an, das Signal an das Gehirn zu senden, damit dieses „Bitter“ wahrnimmt.

Nirmatrelvir aktiviert den Bitter-Rezeptor TAS2R1 

In der Tat fanden die Forschenden vom Monell Center heraus, dass Nirmatrelvir TAS2R-Rezeptoren aktiviert, wobei „TAS2R1 der Hauptrezeptor für Nirmatrelvir“ sei. Der Bitter-Rezeptor reagierte auf Konzentrationen von Nirmatrelvir (15 μM), die den Plasmakonzentrationen von COVID-19-Patienten entsprechen.

Kein Gegenmittel 

Die Wissenschaftler untersuchten auch, ob das Süßungsmittel Saccharin – Saccharin blockiert den TAS2R1-Rezeptor – ein mögliches „Gegenmittel“ für Paxlovid®-Patienten sein könnte.

Allerdings beeinflusste das Süßungsmittel die Aktivität des von Nirmatrelvir stimulierten Bitter-Rezeptors kaum oder gar nicht. Daher bleibt den Patienten derzeit keine richtige Option gegen den Therapie-begleitenden „Paxlovid®-Mund“.

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