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Zum Internationalen Tag des Kusses am 6. Juli: Was ist eigentlich Philematologie?

Junge Frau küsst Mann auf die Wange
Neben 34 Gesichtsmuskeln werden bei Küssen außerdem noch weitere 112 Körpermuskeln beansprucht. | Bild: Syda Productions / AdobeStock

Dass man sich auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Küssen beschäftigt, ist wohl den wenigsten Menschen bekannt. Selbst viele Wissenschaftler wissen nicht, dass es einen eigenen Fachbegriff für diese Forschungsrichtung gibt – die Philematologie. 

Die Kussforschung nimmt freilich im Wissenschaftsbereich eine Sonderstellung ein. So ist sie äußerst interdisziplinär aufgestellt: Kultur-, Sprach- und Geschichtswissenschaft liefern hierzu genauso ihren Beitrag wie Sozialwissenschaft, Psychologie und medizinisch-naturwissenschaftliche Fachgebiete.

Vom Füttern zum Küssen?

Beschäftigt man sich in der Theorie mit dem Küssen, ist die naheliegende Frage: Warum küssen sich Menschen überhaupt? Darauf haben Wissenschaftler recht unromantische Antworten. So lautet eine Hypothese, dass das Küssen von der Brutpflege im Tierreich abgeleitet sei. Es habe sich aus dem Fütterungsritual entwickelt, bei dem vorgekaute Nahrung an den Nachwuchs weitergegeben wird.

Küssen als Partner-Test?

Manche Experten gehen davon aus, dass das Küssen ein Partner-Test ist. So könne man sich beim Küssen gegenseitig beschnuppern, schmecken und ertasten. Nehme man hierbei Unstimmigkeiten wahr – etwa einen schlechten Atem – signalisiere dies, dass der Partner nicht gesund und damit auch zum Zeugen von Nachkommen nicht so geeignet sei. 

Für diese Theorie spricht übrigens die Tatsache, dass der Geruchssinn von Frauen ausgerechnet während der Empfängnisbereitschaft – also zum Zeitpunkt des Eisprungs – besonders gut funktioniert.

Folgt auf Küssen Sex?

Eine weitere Erklärung für den Zweck des Küssens lässt sich wesentlich leichter nachvollziehen: Küssen steigert die sexuelle Erregung. Übrigens befindet sich das Hormon Testosteron auch im Speichel des Mannes. Küsst der Mann die Frau, wird das Hormon via Speichel übertragen und kann bei der Frau direkt über die Mundschleimhaut resorbiert werden. Testosteron wirkt auch bei Frauen Libido-verstärkend.

Zum Internationalen Tag des Kusses am 6. Juli

Busserl, Bussi, Knutscher oder Schmatzer – es gibt zahlreiche Beschreibungen für einen Kuss. Seit 1990 wird am 6. Juli dem Kuss ein eigener Tag gewidmet, der „Internationale Tag des Kusses“. Die Idee, mit diesem Aktionstag eine Geste für Liebe, Zuneigung, Leidenschaft, Freundschaft bzw. Verbundenheit zu symbolisieren, hatte ihren Ursprung in Großbritannien.

Küssen verstärkt die Bindung

Küssen verstärkt aber auch die Bindung. Hierbei kommt das „Kuschelhormon“ Oxytocin ins Spiel. Es wird bei körperlichen Berührungen ausgeschüttet, und die finden beim Küssen besonders intensiv statt.

Ist Küssen gesund?

Dass Küssen gesund ist, lässt sich mehrfach begründen. Da wäre zum einen die schon eingangs erwähnte Muskeltätigkeit. Zusätzlich zu den 34 Gesichtsmuskeln werden noch weitere 112 Körpermuskeln beansprucht, damit man die richtige Kusshaltung einnehmen kann. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass zwei Drittel aller Menschen beim Küssen den Kopf nach rechts neigen. 

Sich zu küssen, hat noch weitere gesundheitliche Vorzüge. So sinkt dadurch die Konzentration des Stresshormons Cortisol. Gleichzeitig werden Endorphine ausgeschüttet, die Glücksgefühle hervorrufen. Außerdem kann die Immunabwehr gestärkt werden. So produziert der Körper beim Küssen Neuropeptide, welche die natürlichen Killerzellen aktivieren. Die vielen Keime, die von Mund zu Mund übertragen werden, können das Immunsystem ebenfalls aktivieren.

Küssen kann auch gefährlich sein

Gerade hier lauern aber auch bekannte Gefahren, denn beim Küssen kann man sich gefährliche Krankheitserreger wie Meningokokken oder Cytomegalieviren einfangen. Auch Kariesbakterien werden möglicherweise übertragen. Andererseits kommt das Küssen der Zahngesundheit aber auch zugute, denn es regt den Speichelfluss an, was wiederum vor Karies schützt. 

Küssen kann unter Umständen sogar lebensbedrohlich sein. So sind in der wissenschaftlichen Literatur einige Fälle von allergischen Schockreaktionen auf Küsse beschrieben. Die Betroffenen – allesamt Nahrungsmittelallergiker – hatten eine Person geküsst, die zuvor Nüsse gegessen hatte. Übrigens gibt es auch eine Angst vor dem Küssen. Diese nennt sich Philemaphobie.

Ein bisschen Kuss-Kultur

Neben dem Kuss zwischen Liebespartnern existieren natürlich noch jede Menge anderer Kuss-Formen mit verschiedenen Bedeutungen. Da gibt es zum Beispiel den in Mode gekommenen Begrüßungskuss, den früher üblichen Handkuss oder den Dankeskuss. Ein Fußkuss ist ein Zeichen der Unterwerfung, ein Judaskuss die heuchlerische Geste eines Verräters, und ein Bruderkuss war früher im Sozialismus üblich. 

Darüber hinaus kennen wir wunderschöne Filmküsse und magische Erlösungsküsse im Märchen, etwa im „Froschkönig“ oder „Dornröschen“. Auf einen Musenkuss hoffen Künstler und auf süße Schokoküsse Kinder im Supermarkt. Als Sinnbild für etwas Unmögliches steht der Ellenbogenkuss. Oder bringen Sie es fertig, Ihren Ellenbogen zu küssen? Quellen: Manfred Spitzer: Nichtstun, Flirten, Küssen. Schattauer-Verlag 2012; Ärzte Zeitung online vom 6. Juli 2016 

Philematologie in Kürze:

  • Die wissenschaftliche Erforschung des Küssens.
  • „Philematologie“ setzt sich aus den altgriechischen Wörtern „philema“ für „Kuss“ und „logos“ für „Lehre“ zusammen.
  • Die evolutionären Wurzeln des Küssens liegen möglicherweise im Füttern des Nachwuchses.
  • Mögliche Gründe fürs Küssen sind: qualitativer Test des Partners, Erhöhung sexueller Erregung, Verstärkung von Bindung.
  • Küssen wirkt glücksfördernd, stressmildernd, immunstärkend, kann aber auch Krankheitserreger übertragen.
  • Neben dem Liebeskuss gibt es zahlreiche andere Kussformen mit unterschiedlicher Bedeutung.