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Was ist eigentlich ein Lipödem?

Frau hält ihren nackten Oberschenkel fest
Ein Lipödem muss für Außenstehende nicht immer erkennbar sein. | Bild:  Юля Бурмистрова / AdobeStock

Beim Lipödem werden vor allem die Beine, manchmal auch die Arme, immer dicker und schmerzen, weil sich das Fettgewebe unkontrolliert vermehrt. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, die nicht nur zu physischen Beschwerden, sondern auch zu erheblichen psychischen Belastungen führen kann. 

Frau Pätzold, Sie behandeln in Ihrer Praxis zahlreiche Patientinnen mit Lipödem. Was ist das eigentlich?

Roxana Pätzold:

Der Begriff Lipödem bezeichnet eine Fettverteilungsstörung des Fettgewebes, wobei es sich bei den betroffenen Regionen hauptsächlich um die Ober- und Unterschenkel, Hüften und Arme handelt, Füße und Hände bleiben hingegen verschont. 

Durch die ungleiche Fettverteilung entsteht ein auffälliges, unförmiges Körperbild, welches sich auch in unterschiedlichen Kleidergrößen äußern kann. Auch sehr schlanke Frauen können unter dieser Fettverteilungsstörung leiden. 

Zudem ist diese Erkrankung für Betroffene äußerst schmerzhaft und kann sogar solche Ausmaße annehmen, dass das Gehen und Treppensteigen in einem späteren Stadium nicht mehr möglich ist und ein Rollator oder Rollstuhl zur Fortbewegung genutzt werden muss. Dadurch wird ein Lipödem neben einer physischen auch zu einer psychischen Belastung für die Betroffenen. 

Hormone häufig Auslöser

Das Lipödem war viele Jahre eher unbekannt und gilt als schwierig zu diagnostizieren. Kennt man inzwischen die Ursachen?

Roxana Pätzold:

Der Auslöser für die Entstehung eines Lipödems ist auf weibliche Hormone zurückzuführen und tritt vor allem nach hormonellen Umstellungen, wie z. B. Monatsblutungen, Schwangerschaften oder Eintritt der Wechseljahre, auf. 

Dies ist auch der Grund dafür, warum dieses Krankheitsbild nahezu ausschließlich bei Frauen auftritt. Etwa 60 Prozent der Betroffenen haben eine familiäre Disposition, es sind also schon Frauen in der Familie betroffen. 

Die bereits zuvor erwähnte Schmerzhaftigkeit des Fettgewebes und die damit einhergehende Berührungsempfindlichkeit werden heutigen Erkenntnissen zufolge durch eine Entzündungsreaktion verursacht.

Diagnose und Einteilung in Schweregrade

Wie wird ein Lipödem diagnostiziert und gibt es unterschiedliche Schweregrade wie beispielsweise beim Lymphödem?

Roxana Pätzold:

Grundsätzlich kann ein Lipödem in drei Stadien unterteilt werden:

Stadium I:  Glatte Hautoberfläche

Stadium II: Unebene Hautoberfläche

Stadium III: Überhängende Hautoberfläche

Diese Unterteilung dient allerdings nur zur groben Orientierung, da es sich nicht um objektive Kategorien handelt und andere Symptome nicht berücksichtigt werden. An erster Stelle erfolgt die Einschätzung anhand der Diagnose durch einen erfahrenen Gefäßchirurgen bzw. Lymphologen. Im Vordergrund steht hier selbstverständlich die Anamnese. Danach folgen die optische Beurteilung und das behutsame Abtasten der betroffenen Regionen.

Mithilfe eines Ultraschalls kann ein Lipödem ausgeschlossen werden. Denn wenn dabei beispielsweise eine tiefliegende Krampfader oder ein Lymphödem entdeckt wird, kann man davon ausgehen, dass dies die eigentliche Ursache für die Schwellung ist. 

Zur Diagnosesicherung eines potenziellen Lipödems ist der Ultraschall dagegen nicht hilfreich, da sich das Fettgewebe eines Lipödems optisch nicht vom Fettgewebe unterscheidet, welches durch Übergewicht entstanden ist. 

Unterscheidung zwischen Lip- und Lymphödem

Wie kann man Lipödem und Lymphödem voneinander unterscheiden?

Roxana Pätzold:

Im Gegensatz zum Lipödem handelt es sich beim Lymphödem um einen Flüssigkeitsstau im Lymphgewebe, welcher sich in Form einer einseitigen Schwellung des betroffenen Körperteils äußert. 

Typische Symptome eines Lymphödems sind eine einseitige Schwellung von Gliedmaßen, ein Spannungsgefühl und Hautverfärbungen. Die Hautfalte über der zweiten Zehe lässt sich nicht anheben (positives Stemmersches Zeichen). 

Unterschieden wird generell zwischen dem primären, sprich angeborenen Lymphödem und dem sekundären, welches durch äußere Einwirkung (z. B. Infektionen, Operationen oder Verletzungen) verursacht wird, wobei die sekundäre Form deutlich häufiger vorzufinden ist. 

Darüber hinaus kann ein Lymphödem auch aus einem Lipödem hervorgehen, wenn dieses unbehandelt bleibt und dadurch das lymphatische System überlastet wird. Diese Mischform nennt man dann Lipo-Lymphödem.

Bei Lymph- und Lipödemen handelt es sich also um zwei unterschiedliche Erkrankungen, welche jedoch oftmals miteinander verglichen werden, da sie auf den ersten Blick gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen. Beide Krankheitsbilder treten beispielsweise hauptsächlich bei Frauen auf und können auf eine ähnliche Weise therapiert werden. 

Therapieoptionen

Gibt es eine Therapie für das Lipödem?

Roxana Pätzold:

Dank neuester medizinischer Erkenntnisse kommt es gerade zu einem Wandel in der Lipödem-Therapie. Zur Linderung der Beschwerden und Reduzierung der Entzündungsvorgänge werden zusätzlich zur manuellen Lymphdrainage eine sogenannte komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) in Kombination mit Ernährungs- und Bewegungstherapie und Kompressionstherapie verordnet. Um das bestmögliche Ergebnis erzielen zu können, ist dementsprechend die Eigeninitiative der Patientin gefragt. Sollte es dennoch zu keiner Besserung kommen, ist auch eine Liposuktion (Fettabsaugung) möglich.

Unsere Expertin zum Thema Lipödem

Roxana Pätzold
Roxana Pätzold ist u. a. Expertin auf dem Gebiet der Lymphologie. | Bild: privat

Roxana Pätzold ist Fachärztin für Gefäßchirurgie und zertifizierte Endovaskuläre Chirurgin, Phlebologin und Lymphologin in Karlsruhe. In ihrer Privatpraxis in Karlsruhe sieht sie häufig Patientinnen mit Lip- und Lymphödem.

Nach dem Studium der Humanmedizin an der Universität Homburg begann sie im Jahr 2008 ihre Facharztausbildung im Städtischen Klinikum in Karlsruhe. Während dieser Ausbildung konnte sie sich ein fundiertes Wissen im Bereich der klassischen Gefäßchirurgie mit allen minimalinvasiven Verfahren aneignen.

 „Die Phlebologie hat mein Interesse geweckt, sodass ich die Zusatzqualifikationen in Phlebologie und Lymphologie erlangt habe. In den letzten Jahren habe ich neben meiner Haupttätigkeit im Klinikum Karlsruhe als angestellte Fachärztin in Teilzeit in verschiedenen Praxen in Karlsruhe und der Umgebung gearbeitet.“