Retax-Fragen
Praxiswissen
8 min merken gemerkt Artikel drucken

Retaxierung bei Rezepturen vermeiden: So geht's

Hand hält Spatel mit Salbe drauf
Retaxierungen sind lästig – wie können diese bei Rezepturverordnungen vermieden werden? | Bild: Gerhard Seybert / AdobeStock

Rezepturen aus der Apotheke schließen eine entscheidende Versorgungslücke: Denn nicht für jede Person gibt es das richtige Medikament in der passenden Darreichungsform als Fertigarzneimittel auf dem Markt. Rezepturen spielen daher eine wichtige Rolle für die Patientenversorgung.

Allerdings sind entsprechende Verordnungen nicht in jeder Apotheke beliebt, da sie neben einem größeren Arbeitsaufwand auch eine komplexere Taxierung mit sich bringen. Wird Letztere nicht mit voller Aufmerksamkeit durchgeführt, können kostspielige Retaxierungen folgen. Hier finden Sie deshalb Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Taxierung von Rezepturverordnungen.

Wann kann eine Rezeptur zulasten der GKV abgerechnet werden?

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel – und damit auch Rezepturen ohne verschreibungspflichtige Bestandteile – sind generell von der Regelversorgung ausgeschlossen. Ob und unter welchen Bedingungen eine Substanz verschreibungspflichtig ist, ist in der Anlage I der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) nachzulesen. 

Für Erwachsene sind Rezepturen ohne Rx-Bestandteile nur dann zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig, wenn Wirkstoffe, die bei Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und in der OTC-Übersicht (Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie, AM-RL) gelistet sind, verwendet werden. 

Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr stellen eine weiter Ausnahme dar: Für sie sind Rezepturen auch ohne verschreibungspflichtige Bestandteile erstattungsfähig. Das ist in § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) festgeschrieben.  

Welche Rezepturen ohne Rx-Bestandteile können für Erwachsene abgerechnet werden?

Enthält eine Rezeptur keine verschreibungspflichtigen Bestandteile, jedoch einen Stoff der Anlage I der AM-RL, so ist die Abgabe zulasten der GKV auch für Erwachsene möglich. Entsprechende Stoffe sind zum Beispiel:

  • topische Anästhetika und/oder Antiseptika nur zur Selbstbehandlung schwerwiegender generalisierter blasenbildender Hauterkrankungen (z. B. Epidermolysis bullosa (hereditaria), der sogenannten „Schmetterlingshaut“, oder der Autoimmundermatose Pemphigus),
  • Antihistaminika nur zur Behandlung schwerer, rezidivierender Urtikarien, nur bei schwerwiegendem, anhaltendem Pruritus,
  • Antimykotika nur zur Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum,
  • harnstoffhaltige Dermatika (mind. 5%) nur bei gesicherter Diagnose bei Ichthyosen, wenn keine therapeutischen Alternativen für den jeweiligen Patienten indiziert sind,
  • Iod-Verbindungen nur zur Behandlung von Ulzera und Dekubitalgeschwüren,
  • Nystatin nur zur Behandlung von Mykosen bei immunsupprimierten Patienten,
  • salicylhaltige Zubereitungen (mind. 2%) in der Dermatotherapie als Teil der Behandlung der Psoriasis und hyperkeratotischer Ekzeme,
  • synthetischer Speichel nur zur Behandlung krankheitsbedingter Mundtrockenheit bei onkologischen oder Autoimmunerkrankungen.

Muss die Apotheke prüfen, ob eine Ausnahme gemäß Anlage I der AM-RL vorliegt?

Für die Erstattung von nichtverschreibungspflichtigen Rezepturen muss auf dem Rezept keine Diagnose angegeben werden. Es gilt allerdings eine erweiterte Prüfpflicht: Hat der Arzt eine Diagnose vermerkt, so muss die Apotheke anhand der Anlage I der AM-RL prüfen, ob diese zu den verordnungsfähigen Ausnahmen gehört. Die Prüfpflicht entfällt jedoch, wenn keine Diagnose angegeben ist.

Was ist bei Dosierungsangaben auf Rezepturverordnungen zu beachten?

Laut § 2 Abs. 1 Nummer 4a AMVV gehört die Angabe einer Gebrauchsanweisung zu einer ordnungsgemäß ausgestellten Rezepturverordnung dazu. Außerdem müssen Rezepturgefäße nach § 14 ApBetrO mit der Art der Anwendung und der Gebrauchsanweisung (z. B. „2 x täglich dünn auf die betroffenen Hautstellen auftragen“) gekennzeichnet werden. Die Apotheke benötigt die Gebrauchsanweisung zudem zur Beurteilung der Plausibilität der Rezeptur. Daher kann eine Dosierungsangabe wie „Dj“ oder „laut ärztlicher Anweisung“ für Rezepturen nicht ausreichend sein. 

Nach ärztlicher Rücksprache darf die Gebrauchsanweisung auf dem Rezept ergänzt werden. Das Ergebnis der Rücksprache sollte auf dem Rezept dokumentiert und mit Datum und Unterschrift bestätigt werden.

Ist bei Rezepturen für den Sprechstundenbedarf auch eine Gebrauchsanweisung nötig?

In § 2 AMVV heißt es: „[…] einer Gebrauchsanweisung bedarf es nicht, wenn das Arzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird.“ Somit ist im Falle einer Rezepturverordnung für den Sprechstundenbedarf keine Gebrauchsanweisung notwendig.

Dürfen Kosmetika als Grundlage für Rx-Rezepturen zulasten der GKV eingesetzt werden? 

Rezepturgrundlagen müssen apothekenpflichtig sein oder Arzneimittelqualität aufweisen. Nach § 11 ApBetrO muss die Apotheke dafür sowohl die Identität als auch die Reinheit der Ausgangsstoffe überprüfen. Die Reinheitsprüfung kann entfallen, wenn der Hersteller oder Lieferant die Komplettprüfung durch ein Prüfzertifikat bestätigt. 

Nicht apothekenpflichtige Grundlagen dürfen daher nur verwendet werden, wenn der Hersteller ein solches Prüfzertifikat nach § 6 Abs. 3 und § 11 ApBetrO sowie eine Methode zur Identitätsprüfung vorstellen kann. Viele Firmen stellen dies mittlerweile jedoch online oder auf telefonische Nachfrage zur Verfügung.

Was ist bei der Taxierung von Rezepturen aus Fertigarzneimitteln zu beachten? 

In Rezepturen werden häufig auch Fertigarzneimittel verarbeitet. Entspricht die abgegebene Menge nicht der Menge einer Originalgröße, entstehen Anbrüche. Theoretisch (laut § 5 Abs. 2 Satz 2 AMPreisV) dürfen diese voll berechnet werden:

Auszugehen ist von den Apothekeneinkaufspreisen der für die Zubereitung erforderlichen Mengen an Stoffen und Fertigarzneimitteln. Maßgebend ist  

  1. bei Stoffen der Einkaufspreis der üblichen Abpackung,
  2. bei Fertigarzneimitteln der Einkaufspreis nach § 3 Abs. 2 der erforderlichen Packungsgröße, höchstens jedoch der Apothekeneinkaufspreis, der für Fertigarzneimittel bei Abgabe in öffentlichen Apotheken gilt.

Wird eine Rezeptur jedoch häufiger in einer Apotheke hergestellt und an Patienten, die bei der gleichen Krankenkasse versichert sind, abgegeben, argumentieren Krankenkassen zunehmend, dass die Anbrüche nicht verworfen werden müssen und für die nächste Rezeptur verwendet werden können. 

Die Retaxationen häufen sich daher zu späteren Zeitpunkten, wenn der Patient die gleiche Rezeptur mehrfach verordnet bekommt und die Apotheke nicht belegen kann, dass die von der letzten Herstellung verbliebenen Anbrüche nicht mehr verwendbar waren.  

Es lohnt sich daher, die Substanzanbrüche nicht sofort zu verwerfen, Rezeptkopien der Erst- und Folgeverordnungen aufzubewahren, das Datum des Anbruchs zu dokumentieren und Unterlagen zu Haltbarkeit und Aufbrauchfrist bereitzuhalten.

Dürfen mehrere Rezepturen auf einem Rezept verordnet werden?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) rät den Ärzten, nur eine Rezeptur pro Rezeptblatt zu verordnen. Dies ist in den „Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung“ (S. 55) festgehalten. Diese Vorgabe richtet sich jedoch nur an die Ärzte. Die Apotheke hat diesbezüglich keine Prüfpflicht und darf Verordnungen mit mehreren Rezepturen oder einer Kombination aus Fertigarzneimitteln und Rezeptur grundsätzlich beliefern – seit Einführung des Hash-Codes wird dabei jedoch die Software nicht mehr mitspielen. 

Bei mehr als einer Rezeptur pro Verordnungsblatt sind Probleme mit der Hash-Code-Bedruckung zu erwarten, denn allein der lange Zahlencode einer Rezeptur füllt das Verordnungsblatt schon aus. Es wird also definitiv zu Problemen mit der Abrechnung kommen. Da Ärzten sowieso von der KBV empfohlen wird, pro Rezept nur eine Rezeptur zu verordnen, kann man sie bei Bedarf noch einmal darauf hinweisen.

Zur Erinnerung: Was ist der Hash-Code?

Beim Hash-Code handelt es sich um eine 40-stellige Zahlenfolge, die auf die zweite und dritte Taxzeile des Rezeptes gedruckt wird. Dieser Code verknüpft die Daten des Papierrezeptes mit zusätzlichen Daten (Z-Daten), die elektronisch an die Krankenkasse übermittelt werden.  

Der Hash-Code (auch Hash-Wert) setzt sich zusammen aus:

  • 2. Zeile
    • PZN (10-stellig): Stellen 1–10
    • Faktor (3-stellig): Stellen 11–13
    • Taxe (7-stellig): Stellen 14–20
  • 3. Zeile
    • PZN (10-stellig): Stellen 21–30
    • Faktor (3-stellig): Stellen 31–33
    • Taxe (7-stellig): Stellen 34–40

In die 1. Taxzeile wird die Sonder-PZN und die Gesamt-Taxe gedruckt. 

Die konkrete Bedeutung der einzelnen Z-Segmente ist in der Technischen Anlage 3 zur Vereinbarung zur Datenübermittlung nach § 300 SGB V (TA 3) festgeschrieben.  

Müssen Einzelbestandteile der Rezeptur auf das Rezept gedruckt werden?

Nach § 9 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) mussten bislang trotz des Hash-Codes noch zusätzlich die Einzelbeträge des Apothekenabgabepreises auf das Rezept aufgedruckt werden.

Zum 1. Juli 2022 ist jedoch eine Änderung in § 22 des Rahmenvertrags in Kraft getreten. In dem neu eingefügten Satz 3 heißt es, dass bei Papierrezepten auf die Angaben nach § 9 AMPreisV Nummer 2 verzichtet werden kann, wenn die Angaben im elektronischen Zusatzdatensatz geliefert und durch den aufgedruckten Hash-Code eindeutig zugeordnet werden können.  

Welche Gefäße dürfen zulasten der GKV abgerechnet werden? 

Um eine Retaxierung zu vermeiden, sollten Gefäße, die nicht in der Hilfstaxe gelistet sind (z. B. Zubehörteile wie Mischscheiben), nicht auf Verordnungen zulasten der GKV abgerechnet werden.

Handelt es sich um Rezepturen, die für den Sprechstundenbedarf verordnet wurden, dürfen in der Regel gar keine Gefäße taxiert werden. Regionale Lieferverträge können hier jedoch Ausnahmeregelungen vorsehen. Dieses sollte vor der Abrechnung überprüft werden.

Zurück