Rezeptur
Praxiswissen
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Besonderheitenliste des BfArM: Hilfsstoffe kennzeichnen: Was ist zu beachten?

Rezeptur wird beklebt
Die Besonderheitenliste des BfArM gibt Hinweise zur Kennzeichnung von Rezepturen. | Bild: Schelbert / PTAheute

Die Apothekenbetriebsordnung schreibt für alle Wirkstoffe einer Rezeptur die Kennzeichnung nach Art und Menge vor. Für sonstige Bestandteile genügt die Angabe nach der Art.

Konservierungsmittel und Stabilisatoren müssen nicht mehr gesondert nach der Menge deklariert werden – mit einer Ausnahme: Bei Parenteralia muss für jedes eingesetzte Konservierungsmittel die Art und Menge angegeben werden. 

Weiterhin mussten bestimmte Zubereitungen mit Ethanol viele Jahre lang gesonderte Warnhinweise tragen. Die nötigen Angaben konnten in der Arzneimittel-Warnhinweisverordnung (AMWarnV) nachgelesen werden. Ethanolhaltige Zubereitungen zur Einnahme oder zur Anwendung als Mund- und Rachendesinfektionsmittel mussten demnach ab einem Ethanolgehalt von mindestens 0,05 g pro Dosiereinheit mit einem Warnhinweis versehen werden. Ebenso auch Arzneimittel mit dem Farbstoff Tartrazin. 

Warum haben sich die Kennzeichnungspflichten verändert?

Bei diesen Kennzeichnungspflichten handelte es sich um eine nationale Vorgabe, die in einigen Punkten nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprach. Seit dem 1. Juni 2022 regelt daher eine Besonderheitenliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Pflichtangaben für Hilfsstoffe auf dem Behältnis und der äußeren Umhüllung sowie in den Texten der Gebrauchs- und Fachinformation (siehe Abbildung 1). Diese Besonderheitenliste basiert auf europaweit einheitlichen Vorgaben.

Besonderheitenliste des BfArM

Die sonstigen Bestandteile von Arzneimitteln sind in der Liste in alphabetischer Reihenfolge zu finden. Zusätzlich ist jeweils auch die Anwendungsart angegeben, bei der die besondere Kennzeichnungsvorschrift berücksichtigt werden muss. 

Auszug aus der Besonderheitenliste des BfArM
Abb. 1: Auszug aus der Besonderheitenliste des BfArM (Stand 07.08.2023) | Quelle: BfArM

Bei den meisten Hilfsstoffen ist dabei die Angabe der Stoffbezeichnung ausreichend. Für Rezepturarzneimittel gilt jeweils der Hinweis, der unter dem Punkt „Äußere Umhüllung/Behältnis“ zu finden ist (siehe Abbildung 2). 

Angaben zu Azofarbstoffe aus Besonderheitenliste
Abb. 2: Kennzeichnung von Azofarbstoffen in Rezepturarzneimitteln | Quelle: BfArM

Wird also zum Beispiel eine Zubereitung zur Einnahme hergestellt, die einen Azofarbstoff enthält, muss bei der Kennzeichnung der Name des jeweiligen Farbstoffes angegeben werden.

Da Rezepturarzneimittel ohne Packungsbeilage abgegeben werden, können weitere Informationen für den Patienten – falls nötig – mündlich mitgeteilt werden. 

Änderungen in der Apothekenbetriebsordnung

Aufgrund dieser neuen Regelungen wurden auch die Kennzeichnungsvorschriften für Rezepturarzneimittel in § 14 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) angepasst: Apotheken müssen die Menge eines sonstigen Bestandteils auf dem Etikett angeben, „soweit dies nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist“. 

Da die Besonderheitenliste des BfArM den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse widerspiegelt, sind dort die Stoffe zu finden, für die eine Konzentrations- oder Mengenangabe nötig ist. Bei der Kennzeichnung von Rezepturarzneimitteln sollen sich die Formulierungen an den Angaben in dieser Liste orientieren. 

Kennzeichnung bei Rezepturen mit Ethanol

Gemäß der Besonderheitenliste ist für Zubereitungen mit Ethanol zur oralen, parenteralen, inhalativen und dermalen Anwendung folgende Angabe auf das Etikett zu schreiben: 

„Enthält x mg Alkohol (Ethanol) pro Dosiereinheit/Dosiervolumen entsprechend x mg/Gewicht bzw. Volumen (y% w/w bzw. v).“

Beispiel: Zuckerfreie Thymian-Mixtur (NRF 4.4.)

Ethanol spielt als Hilfsstoff unter anderem als Extraktionsmittel bei pflanzlichen Drogen eine Rolle. Beispielsweise wird Thymianfluidextrakt als Expectorans bei Katarrhen der oberen Luftwege und bei Bronchitis angewendet. Der Extrakt wird aus Thymiankraut gewonnen. Als Extraktionsmittel kommt eine Mischung aus verdünntem Ammoniak, Glycerol 85 %, Ethanol und Wasser zum Einsatz. 

Im NRF sind dazu zwei geprüfte Rezepturvorschläge zur Herstellung einer Lösung zum Einnehmen zu finden: Thymian-Sirup (NRF 4.13.) und Zuckerfreie Thymian-Mixtur (NRF 4.4.).

Zuckerfreie Thymian-Mixtur (NRF 4.4.)
Thymianfluidextrakt15,0 g
Sternanisöl0,023 g (entsprechend 1 Tropfen)
Bitterfenchelöl0,022 g (entsprechend 1 Tropfen)
Saccharin-Natrium0,05 g
gereinigtes Wasserzu 100,0 g
„1- bis 3-mal täglich 10 ml einnehmen“


Der Ethanolgehalt des Thymianfluidextrakts liegt zwischen 30 und 37 % (V/V). Bei Verwendung des mittleren Wertes (33,5 %) und dem Einsatz von 15 g Fluidextrakt ergibt sich für die gesamte Zubereitung ein Ethanolgehalt von 5 % (V/V)33,5% / 100 × 15 = 5% 

Um die Ethanolmenge pro Einzeldosis zu berechnen, müssen die Volumenprozent (V/V) zunächst in Massenprozent (m/m) umgewandelt werden. Dies kann mithilfe der Ethanoltabellen des Europäischen Arzneibuchs erfolgen. Aus den Tabellen ergibt sich, dass 5 % (V/V) Ethanol 3,98 % (m/m) entsprechen. Demnach enthalten 100 g Thymian-Mixtur 3,98 g Ethanol. Eine Einzeldosis von 10 ml (Dichte der Mixtur annähernden 1,0 g/ml)  enthält somit 0,398 g bzw. 398 mg reines Ethanol.

Beispiel für eine Kennzeichnung einer Rezeptur
Vorschlag zur Kennzeichnung einer Zuckerfreien Thymian-Mixtur (NRF 4.4.)

Bei der Abgabe alkoholhaltiger Zubereitungen an den Patienten ist es empfehlenswert, weitere Hinweise zu möglichen Gesundheitsgefahren zu geben. Diese können in mündlicher, aber auch schriftlicher Form erfolgen und orientieren sich an der Packungsbeilage entsprechender Fertigarzneimittel. Hinweise dazu sind ebenfalls in der Besonderheitenliste des BfArM zu finden. 

Kennzeichnung auch bei Dermatika mit Ethanol

Auch bei halbfesten Zubereitungen mit Ethanol müssen bestimmte Vorschriften zur Kennzeichnung beachtet werden. Da bei Dermatika normalerweise keine definierte Dosis angegeben werden kann, wird dabei die Menge an enthaltenem Alkohol in Milligramm pro Gramm oder Milliliter der Zubereitung angegeben. Als Beispiel für eine ethanolhaltige Lösung zum Auftragen auf die Haut kann die Ethanolhaltige Chlorhexidindigluconat-Lösung herangezogen werden:

Ethanolhaltige Chlorhexidindigluconat-Lösung (NRF 11.126.) 1 %
Chlorhexidindigluconat-Lösung (200 g/L)5,33 g
Ethanol 70 %  (V/V)zu 100,0 g

Zur Herstellung werden die Chlorhexidindigluconat-Lösung und Ethanol 70 % (V/V) in einem Becherglas unter Rühren gemischt. Die Konzentrationsangabe der Alkohol-Wasser-Mischung erfolgt dabei in Volumenprozent. Ein Blick in die Ethanoltabellen des Europäischen Arzneibuchs verrät: 70 % (V/V) entsprechen 62,39 % (m/m)Das bedeutet, dass 62,39 g reines Ethanol in 100 g Ethanol-Lösung enthalten.  

Um aus der eingesetzten Menge von 94,67 g100 g- 5,33 g = 94,67 g   an Ethanol 70 % (V/V) die Menge an reinem Ethanol in der gesamten Rezeptur zu berechnen, kann folgender Dreisatz durchgeführt werden:

62,39 g reines Ethanol in 100 g Ethanol-Lösung
x g reines Ethanol in 94,67 g Ethanol-Lösung
x = 62,39 g/100 g × 94,67 g = 59,06 g reines Ethanol

Die gesamte Zubereitung (100 g) enthält somit 59,06 g reines Ethanol. Auf 1 g Lösung heruntergerechnet sind somit 0,591 g bzw. 591 mg Ethanol enthalten. Dies ist auf dem Etikett mit anzugeben. 

Vorschlag zur Kennzeichnung einer Ethanolhaltige Chlorhexidindigluconat-Lösung (NRF 11.126.) 1 %

Kennzeichnung von Rezepturen mit Natrium- und Kaliumverbindungen

Bei Zubereitungen mit Natriumverbindungen zur oralen und parenteralen Anwendung muss zur Kennzeichnung ebenfalls die Dosierung beachtet werden. Dies ist vor allem für Hypertonie-Patienten wichtig, die meist die Zufuhr von Kochsalz beschränken müssen. 

Enthält das Arzneimittel weniger als 1 mmol (23 mg) Natriumverbindungen pro Dosiereinheit, gilt es als nahezu „natriumfrei“. Bei der Kennzeichnung muss demnach nichts weiter beachtet werden. 

Liegt der Gehalt an Natriumverbindungen höher, also ≥ 1 mmol (23 mg), muss auf dem Etikett der Hinweis „enthält Natrium“ vermerkt werden. Ab einem Wert von ≥ 17 mmol (391 mg) pro Dosiereinheit ist der Hinweis „hoher Natriumgehalt“ nötig. 

Weiterhin muss bei Arzneimitteln mit Kaliumverbindungen die Konzentration überprüft werden, denn Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion müssen auch auf die Kaliumaufnahme achten. Zubereitungen mit ≥ 1 mmol (39 mg) Kaliumverbindungen pro Dosiereinheit sind daher mit dem Hinweis „enthält Kalium“ zu versehen. 

Die meisten Rezepturarzneimittel liegen jedoch deutlich unter den erwähnten Grenzwerten, weshalb diese Vorgaben eher für Fertigarzneimittel eine Rolle spielen. So sind beispielsweise Brausetabletten mit Paracetamol und Ibuprofen häufig reich an Natrium- und Kaliumverbindungen. Quellen:
Bergner A., Praxishilfe Rezeptur – Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Apotheke, 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2021.
https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Besonderheitenliste/_node.html
DAC/NRF-Werk 2023/1 I.3. Kennzeichnung und Abgabe
 

Gut zu wissen: Übergangsfristen für Zubereitungen abgelaufen

Rezepturarzneimittel müssen seit 1. Juni 2022 nach den neuen Vorgaben gekennzeichnet werden. Defekturarzneimittel, die zu diesem Zeitpunkt noch mit einem Warnhinweis nach der alten Arzneimittel-Warnhinweisverordnung versehen waren, durften in der Apotheke noch bis 30. Juni 2023 abgegeben werden.

Fertigarzneimittel, die nach der AMWarnV beschriftet sind, dürfen vom pharmazeutischen Hersteller noch bis einschließlich 30. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden. Eine Abgabe in der Apotheke ist auch nach diesem Zeitpunkt noch möglich.

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