Rezeptur
Praxiswissen
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Standardisierte Herstellungsvorschrift im NRF: Neue Methode für Neomycinsulfat-Kapseln

blaues befülltes Kapselbrett davor weiße Kapseln und Dose
Zur Herstellung von Neomycinsulfat-Kapseln gibt es eine neue Herstellungsmethode im NRF. | Bild: Vlad / AdobeStock

Die Herstellung hoch dosierter Neomycinsulfat-Kapseln mit 250 mg Wirkstoff erfolgte bislang nach dem massenbasierten Herstellungsverfahren. Im NRF ist dazu unter der Ziffer 21.5. eine geprüfte Rezepturvorschrift zu finden. 

Gut zu wissen: Wann werden Neomycinsulfat-Kapseln eingesetzt?

Neomycinsulfat-Kapseln 250 mg werden zur Keimreduktion im Darm vor Operationen und als Zusatzbehandlung bei einem Leberkoma zur Verminderung der bakteriellen Ammoniakbildung eingesetzt.

Bei der massenbasierten Herstellung werden die benötigten Mengen an Wirkstoff und Füllmittel getrennt voneinander abgewogen, in einer glatten Schale vermischt und die Kapselunterteile mit der fertigen Pulvermischung befüllt. 

Je nach Kapselgröße kann die Masse an Füllgut pro Kapsel im Vorfeld berechnet und damit die Anteile an Wirkstoff und Füllmittel festgelegt werden.

Messzylindermethode zur Herstellung von Neomycinsulfat-Kapseln empfohlen

Das Antibiotikum Neomycinsulfat gehört zu den Arzneistoffen mit biologischer Aktivität. Der Gehalt der Rezeptursubstanz wird daher nicht prozentual, sondern als Aktivität in Internationalen Einheiten (I.E.) angegeben. 

Laut Europäischem Arzneibuch muss der Wirkstoff eine Mindestaktivität von 680 I.E./mg haben. Je nach tatsächlichem Gehalt der Substanz resultieren daraus unterschiedliche Einwaagen und das Mischungsverhältnis zwischen Wirkstoff und Füllmittel ändert sich. 

Aufgrund abweichender Schüttdichten der beiden Bestandteile resultieren jeweils unterschiedliche Volumina an Pulver. Dadurch kann es bei der massenbasierten Herstellungsmethode zu Unregelmäßigkeiten bei der Befüllung der Kapseln kommen, diese können teilweise unvollständig befüllt sein. 

Rückmeldungen aus verschiedenen Apotheken haben das Problem bestätigt. In der neuen Ergänzungslieferung zum DAC/NRF wird daher die Herstellung der Neomycinsulfat-Kapseln volumetrisch nach der Messzylindermethode empfohlen. 

Neomycinsulfat in zwei Varianten erhältlich

Neomycinsulfat ist als Rezeptursubstanz in zwei unterschiedlichen Qualitäten erhältlich: mikrofein gepulvert oder frei fließend. 

Das mikrofeine Pulver hat schlechte Fließeigenschaften und ist daher zur Herstellung von Kapseln nicht geeignet. Es wird zur Herstellung von wasserfreien Salben und Lösungen eingesetzt. 

Zur Befüllung von Hartgelatine-Kapseln muss die frei fließende Pulverform, die durch Sprühtrocknung gewonnen wird, verwendet werden. Diese weist hohlkugelförmige Teilchen mit einem Durchmesser zwischen 20 und 60 µm auf. Die Schüttdichte dieser Pulverform mit einer Mischung von Hochdispersem Siliciumdioxid liegt bei etwa 0,55 g/ml. 

Zusammensetzung der Pulvermischung mit Neomycinsulfat

Wie schon erwähnt, wird der Gehalt von Neomycinsulfat mithilfe Internationaler Einheiten (I.E.) bezogen auf die getrocknete Substanz angegeben. Eine Massenangabe von 250 mg Neomycinsulfat bezieht sich dabei auf eine Aktivität von 775 I.E./mg. 

Wegen der Fähigkeit Wasser zu binden (Hygroskopizität) und eines oft deutlichen Mindergehalts ist beim Abwiegen meist ein Korrekturfaktor zu berücksichtigen. Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der Einwaage.

Weiterhin wird zur Herstellung der Pulvermischung Hochdisperses Siliciumdioxid 0,5 % eingesetzt. Es erleichtert die Mischung mit dem Füllmittel und verbessert das Fließverhalten der Pulvermischung. 

Als Füllstoff wird Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.) verwendet. Dieses Füllmittel kann im Gegensatz zur Mischung aus Mannitol und Siliciumdioxid auch zur Verarbeitung von nicht mikrofein gepulverten Wirkstoffen wie Neomycinsulfat verwendet werden. 

Neue Rezepturvorschrift NRF 21.5. nutzt Messzylindermethode

Die Rezepturvorschrift zur Herstellung der Kapseln lautet folgendermaßen:

Neomycinsulfat-Kapseln 250 mg (NRF 21.5.)
1 Kapsel enthält: 
Neomycinsulfat (sprühgetrocknet)193.750 I.E.
Hochdisperses Siliciumdioxid (200 m2/g)0,0014 g
Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.)nach Bedarf
Hartgelatine-Steckkapselhülle, Größe 01 Stück


Für die Durchführung der Messzylindermethode muss zuvor das Pulvervolumen für den Herstellungsansatz festgelegt werden. Dieses ist von der Kapselanzahl und der Kapselgröße abhängig. Zunächst muss daher das Kalibriervolumen VK aus dem Nennvolumen der verwendeten Kapselhüllen Größe 0 berechnet werden:  

VK = Anzahl der Kapseln × 0,68 ml

Dabei ist es nicht mehr erforderlich, das Kalibriervolumen mithilfe des reinen Füllmittels praktisch zu bestimmen. Bei der Mischung der einzelnen Pulverbestandteile findet im Gegensatz zur früher vorgeschriebenen Verreibung keine deutliche Erhöhung des Pulvervolumens statt.  

Gut zu wissen: Methode A oder B?

Je nach Anteil des Wirkstoffs kann die Herstellung der Pulvermischung nach der Messzylindermethode nach Methode A oder B erfolgen. 

Beträgt das zu erwartende Volumen des Arzneistoffs mehr als die Hälfte des Kalibriervolumens, so wie bei der Herstellung der Neomycinsulfat-Kapseln, kommt Methode A zum Einsatz. 

Bei den Neomycinsulfat-Kapseln 250 mg füllt der Wirkstoff bzw. seine Mischung mit Hochdispersem Siliciumdioxid bereits etwa 70 % bis 85 % des Kapselvolumens aus. 

Bei einem niedrigen Anteil an Wirkstoff wird dagegen Methode B verwendet.

Für die eigentliche Herstellung werden Wirkstoff und Fließregulierungsmittel getrennt voneinander auf einer Wägeunterlage abgewogen und in einer glatten Schale ohne Druck miteinander vermischt. 

Die Pulvermischung wird locker in einen Messzylinder eingefüllt und mit Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel auf das Kalibriervolumen aufgefüllt. Das Volumen des verwendeten Messzylinders sollte nicht größer sein als das 2,5-Fache des berechneten Kalibriervolumens. 

Der Ansatz wird erneut in die Schale überführt und unter mehrfachem Abschaben verrührt. Das Pulver wird nun gleichmäßig auf dem Kapselbrett verteilt und die Kapselunterteile mithilfe eines Kartenblattes befüllt. Dabei bleibt ein Pulverüberstand übrig. Nach vorsichtigem Aufklopfen des Kapselfüllgeräts senkt sich die Pulveroberfläche leicht ab, sodass das restliche Pulver verteilt werden kann.  

Gut zu wissen: Verreibung in der rauen Reibschale nicht nötig

Die Mischung der einzelnen Pulverbestandteile erfolgt bei der Herstellung der Kapseln in einer Fantaschale mithilfe eines Kartenblatts. Eine Verreibung in einem rauen Porzellanmörser mit Pistill ist nicht vorgeschrieben. 

Dies liegt unter anderem an dem hohen Wirkstoffanteil und der sehr guten Fließfähigkeit der Bestandteile. Möglicherweise vorhandene Klumpen in der Wirkstoff-Siliciumdioxid-Mischung und im Füllmittel können mit dem Pistill zerteilt werden. 

Im Gegensatz zur rauen Reibschale lässt sich eine glatte Schale sauber entleeren.

Korrekturfaktor und Produktionszuschlag beachten

Beim Abwiegen von Wirkstoffen sind häufig Einwaagekorrekturen erforderlich. Dabei wird ein Korrekturfaktor fE mit der ursprünglich verordneten Wirkstoffmasse multipliziert und so eine erhöhte Soll-Einwaage erhalten. 

Bei der Herstellung der Neomycinsulfat-Kapseln kommt noch ein Produktionszuschlag fP von 2 % hinzu. Dieser soll die geringen Substanzverluste beim Überführen kompensieren. 

Die abzuwiegende Menge an Neomycinsulfat kann mit folgender Formel berechnet werden:

MasseWirkstoff = Masse an Wirkstoff pro Kapsel × fE × fP × Anzahl der Kapseln

Verpacken und Beschriften von Neomycinsulfat-Kapseln

Unmittelbar nach der Herstellung werden die fertigen Kapseln in ein Weithalsglas oder eine Dose aus Kunststoff abgefüllt und nach § 14 Apothekenbetriebsordnung gekennzeichnet. Dabei ist die Bezeichnung und Ziffer der NRF-Vorschrift miteinzubeziehen. Die Aufbrauchsfrist der mikrobiell nicht anfälligen Kapseln kann auf 1 Jahr festgesetzt werden. 

Beispiel einer Kennzeichnung von Neomycinsulfat-Kapseln
Vorschlag für ein Etikett für 32 Neomycinsulfat-Kapseln 250 mg

Vor der Freigabe der Kapseln werden diese sensorisch geprüft. Die fertigen Kapseln dürfen nicht verformt oder geknickt sein, zudem darf kein loses Pulver zu erkennen sein. Quellen:
Neomycinsulfat-Kapseln 250 mg (NRF 21.5.)
DAC/NRF-Rezepturhinweis Neomycinsulfat (07.06.2023)
Cellulose-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.54.)
 

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