Rezeptur
Praxiswissen
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Frage aus der Rezeptur: Hydrophile Creme mit Tretinoin

Blick in ein Rezepturbereich einer Apotheke
Was wenn der Arzt eine andere Verwendbarkeitsdauer wünscht als die Plausibilitätsprüfung ergibt? Am Beispiel einer Triclosan-Zubereitung wird dies deutlich. | Bild: Gerhard Seybert / AdobeStock

Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:

Unser Hautarzt hat folgende Zubereitung verordnet:

Tretinoin 0,015 g 
Estradiol-Hemihydrat 0,015 g 
Harnstoff 2,0 g 
Linola Creme ad 48,0 g 


Der Arzt möchte gerne die Aufbrauchsfrist der Creme auf drei Monate festlegen, wir in der Apotheke haben uns aber nach Durchführung der Plausibilitätsprüfung für eine kürzere Verwendbarkeit von lediglich vier Wochen entschieden. Was ist denn nun richtig?

Grundsätzlich müssen bei der Festlegung der Aufbrauchsfrist eines Rezepturarzneimittels verschiedene Faktoren beachtet werden. Bei obiger Vorschrift handelt es sich um eine nicht standardisierte Zubereitung und es muss daher zunächst geklärt werden, ob diese als chemisch-physikalisch stabil angesehen werden kann. 

Stabilität von Tretinoin vielfach problematisch

Hinsichtlich der Stabilität gehört Tretinoin zu den Problemarzneistoffen, eine chemische Zersetzung erfolgt relativ leicht und wird durch Licht, Sauerstoff, erhöhte Temperatur und das Vorliegen in gelöster Form begünstigt. Der Wirkstoff wird auch als Vitamin-A-Säure bezeichnet und ist in den meisten Dermatikabestandteilen schlecht löslich, er liegt daher in der Linola Creme überwiegend suspendiert vor. Mit abnehmender Konzentration kommt es allerdings zu einer Verschlechterung der chemischen Stabilität, da der suspendierte Anteil relativ zum gelösten Anteil abnimmt. 

Ähnliche NRF-Vorschrift

Ein Blick ins NRF zeigt, dass unter der Vorschrift 11.100. eine hydrophile Tretinoin-Creme mit Basiscreme DAC als Grundlage zu finden ist. Beim Abfüllen dieser standardisierten Zubereitung in eine Tube und Lagerung im Kühlschrank zwischen 2 und 8 Grad Celsius gibt das NRF tatsächlich eine Aufbrauchsfrist von drei Monaten an. Allerdings enthält die NRF-Vorschrift zur Stabilisierung des licht- und sauerstoffempfindlichen Tretinoin als Stabilisator Butylhydroxytoluol in mindestens 0,04 prozentiger Konzentration. Butylhydroxytoluol kann dabei leicht als Paraffinkonzentrat eingewogen werden, eine entsprechende Vorschrift für dieses Antioxidans ist ebenfalls im NRF als Stammlösung S.35. zu finden. Generell empfiehlt das NRF auch bei Individualrezepturen den Wirkstoff Tretinoin in hydrophilen Cremes mit diesem Stabilisator zu versetzen. Aber selbst wenn Sie nun in oben beschriebener Verordnung diesen Stabilisator einsetzen, würde ich von einer Aufbrauchsfrist von drei Monaten abraten. 

Rezepturarzneimittel mit zweifelhafter Stabilität

Bei der vom Hautarzt verschriebenen Zubereitung handelt es sich meiner Meinung nach um ein Rezepturarzneimittel mit zweifelhafter Stabilität, neben dem schon beschriebenen Tretinoin sollen noch zwei weitere Wirkstoffe in die Grundlage eingearbeitet werden. Und gerade Harnstoff neigt in hydrophilen Grundlagen wie der Linola Creme leicht zur hydrolytischen Zersetzung und wird daher normalerweise mit einem Lactat-Puffer stabilisiert. Ohne diesen Puffer kann es innerhalb der Zubereitung zu einem Anstieg des pH-Wertes kommen, ein erhöhter pH-Wert katalysiert auf der einen Seite die Hydrolyse des Harnstoffs und ist auf der anderen Seite auch ungünstig für die Stabilität des Tretinoin. Aus diesem Grund finde ich die Festlegung der Aufbrauchsfrist von vier Wochen von Ihrer Seite her als genau richtig und würde daher das Gespräch mit dem behandelten Arzt suchen. 

Mögliche Alternative vorschlagen

Möchte der Arzt trotzdem gerne eine Zubereitung für den Patienten mit einer Aufbrauchsfrist von drei Monaten haben, dann schlagen Sie ihm doch als Alternative die Verarbeitung von Tretinoin als alleinigen Wirkstoff in der Linola Creme vor. Zu dieser Vorschrift hat die Firma Wolff Stabilitätsuntersuchungen durchgeführt und empfiehlt beim Abfüllen in einer Tube und Lagerung der Creme im Kühlschrank eine Aufbrauchsfrist von drei Monaten. 

Frage aus der Rezeptur?

Sie hatten eine schwer oder gar nicht herstellbare Rezeptur? Die Inhaltsstoffe waren beispielsweise nicht kompatibel? Die Phasen haben sich getrennt oder Ähnliches? Dann schicken Sie uns gerne eine Kopie des Rezepts. Wir greifen interessante Rezepturthemen in unserer Rubrik „Fragen aus der Rezeptur“ auf. Die Anfragen werden von unserer erfahrenen Rezeptur-Expertin Dr. Annina Bergner oder einem anderen kompetenten Ansprechpartner bearbeitet. Hierfür wird Ihre Anfrage per E-Mail weitergeleitet. Ihre persönlichen Daten werden nach der Bearbeitung gelöscht. Bitte beachten Sie, dass wir keine akute Hilfestellung vor der Abgabe leisten können.

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