Senioren in der Apotheke
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Worauf beim Umgang mit Schwerhörigen zu achten ist

Älterer Mann hält sich mit der Hand ans Ohr
Manchen Menschen fällt es schwer, sich ihr vermindertes Hörvermögen einzugestehen. | Bild: thodonal / AdobeStock

22 Prozent der Menschen in Deutschland sind älter als 65 Jahre – diese Personengruppe wächst von Jahr zu Jahr und sie bekommt die meisten Arzneimittel verschrieben. Das Apothekenpersonal ist durch die tägliche Arbeit im Umgang mit Senioren gut trainiert. Trotzdem ist es gerade für jüngere Apothekenmitarbeitende eine besondere Herausforderung, das Vertrauen der älteren Kundschaft zu gewinnen.

Der Prozess des Älterwerdens

Älterwerden ist keine Krankheit, sondern ein normaler Lebensvorgang. Meistens setzt mit dem 50. Geburtstag der erste Schreck ein: Oh je, die erste Lebenshälfte ist unweigerlich vorbei. Was mag jetzt kommen? Beruhigt stellt man in den nächsten Jahren fest: Es ändert sich fast nichts. Zumindest für diejenigen, die gesund und fit sind.

Es verstreichen weitere zehn oder gar zwanzig Jahre. Ganz allmählich schleichen sich einige Anzeichen ein, die klar signalisieren: Es geht abwärts mit so manchen körperlichen Funktionen. Je nachdem, wie ausgeprägt das eigene Körperbewusstsein und die Selbstreflexion sind, fügt man sich in sein Schicksal – oder auch nicht.

Je nach persönlicher Veranlagung kann man Veränderungen ignorieren oder akzeptieren – manchmal geschieht das abwechselnd und situationsabhängig. Viele ältere Menschen möchten nachlassende Fähigkeiten lieber verbergen, als darüber zu sprechen oder Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Fallbeispiel Schwerhörigkeit

„Alle sprechen so undeutlich. Wenn mein Gegenüber den Mund verdeckt, kann ich nichts mehr von den Lippen ablesen.“ Ratlos und traurig zugleich offenbart der 70-jährige Ulrich K. sein Hörproblem. Herr K. macht körperlich einen fitten Eindruck und es fällt ihm offensichtlich schwer, sich seine Schwerhörigkeit einzugestehen. 

Seit Monaten überspielt er geschickt die Situationen, in denen er nichts versteht. In der Corona-Zeit empfand er die Isolation manchmal sogar als wohltuend, denn er hat vor allem Probleme, wenn mehrere Menschen gleichzeitig sprechen und auch noch Hintergrundgeräusche hinzukommen, wie es in Apotheken der Fall sein kann.

Natürlich weiß Herr K., dass er ein Hörgerät in Anspruch nehmen sollte, aber er schiebt die Entscheidung dafür leider auf. Fälschlicherweise! Denn der Prozess, der im Gehirn abläuft, ist gnadenlos: Je weniger akustische Signale dort ankommen, umso mehr bilden sich die zuständigen Nervenverbindungen zurück. Das Gehirn verlernt das Hören geradezu. Außerdem weiß man heute: Ein Gehirn, dem wenige Reize geboten werden, erkrankt eher an Altersdemenz.

Woran erkennt man in der Beratung eine Schwerhörigkeit?

Typisch für Schwerhörige ist es, dass sie Blickkontakt suchen und auch auf die Lippen schauen. Ist der Mund verdeckt (z. B. durch eine Maske oder eine Hand), kann das zu mehr oder weniger stark sichtbarer Verzweiflung führen. Außerdem beantworten Schwerhörige Fragen auffallend oft mit „Ja“, auch wenn eigentlich eine differenzierte Antwort erforderlich ist. Oder sie geben Antworten, die eigentlich nicht zu der Frage passen. 

Beispiel: „Darf ich Ihnen das verordnete Arzneimittel bestellen, es ist ab 12:00 Uhr da?“ Antwort des Schwerhörigen: „Ich habe nichts vorbestellt.“

Wie geht man mit schwerhörigen Kunden um?

Herr K. macht den Eindruck, dass er das Beratungsgespräch am liebsten so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte. Jetzt ist Einfühlungsvermögen gefragt. Denn die schlechteste Lösung ist, einfach nur lauter zu sprechen oder gar zu schreien. Sehr laute Töne führen zu verzerrten Frequenzen, die das Hörvermögen zusätzlich überfordern. Daher also langsam und in normaler Lautstärke mit besonders deutlicher Artikulation sprechen.

Am besten ist es, dem Gegenüber unmittelbar ins Gesicht zu schauen. Wenn möglich, sollte man an einen Platz in der Offizin gehen, an dem weniger Nebengeräusche sind. In einer freundlichen, zugewandten Gesprächsatmosphäre werden sich die Ängste von Herrn K., sie nicht zu verstehen, allmählich lösen.

Wichtige Informationen zu verordneten Arzneimitteln sollten zusätzlich in schriftlicher Form festgehalten und Herrn K. mitgegeben werden. Dies wird er als große Aufmerksamkeit zu schätzen wissen.

Einige Wochen später ...

Tatsächlich kommt Herr K. etwas später wieder zu Ihnen. Er vertraut Ihnen an, dass sein Enkel ihn davon überzeugt hat, dass moderne Hörhilfen coole High-Tech-Geräte sind. Und er wolle ja für seinen Enkel cool sein. Außerdem habe er gelesen, dass Schwerhörigkeit ein Risikofaktor für Demenz sei, sagt Herr K. und dement werden wolle er auf keinen Fall. 

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