Unser Darm und seine Bewohner
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Darmbakterien könnten Parkinson begünstigen

Hände, die versuchen zu puzzeln
Betroffene von Parkinson leiden unter anderem an unwillkürlichen Bewegungen bzw. Zittern der Hände. | Bild: Pixel-Shot / AdobeStock

Etwa 400.000 Menschen deutschlandweit leiden an Parkinson. Charakteristisch für diese neurodegenerative Erkrankung ist eine langfristige und fortschreitende Zerstörung von Nervenzellen. Die Ursachen dafür sind noch nicht vollständig geklärt. Ein fortschreitendes Alter und eine genetische Veranlagung können das Risiko für eine Parkinson-Erkrankung erhöhen.

Außerdem stehen Umweltgifte, Pestizide aus der Landwirtschaft sowie bestimmte Viren im Verdacht, die Erkrankung zu begünstigen. Statistisch bleiben 90 % aller Fälle ohne genauen Ursprung, was Forschungen in diesem Gebiet interessant macht.

Gut zu wissen: Symptome bei Parkinson

Parkinson tritt in Erscheinung, wenn langfristig immer mehr dopaminerge Nervenzellen absterben. Die Folge ist ein Dopaminmangel, welcher weitreichende Folgen hat. Sind circa 50 % der Dopamin-produzierenden Neuronen in der Substantia nigra (die „schwarze Substanz“ – ein Teil des Gehirns) abgestorben, treten körperliche Einschränkungen auf.

Typische Symptome sind

  • verminderte oder eingeschränkte Mimik im Gesicht,
  • Bewegungsverarmung und flacher Gang,
  • undeutliche Aussprache,
  • gebeugte Knie und Rumpf,
  • angewinkelte Arme ohne natürliche Bewegung (schwingen beim Gehen nur wenig mit) sowie
  • unwillkürliche Bewegungen oder Zittern der Hände durch gestörte Feinmotorik

Therapeutisch soll der Dopaminmangel ausgeglichen werden. Dafür geeignet sind L-Dopa in Kombination mit Benserazid oder Carbidopa zur Wirkungsverbesserung, Dopaminagonisten wie Pramipexol oder Ropinirol sowie Dopaminabbau-hemmende Wirkstoffe wie Selegilin oder Entacapon.

Zusammenhang mit dem Darmmikrobiom festgestellt

Eine weitere Ursache für die Entstehung der Parkinson-Erkrankung könnte im Darm liegen. Forschungsergebnisse der Universitäten Wien und Konstanz haben nun erste Hinweise darauf gesammelt. 

In einem Tierversuch wurde ein potentiell nervenschädigendes Stoffwechselprodukt des Bakteriums Streptomyces venezuelae identifiziert, welches vor allem Dopamin-produzierende Neuronen angreift. Werden diese zerstört, entsteht im Körper ein Dopaminmangel, welcher die Parkinson-Erkrankung zur Folge hat. 

Das untersuchte Bakterium kommt nicht im menschlichen Darm, sondern im Boden vor. Allerdings zeigt das Bakterium Ähnlichkeiten mit bestimmten Darmbewohnern, welche ebenso den zytotoxischen Metaboliten produzieren können. Außerdem ist bekannt, dass bei Menschen, die an Parkinson leiden, ein verändertes Mikrobiom im Vergleich zu Gesunden besteht. 

Mittels Bioassay – einer biologischen Untersuchung am lebenden Tiermodell – sollte der Metabolit u. a. bezüglich Syntheseweg und zytotoxischer Wirkung besser charakterisiert werden.

Identifizierter Metabolit schädigt Dopamin-produzierende Nervenzellen

Im verwendeten Verfahren identifizierten die Forschenden ein Stoffgemisch bestehend aus Aerugin und Aeruginol (2-Hydroxyphenyl-Thiazolin-Verbindungen). Für alle weiteren Untersuchungen wurde der potentere Stoff Aerugin isoliert, extrahiert und synthetisch nachgebildet. 

Im Studienverlauf konnte eine selektiv schädigende Wirkung an Dopamin-herstellenden Neuronen bestätigt werden, da „gesunde“ Nervenzellen verschont blieben. Auch Eisen scheint an der Wirkungsweise beteiligt zu sein.

Parkinson-ähnliche Auswirkungen bei Fadenwürmern

Das im Labor nachgebildete Aerugin wurde für weitere Untersuchungen an Fadenwürmern verwendet. Es konnten auch hier neuronale Ausfälle der Dopamin-produzierenden Nervenzellen mittels Färbetechnik nachgewiesen werden. Außerdem gab es Einschränkungen im Bewegungsablauf der Würmer, die in ähnlicher Art auch bei der Parkinson-Erkrankung auftreten.

Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den menschlichen Darm denkbar

Die nachgewiesenen Metaboliten werden höchstwahrscheinlich auch von Bakterien hergestellt, die im menschlichen Darm vorkommen. Weitere Untersuchungen werden zeigen, welche Bakterien das sind und ob deren Metaboliten eine Ähnlichkeit zu Aerugin aufweisen. 

Hervorzuheben ist, dass die Testergebnisse erstmals einen derartigen Zusammenhang aufgezeigt haben und die Bedeutung der Darm-Hirn-Achse weiter in den wissenschaftlichen Fokus gerückt ist. Die Tatsache, dass ein mikrobieller Metabolit derartige Wirkungen auf die Neuronen hat, wird von den Forschenden als „bahnbrechend“ sowie „vielversprechend“ bezeichnet. Langfristig erhoffen sie sich weitere Ursachen für die Entstehung der Parkinson-Erkrankung aufzudecken. 

Mit dem neu erlangten Wissen kann nun gezielt nach Bakterien im menschlichen Darm gesucht werden, welche Aerugin oder ähnlich wirkende Metaboliten produzieren, um langfristig neue Präventionsmaßnahmen und Behandlungsstrategien zu ermöglichen.

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