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Notfallverhütung: So wirkt die „Pille danach“

Seit Mitte 2015 darf die „Pille danach“ ohne Vorlage eines Rezeptes an Kundinnen ausgehändigt werden. Die Abgabe im Rahmen der Selbstmedikation macht seither mit deutlichem Vorsprung den Großteil der Belieferungen aus: Waren es 2015 von 662.000 Verkäufen noch knapp 30 % Verschreibungen, lag der Anteil im Jahr 2024 nur noch bei knapp 4 % von insgesamt 895.000 Abgaben.
Da man bei der Anwendung der „Pille danach“ einiges beachten muss, gehört die Notfallkontrazeption nach wie vor zu den beratungsintensiven Themen im Apothekenalltag. Aus diesem Grund kann die „Pille danach“ im Rahmen der Selbstmedikation auch nicht über Online-Apotheken erworben werden.
Wie wirken die Notfallkontrazeptiva?
In Deutschland sind zwei Wirkstoffe zugelassen: Levonorgestrel (LNG) und Ulipristalacetat (UPA).
Bei Levonorgestrel (z. B. PiDaNa, Postinor®, unofem® HEXAL®, Levonor aristo®, Levonorgestrel STADA® mit je 1,5 mg Wirkstoffgehalt pro Tablette) handelt es sich um einen sogenannten Progesteronrezeptor-Agonisten. Der primäre Wirkmechanismus ist eine Blockade der Ovulation, also des Eisprungs, und/oder die Verschiebung der Ovulation nach hinten durch die Unterdrückung des Luteinisierenden-Hormon-Peaks (LH-Peak). Levonorgestrel kann nur in den Ovulationsprozess eingreifen, wenn es vor dem Anstieg des LH-Spiegels verabreicht wird.
Ulipristalacetat (z. B. EllaOne, Lencya®, Ulipristal Aristo®, Femke® mit je 30 mg Wirkstoffgehalt pro Tablette) hingegen ist ein selektiver Progesteronrezeptor-Modulator, dessen Wirkung auf einer hochaffinen Bindung am Progesteronrezeptor beruht. Als Mechanismus bei der Anwendung zur Notfallverhütung wird ebenfalls die Hemmung oder Verzögerung der Ovulation durch Unterdrückung des Anstiegs des luteinisierenden Hormons (LH) angesehen. Im LH-Anstieg übt Ulipristalacetat (UPA) zusätzlich zentrale Effekte aus und bremst diesen aus. Dies resultiert in einer Verzögerung des Eisprungs.
In pharmakodynamischen Studien konnte gezeigt werden, dass noch während des LH-Anstiegs – circa ab zwei Tagen vor dem Eisprung – UPA den Eisprung wirksam verschieben kann.
Wann eignet sich welcher Wirkstoff?
Zeitpunkt der Einnahme | Wirkmechanismus | |
---|---|---|
Ulipristalacetat 30 mg |
| hemmt die Follikelreifung und verschiebt die Ovulation |
Levonorgestrel 1,5 mg |
| hemmt die Follikelreifung und verschiebt die Ovulation |
Der Unterschied der Wirkstoffe Levonorgestrel und Ulipristalacetat liegt unter anderem im empfohlenen Zeitraum der Anwendung nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr: Levonorgestrelhaltige Notfallkontrazeptiva können innerhalb eines Zeitraumes von 72 Stunden (drei Tage) und Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat innerhalb eines Zeitraumes von 120 Stunden (fünf Tage) nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden.
Gut zu wissen: Wer bezahlt die „Pille danach“?
Die Notfallkontrazeptiva werden genau wie andere apothekenpflichtige Arzneimittel in der Apotheke erworben und privat bezahlt.
Eine Ausnahme besteht für Frauen bis zum vollendeten 22. Lebensjahr: Hier übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten. Voraussetzung ist in diesem Zusammenhang ein ärztlich ausgestelltes E-Rezept.
Nach der Verhütungspanne: „Pille danach“ schnellstmöglich einnehmen
Unabhängig davon bleibt eine möglichst rasche Einnahme der Notfallkontrazeption von großer Bedeutung für eine gute Wirksamkeit, da sie rechtzeitig vor dem Eisprung eingenommen werden muss. Da der Eisprung individuellen Schwankungen unterliegt, ist er nicht exakt vorhersehbar. Außerdem ist zu bemerken, dass Spermien bis zu fünf Tage nach dem Geschlechtsverkehr überleben können und so eine Befruchtung verzögert eintreten kann.
Ist der Eisprung beispielsweise bereits 24 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingetreten, hat die Einnahme der „Pille danach“ nach 120 Stunden keinen Einfluss mehr. Eine Schwangerschaft ist also wahrscheinlich.
Laut Studien bieten die Notfallkontrazeptiva einen Schutz von bis zu 98 %, wobei die Wirksamkeit bei einer Einnahme innerhalb von zwölf Stunden am höchsten ist. Da der tatsächliche Zeitpunkt des Eisprungs nicht genau vorhersehbar ist, ist eine Einnahme über den gesamten Zyklus hinweg empfehlenswert.
Gut zu wissen: Levonorgestrel auch in gängigen Verhütungspillen
Das Gestagen Levonorgestrel ist auch Teil herkömmlicher Kontrazeptiva. Es wird als Monosubstanz in „Mini-Pillen“ (z. B. 28 mini®) oder auch kombiniert mit einer Estrogen-Komponente (z. B. Evaluna® 30, Minisiston® 20 fem) eingesetzt.
In LNG-haltigen Notfallkontrazeptiva ist der Wirkstoff allerdings in mindestens zehnfach höherer Konzentration enthalten. Das ist auch der Grund, warum die „Pille danach“ stärkere Nebenwirkungen verursacht und den Zyklus aus dem Gleichgewicht bringen kann. Deshalb sollte die Einnahme nur im Notfall erfolgen und nicht als eine Art der Verhütung angesehen werden.
Pille danach: Bei Verdacht auf Wechselwirkungen und Kontraindikationen zum Arzt
Vor der Abgabe der Notfallkontrazeptiva sollte geklärt werden, ob die Kundin noch andere Medikamente einnimmt. Patientinnen mit schwerem Asthma, die durch die Einnahme von Glucocorticoiden behandelt werden, wird die Anwendung von UPA nicht empfohlen. Bei dieser Patientengruppe darf somit nur die Anwendung des Wirkstoffs LNG in Betracht gezogen werden.
Außerdem kann die Wirksamkeit von LNG und UPA durch CYP3A4-Induktoren vermindert werden. Bedeutsam sind Wirkstoffe wie
- Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Primidon gegen Epilepsie,
- Rifabutin und Rifampicin gegen Tuberkulose,
- Phytopharmaka mit Johanniskraut-Extrakt und
- Medikamente zur Behandlung von HIV-Infektionen, etwa Ritonavir.
In einigen Fällen kann eine doppelte Dosis LNG (zwei Tabletten auf einmal) sinnvoll sein, das sollte aber immer mit einem Arzt besprochen werden.
Außerdem sollten Kundinnen mit
- schweren Leberfunktionsstörungen,
- Verdacht auf eine bereits bestehende Schwangerschaft,
- anhaltendem Erbrechen oder Durchfall,
- Malabsorption,
- einem erhöhten Thromboserisiko,
- einer früheren Eileiter- oder Bauchhöhlenschwangerschaft oder
- einer vorangegangenen Eileiterentzündung
an einen Gynäkologen verwiesen werden, ohne dass ein Notfallkontrazeptivum beliefert wird. Hier sollten die genauen Umstände individuell abgewogen werden.
Ein Besuch beim Arzt sollte außerdem empfohlen werden, wenn der ungeschützte Geschlechtsverkehr mehr als fünf Tage (120 Stunden) zurückliegt.
Gut zu wissen: Kupferspirale als hormonfreie Alternative zur „Pille danach“
Ist der Einsatz einer hormonellen Notfallkontrazeption nicht möglich oder wird nicht gewünscht, kann alternativ eine Kupferspirale eingesetzt werden. Das betrifft insbesondere Frauen mit bestimmten Vorerkrankungen und solche, die CYP3A4-Induktoren in den letzten 28 Tagen eingenommen haben.
Die Kupferspirale sollte innerhalb von 120 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingesetzt werden.
Abgabe der „Pille danach“ unabhängig vom Körpergewicht
Es gibt Hinweise darauf, dass die Wirkung der „Pille danach“ bei Frauen mit erhöhtem Körpergewicht nicht genauso gut wirksam sei wie bei Normalgewichtigen. Aufgrund der geringen Datenlage und Widersprüchlichkeiten in den Ergebnissen erfolgt die Abgabe von LNG oder UPA in der Apotheke unabhängig vom Körpergewicht oder BMI.
Notfallkontrazeptiva erwirken keinen Schwangerschaftsabbruch
Frauen, die vermuten bereits schwanger zu sein, sollten ohne Abgabe eines Präparates zur Beratung in die Arztpraxis geschickt werden. Generell gilt aber, dass die Einnahme von LNG und UPA nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch führt und die Therapie nicht in den Bereich der Selbstmedikation gehört.
Eine Einnahme während der Stillzeit ist grundsätzlich möglich. Da die Wirkstoffe allerdings in die Muttermilch übergehen, sollte vor der Einnahme gestillt und nach der Einnahme von LNG eine Stillpause von mindestens acht Stunden und bei UPA von einer Woche eingehalten werden.
Nebenwirkungen unter der „Pille danach“
Die oralen Notfallkontrazeptiva sind häufig gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem
- Schwindel, Übelkeit, Erbrechen,
- Kopf- und Bauchschmerzen,
- Brustspannen,
- nächste Periode tritt eher oder verspätet ein,
- Störungen im Menstruationszyklus oder
- Schmier- und Zwischenblutungen.
Die Einnahme einer zweiten Tablette ist erforderlich, wenn es innerhalb von drei Stunden zu Erbrechen kommt. Daher ist es sinnvoll, vor der Einnahme eine Kleinigkeit zu essen. Unabhängig davon kann die „Pille danach“ zu jeder Tageszeit eingenommen werden.
Bei Ulipristalacetat weist die Fachinformation zusätzlich auf Auswirkungen auf die Stimmungslage, also affektive Störungen hin, die häufig auftreten können.
Verspätet sich die Regelblutung um mehr als fünf Tage, sollte ein Schwangerschaftstest durchgeführt oder direkt bei einem Gynäkologen abgeklärt werden, ob möglicherweise eine Schwangerschaft eingetreten ist. Quellen:
- https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/ZDF/Jahrbuch-ZDF-2025/ZDF_2025_ABDA_Statistisches_Jahrbuch.pdf
- https://www.abda.de/fuer-apotheker/qualitaetssicherung/leitlinien/leitlinien-und-arbeitshilfen/information-und-beratung/
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-015l_S3_Hormonelle_Empfaengnisverhuetung_2020-09.pdf