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Was hilft bei Rückenschmerzen im Homeoffice?

Frau sitzt auf Bürostuhl und fasst sich schmerzhaft an Rücken
Was hilft, wenn durch eine falsche Haltung oder einen ungeeigneten Arbeitsplatz Rückenschmerzen im Homeoffice entstehen? | Bild: suriya / AdobeStock

Schmerzen im Rücken, Nacken oder in den Schultern – weniger Bewegung, falsche Sitzposition vor dem Laptop oder eine schlechte ergonomische Ausstattung, haben aus dem Homeoffice ein Gesundheitsrisiko werden lassen.

Schon vor der Corona-Pandemie zählten Rückenschmerzen als weit verbreitetes Leiden, etwa 85 Prozent der Menschen sind davon betroffen. Auslöser sind häufig Fehlbelastungen, Schädigungen oder Erkrankungen, welche Knochen, Gelenke, Muskeln, Nerven und Bindegewebe betreffen.

Schmerzen im Rücken können „spezifisch“ sein und beispielsweise ein schwerwiegendes Trauma (Sturz, Autounfall), einen Bandscheibenvorfall, einen Tumor, Osteoporose, axiale Spondylarthritis oder Spinalkanalstenose als Ursache haben. Weitaus häufiger finden sich allerdings keine spezifischen Ursachen, in diesen Fällen spricht man von „nichtspezifischen“ Kreuzschmerzen. 

Zugrunde liegt meist ein „komplexes Gemisch“ aus psychologischen, sozialen und biophysikalischen Faktoren, erklärt das Robert Koch-Institut (RKI) im März 2021 die Ergebnisse der Krankheitslast-Studie BURDEN 2020 im „Journal of Health Monitoring: Prävalenz von Rücken- und Nackenschmerzen in Deutschland“https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S3_2021_Rueckenschmerz_Nackenschmerz.pdf?__blob=publicationFile .

Gut zu wissen: Mehr Rückenschmerzen durch Corona?

Schon vor Corona zählten Rückenschmerzen zu den häufigsten Gründen, wenn es um Arbeitsunfähigkeit, Frühberentung und die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems ging. Daten der AOK„Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2017“  aus dem Jahr 2017 zufolge waren Rückenschmerzen bei Erwerbstätigen die zweithäufigste Ursache für Krankmeldungen (6,1 Prozent der Arbeitsunfähigkeitsfälle und 6,1 Prozent der Krankheitstage). 

Einer Umfrage des Forschungsinstituts Forsa im Auftrag der Dekra zufolge klagt mehr als jeder dritte Homeoffice-Nutzer über gesundheitliche Probleme wegen eines schlechten Arbeitsplatzes. In der Erhebung gaben 36 Prozent der befragten Heimarbeitenden an, dass bei ihnen aufgrund eines „mangelhaften, nicht-ergonomischen Arbeitsplatzes“ Verspannungen sowie Rücken- oder Kopfschmerzen aufgetreten seien. Frauen sind davon etwas häufiger betroffen als Männer. 

Nach einer Erhebung der Krankenkasse DAK-Gesundheit aus dem Februar ist im Corona-Jahr 2020 bundesweit allein die Zahl der Krankheitstage von Arbeitnehmenden wegen Rückenschmerzen deutlich gestiegen. Insgesamt ging die Zahl der Ausfalltage mit dieser Diagnose demnach im Vorjahresvergleich um sieben Prozent nach oben.dpa/cb 

Was tun also, wenn der Rücken schmerzt, sich aber keine konkrete Ursache ausmachen lässt? Damit befasste sich die 2017 veröffentlichte und bis März 2022 gültige Nationale Versorgungsleitlinie „Nichtspezifischer Kreuzschmerzen“ (derzeit wird die Leitlinie überarbeitet).

Behandlung von nichtspezifischen Kreuzschmerzen

Da sich bei nichtspezifischen Rückenschmerzen definitionsgemäß keine genaue Ursache ausmachen lässt, erfolgt die Behandlung der Beschwerden symptomatisch – mit medikamentösen und nicht medikamentösen Therapien. 

Welche Maßnahmen wann gut greifen, hängt maßgeblich davon ab, wie lange die Kreuzschmerzen bereits bestehen, ob sie akut, subakut oder chronisch sind. Die gute Nachricht ist, dass laut den Leitlinienautoren akute nichtspezifische Kreuzschmerzen häufig selbst begrenzend sind und vielen Patienten bei erstmaligen Beschwerden eine Beratung und Akutversorgung genügt.

Bewegung ist hilfreich – aber welche?

Grundsätzlich sollten nichtspezifische Kreuzschmerzpatienten aktiviert werden: „Körperliche Bewegung verursacht keine Schäden, sondern fördert eine Linderung der Beschwerden“, erklären die wissenschaftlichen Autoren der S3-Leitlinie. Von Bettruhe raten sie klar ab, sie hat Studien zufolge keinen Effekt auf nichtspezifische Kreuzschmerzen und verzögerte sogar die Heilung. 

Gut ist es nach Ansicht der Leitlinienautoren, Bewegungsprogramme – vor allem zur Kräftigung der Muskulatur und Stabilisierung – mit einem verhaltenstherapeutischen Ansatz zu kombinieren. Dies fördere die körperliche Funktionsfähigkeit. Welche Bewegungstherapie am wirkungsvollsten ist, lässt sich aus Untersuchungen dazu nicht ableiten. Somit sind laut einem Bericht im „Ärzteblatt“ zu nichtspezifischem Kreuzschmerz die individuellen Vorlieben der Betroffenen entscheidend, ihre körperliche Fitness und die Alltagsumstände sowie, dass sie durch einen qualifizierten Therapeuten angeleitet werden. 

Auch Progressive Muskelentspannung sollten Patienten mit nichtspezifischen Kreuzschmerzen anwenden.

Welche Arzneimittel eignen sich bei Rückenschmerzen?

Medikamentöse Therapien können die aktivierenden Maßnahmen unterstützen – nicht zuletzt sollen Arzneimittel helfen, dass Betroffene von Rückenschmerzen frühzeitig ihre aktivierenden Maßnahmen wiederaufnehmen können oder wenn bei ihnen trotz aktivierender Maßnahmen die Schmerzen persistieren.

Typische Arzneimittel, die zur Schmerzlinderung bei Rückenschmerzen eingesetzt werden, stammen aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und der Opioide. Am ehesten raten die Leitlinienexperten bei nichtspezifischem Kreuzschmerz zu NSAR, wie Diclofenac oder Ibuprofen. Dabei sollten NSAR in der niedrigsten wirksamen Dosierung und so kurzzeitig wie möglich angewendet werden. 

NSAR zeigten in Studien eine kurzzeitige schmerzlindernde und funktionsverbessernde Wirksamkeit. Patienten mit gastrointestinalen Risiken sollten die Entzündungshemmer mit einem Protonenpumpenhemmer (z. B. Pantoprazol) kombinieren. Einig sind sich die Wissenschaftler außerdem, dass NSAR nicht parenteral oder topisch angewendet werden sollten.  

Die Leitlinie weist explizit darauf hin, dass COX-2-Hemmer wie Celecoxib zur Behandlung des akuten nichtspezifischen Kreuzschmerzes nicht zugelassen sind. Werden sie aufgrund von NSAR-Unverträglichkeiten dennoch eingesetzt, ist dies ein klassischer Off-Label-Use.

Metamizol und Opioide als weitere Therapieoption

Metamizol kann bei Rückenbeschwerden im Einzelfall verordnet werden und auch Opioide stellen eine Therapieoption dar, wenn NSAR nicht wirken oder kontraindiziert sind. 

Die Datenlage zu Opioiden bei akuten nichtspezifischen Kreuzschmerzen ist unzureichend, dennoch räumen die Leitlinienautoren dieser Schmerzmittelgruppe einen gewissen Raum ein, sodass sie entweder – durch Kombination mit anderen Arzneimitteln – zur Steigerung der Schmerzhemmung oder wenn Gegenanzeigen bei anderen Wirkstoffen vorliegen angewendet werden können.

Paracetamol hingegen sollte bei nichtspezifischen Kreuzschmerzen nicht angewendet werden, es verbesserte die Schmerzsymptomatik in Studien nicht.

Zur Erinnerung: Wie entsteht Schmerz?

Schmerz ist ein Alarmsignal des Körpers, der bei thermischen (Hitze oder Kälte), mechanischen (Druck, Durchtrennung, Verletzung) oder bestimmten chemischen Reizen helfen sollen den Körper vor einer Schädigung zu warnen oder zu bewahren. 

Um diese Reize wahrzunehmen, verfügt der Körper in Haut und Organen über sogenannte Nozizeptoren, die durch oben genannte Reize aktiviert werden. Nozizeptoren sind freie Endigungen bestimmter Nervenfasern (C, Aδ). Letztere leiten den Schmerzreiz ins Rückenmark. Dabei erreichen myelinisierte Aδ-Fasern eine Leitgeschwindigkeit von 5 bis 25 m/s, die C-Fasern (nicht-myelinisiert) leiten mit 0,5 bis 2 m/s deutlich langsamer. Durch die unterschiedlichen Leitungseigenschaften der nozizeptiven Nervenfasern lassen sich zwei unterschiedliche Schmerzempfindungen wahrnehmen: Kommt es zu einer oberflächlichen Gewebeschädigung, beispielsweise durch den Schnitt mit einem Messer, reagiert der Körper zunächst sehr rasch mit einem „hellen“ Schmerz der schnell leitenden Aδ-Fasern. Die langsamer leitenden C-Fasern sorgen für einen späteren „dumpfen“ Schmerz. 

Im Rückenmark findet sodann die Verarbeitung des Schmerzsignals statt und es werden bestimmte Reaktionen/Reflexe ausgelöst – Flucht- oder Schonbewegungen, wie z. B. das Zurückziehen der Hand bei einer heißen Herdplatte. Dies geschieht, bevor der Betroffene sich des Schmerzes überhaupt bewusst wird, denn dieses Bewusstwerden findet erst in der Großhirnrinde statt: Dort wird aus der Nozizeption ein bewusster Schmerz, der im limbischen System auch emotional bewertet wird. Eine Schmerzempfindung ist stets sehr subjektiv gefärbt. Sie wird nie allein durch die neuronalen Signale der Nervenfasern bestimmt, was die Verständigung von Arzt und Patient über die Stärke von Schmerzen erschweren kann.

Wirkstoffe wie Diclofenac oder Ibuprofen dämpfen die Sensibilisierung der Nozizeptoren. Sie hemmen die Bildung von Prostaglandinen (wichtige Bestandteile von Entzündungsreaktionen), indem sie die dafür erforderlichen Enzyme COX-1 und COX-2 blockieren. 

Was ist mit Muskelrelaxanzien und Capsaicinpflastern?

Von muskelrelaxierenden Arzneimitteln, Antidepressiva oder antiepileptischen Wirkstoffen wie Gabapentin oder Pregabalin raten die Wissenschaftler ab. Sie sollten nicht zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden, genauso wenig wie Phytotherapeutika mit Teufelskralle. 

Hingegen können Patienten mit chronischen Rückenschmerzen nicht-spezifischer Genese Weidenrinde eine Therapiechance geben, wenn sie mit aktivierenden Maßnahmen kombiniert wird. Und auch „Capsaicinpflaster und -cremes können im Rahmen des Selbstmanagements in Kombination mit aktivierenden Maßnahmen zur Behandlung nichtspezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden“, empfehlen die Wissenschaftler.

Aktivierende Therapie steht an erster Stelle

Die Studienautoren handelten bei Empfehlungen zu Maßnahmen mit nur geringem oder ohne Nutzennachweis – beispielsweise Interferenzstromtherapie, Kinesiotaping, Magnetfeldtherapie, Kältetherapie, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) sowie therapeutischer Ultraschall – sehr rigoros und sprachen starke Negativempfehlungen aus. Sie wollten laut „Ärzteblatt“ dadurch verhindern, dass Patienten diese Maßnahmen anstelle der Beibehaltung der Aktivität anwenden und dadurch die „Passivität“ gefördert wird.

Gut zu wissen: So gelingt rückenfreundliches Homeoffice

Stiftung Warentest rät beim Arbeiten im Homeoffice auf drei wichtige Punkte zu achten: 

  • Arbeitsplatz richtig einrichten
    • Verstellbarer Bürostuhl und eventuell höhenverstellbarer Tisch.
    • Wenn möglich, nicht nur mit dem Notebook arbeiten, sondern mit einem externen Bildschirm, Tastatur und Maus, um ungünstige Haltungen zu vermeiden.
    • Der Bildschirm sollte seitlich vom Fenster platziert sein, etwa 50 bis 70 cm vor dem Gesicht stehen und nicht seitlich versetzt.
  • Auch zu Hause bewegen
    • Sitzposition regelmäßig wechseln (eventuell mit einem Sitzball).
    • Mehrmals pro Stunde aufstehen.
    • Im Türrahmen strecken.
    • In der Mittagspause bewegen: spazieren gehen oder Rad fahren.
  • Übungen einplanen
    • Regelmäßige Übungen wie Katzenbuckel, Schulterstütz oder Dehnung der Halsmuskeln mobilisieren die Gelenke und kräftigen die Muskeln.
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