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Bekommt Rituximab einen neuen Therapiebereich?: Beschleunigte Zulassung bei seltener Hauterkrankung

Bild: industrieblick / Adobe Stock

Orphan Designation, Breakthrough Therapy Designation und jetzt noch Priority Review – diese Bausteine pflastern den Weg von Roches Rituximab hin zu neuen Therapiegebieten. Übersetzt bedeutet es: Anerkennung von Rituximab als Arzneimittel zur Behandlung einer seltenen Erkrankung, Anerkennung des Status „Therapiedurchbruch“ und vorrangige Prüfung der Zulassungsunterlagen, was heißt: Die FDA strebt eine Zulassung innerhalb von sechs Monaten an. Im Standard-Verfahren dauert es rund zehn Monate nach Einreichung der Zulassungsunterlagen bis die FDA ihre Entscheidung trifft.

Beschleunigte Zulassung soll Arzneimittel schnellstmöglich verfügbar machen 

Was ist der Grund, warum es die FDA so eilig hat? Beschleunigte Zulassungsverfahren räumt die amerikanische Arzneimittelbehörde Arzneimitteln dann ein, wenn sie der Ansicht ist, dass diese für den Patienten eine wesentliche Verbesserung und einen erheblichen Nutzen mit sich bringen. Diese Voraussetzung erachtet die FDA für Rituximab bei Pemphigus vulgaris augenscheinlich für gegeben. Früher verlief die Hautkrankheit nach wenigen Jahren tödlich – durch Flüssigkeitsverlust und Superinfektionen aufgrund der geschädigten Hautbarriere. Durch den Einsatz von Glucocorticoiden und anderen Immunsuppressiva hat sich die Prognose der Pemphigus-vulgaris-Patienten verbessert. Doch auch heute sind die Behandlungsoptionen stark limitiert (siehe Box zu Pemphigus vulgaris).

Rituximab ist seit über 20 Jahren im Arzneimittelmarkt etabliert und sozusagen ein alter Hase in der Antikörper-Therapie: Bereits 1997 ließ die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA den Antikörper unter dem Handelsnamen RituxanTM zur Therapie des Non-Hodgkin-Lymphoms zu. Ein Jahr später, 1998, erfolgte die Zulassung von Rituximab (MabThera®) innerhalb der EU. Das Patent ist mittlerweile ausgelaufen – und Roche muss sich in der EU seit Juli 2017 den lukrativen Rituximab-Kuchen mit zahlreichen Biosimilars (Truxima®, Blitzima®, Ritemvia®, Rituzenza®, Rixathon®, Riximyo®) teilen.

Pemphigus vulgaris als neues Therapiegebiet für den „alten“ Antikörper Rituximab

Offenbar sieht das schweizerische Pharmaunternehmen das Potenzial von Rituximab auch noch nicht gänzlich ausgeschöpft: Mabthera® hat derzeit die Zulassung für die Therapiegebiete Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), chronisch lymphatische Leukämie (CLL), Rheumatoide Arthritis (RA) und Granulomatose mit Polyangiitis (Systemerkrankung mit nekrotisierenden Entzündungen des Gefäßsystems) sowie mikroskopische Polyangiitis (Vaskulitis, Entzündung der Blutgefäße). Nun plant Roche eine weitere Indikation – und hat in den USA die Zulassung von Rituximab bei Pemphigus vulgaris beantragt.

Was verbirgt sich eigentlich hinter der Erkrankung – und wie therapieren Ärzte sie aktuell?

Pemphigus vulgaris begegnet einem auch unter dem Begriff „Blasensucht“. Bei der autoimmunen Hauterkrankung löst sich der Zellverband der Keratinozyten auf. Normalerweise werden diese durch spezielle Verbundstrukturen, die Desmosomen, zusammen gehalten. Beim Pemphigus vulgaris bilden sich Autoantikörper gegen Desmoglein 3, das von den Kerationozyten gebildet wird und als Adhäsionsmolekül fungiert. Diese Antiköperreaktion führt zu desmosomale Defekte und zu Integritätsverlusten des Epithels. Die Folge des mangelnden Zusammenhalts der Epithelzellen äußert sich als Blasenbildung.

Der Pemphigus vulgaris zählt zu den seltenen Erkrankungen. Die jährliche Inzidenz von Pemphiguserkrankungen (Pemphigus vulgaris und bullöses Pemphigoid) liegt in Deutschland bei ein bis zwei Fällen pro 1.000.000 Einwohner (Leitlinie S2k „Pemphigus vulgaris und bullöses Pemphigoid, Diagnostik und Therapie“). Am häufigsten manifestiert sich der Pemphigus vulgaris bei Patienten im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Klinisch äußert sich ein Pemphigus vulgaris durch Schleimhautläsionen, bei der Hälfte der Patienten treten Blasenbildungen der Körperhaut auf. Fast immer ist die Mundschleimhaut betroffen, weniger häufig Nasenschleimhaut, Rachen und Genitalschleimhaut.

Wie lässt sich der Pemphigus vulgaris aktuell behandeln? Im Zentrum der Therapie steht die Immunsuppression. Diese erfolgt durch eine systemische Gabe von Corticosteroiden, beispielsweise Prednisolon, in Kombination mit topischen Steroiden und antiseptischen Wirkstoffen. Hilft die Cortisongabe nicht, kann die Therapie eskaliert werden – mit Azathioprin oder Mycophenolatmofetil. Als zweite Wahl stehen als Prednisolon-Kombinationspartner MTX, Dapson oder Cyclophosphamid zur Verfügung. Bereits jetzt empfiehlt die Leitlinie bei Therapieversagen Rituximab – zugelassen ist der Antikörper aktuell dafür jedoch noch nicht.

Zusätzlich muss bei Pemphigus auf eine gute Wundversorgung geachtet werden mit antiseptischen Behandlungen und atraumatische Wundauflagen. Unter Umständen benötigen die Patienten bei schmerzhaften Läsionen eine entsprechend adaptierte Analgesie, systemisch oder lokal auch in Form analgetischer Mundspülungen.