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Hätten Sie es gewusst?: Was ist eigentlich Phenylketonurie?

Unmittelbar nach der Geburt wird im Rahmen des Neugeborenen-Screenings auch auf Phenylketonurie – eine seltene Stoffwechselstörung – getestet. | Bild: sushytska / AdobeStock

Diagnose aus heiterem Himmel

Bekommen Eltern wenige Tage nach der Geburt die Mitteilung, dass bei ihrem Kind eine schwere Stoffwechselstörung vorliegt, fallen sie meist aus allen Wolken. Das Neugeborene wirkt doch putzmunter und gesund. So groß die Bestürzung sein mag, so segensreich ist diese frühe Diagnose. 

Nun können die Eltern, betreut durch ein Stoffwechselzentrum und eine Diätassistentin, dafür sorgen, dass sich die Phenylketonurie (PKU) gar nicht gravierend bemerkbar macht. Allerdings erfordert dies viel Disziplin und manchen Verzicht.

Entdeckung im Urin

Im Jahr 1934 machte der norwegische Arzt Asbjørn Følling bei einem geistig behinderten Patienten eine Entdeckung: Im Urin wies er eine vermehrte Ausscheidung von Phenylbrenztraubensäure nach. Er prägte die Bezeichnung „Phenylbrenztraubensäure-Schwachsinn“. Da noch weitere Phenylketone im Urin der Betroffenen auftreten, nannte man die Störung später Phenylketonurie – abgekürzt PKU.

Angeborene Stoffwechselstörung

Die PKU zählt mit circa einem Betroffenen auf 10.000 Neugeborene zu den seltenen Erkrankungen. Dennoch ist sie eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Die PKU wird autosomal-rezessiv vererbt. Die Eltern müssen also nicht selbst erkrankt sein, um die Störung zu vererben. Kommt sowohl von der Mutter als auch vom Vater je eine Erbanlage, dann erkrankt das Kind. Ungefähr jeder 50. Mensch in Deutschland ist Träger der PKU-Anlage.

Schwere Hirnschäden ohne Behandlung

Erst nach ein paar Lebensmonaten treten bei einer unbehandelten PKU die ersten Symptome auf: Trinkschwäche, Erbrechen, Gedeihstörungen und Entwicklungsverzögerungen. Unbehandelt kommt es mit der Zeit zu irreparablen neurologischen Schäden wie Hirnkleinwuchs und Epilepsie. Letztlich kann eine schwere geistige Behinderung resultieren.

Defekt im Aminosäurestoffwechsel

Verantwortlich für diese gravierende Symptomatik ist ein genetisch bedingter Enzymdefekt: Bei PKU-Patienten ist die Phenylalaninhydroxylase (PAH) nicht oder nur unzureichend vorhanden. Das Enzym ist für die Umwandlung der mit der Nahrung aufgenommenen Aminosäure Phenylalanin in Tyrosin zuständig. 

Bei Enzymmangel reichert sich deshalb Phenylalanin an und gelangt auch ins Gehirn, wo es die schweren Funktionsstörungen hervorruft. Auch die ungenügende Bildung von Tyrosin hat Folgen. Unter anderem wird weniger Melanin gebildet. PKU-Patienten haben deshalb oft sehr helle Haut und Haare.

Eiweißarme Ernährung und Spezialdiät

Die PKU ist nicht heilbar, kann jedoch erfolgreich behandelt werden – in erster Linie durch eine spezielle Diät. Da Phenylalanin in beinahe allen Nahrungseiweißen enthalten ist, müssen Betroffene auf viele normale Lebensmittel verzichten, insbesondere Milchprodukte, Fleisch, Fisch sowie Getreideprodukte und Hülsenfrüchte. Stattdessen erhalten sie eine spezielle Phenylalanin-freie Aminosäuremischung. In Kindheit und Jugend ist es besonders wichtig, dass diese Diät strikt eingehalten wird. 

Regelmäßig müssen die Phenylalanin-Spiegel im Blut kontrolliert werden. Auch im Erwachsenenalter ist eine eiweißarme Ernährung notwendig. Allerdings sind nach Abschluss der körperlichen und geistigen Reifungsprozesse höhere Phenylalanin-Spiegel im Blut erlaubt.

Medikamentöse Möglichkeiten

Zur Unterstützung der diätetischen Behandlung kann ein Medikament eingesetzt werden: die Substanz Sapropterin – eine synthetische Form des Enzym-Cofaktors BH4. Hiermit kann die Restaktivität der Phenylalaninhydroxylase stimuliert werden. Allerdings sprechen nicht alle Patienten auf das Medikament an. 

Betroffenen steht auch eine Enzymersatztherapie mit Pegvaliase (Palynziq® 2,5 mg, 10 mg und 20 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Biomarin) zur Verfügung. Pegvaliase ist die pegylierte, rekombinante Form des Enzyms Phenylalanin-Ammoniaklyase (PAL) aus dem Cyanobakterium Anabaena variabilis. Zugelassen ist die Behandlungstherapie für PKU-Betroffene ab 16 Jahren, deren Phe-Werte mit den bislang verfügbaren therapeutischen Mitteln nicht unter 600 µmol/l eingestellt werden konnten. Quellen: Deutsche Interessengemeinschaft Phenylketonurie und verwandte angeborene Stoffwechselstörungen e.V.; www.orpha.net; www.pku.com; Merck Serono GmbH; Verband für Ernährung und Diätetik e.V. (VFED) 

Phenylketonurie in Kürze

  • Seltene, genetisch bedingte Störung im Aminosäurestoffwechsel. Aufgrund eines Enzymmangels reichert sich die Aminosäure Phenylalanin im Körper an.
  • Ausscheidung von Phenylketonen im Urin war namensgebend für die Phenylketonurie (PKU).
  • Unbehandelt kommt es nach den ersten Lebensmonaten zu fortschreitenden Entwicklungsstörungen und mit der Zeit zu irreparablen Hirnschäden.
  • Erkrankung wird in Deutschland im Rahmen des Neugeborenen-Screenings erkannt.
  • Betroffene müssen lebenslange eiweißarme Diät einhalten und synthetische Eiweißnahrung erhalten. Medikamentöse Unterstützung durch Enzym-aktivierende Substanz möglich und Betroffenen steht eine Enzymersatztherapie ab 16 Jahren zur Verfügung.