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Syphilis: Infektionszahlen steigen

Zwei Paar nackter Füße unter weißer Bettdecke
Zahl der Syphilis-Fälle nimmt weiterhin zu. | Bild: Krakenimages.com / AdobeStock

Ein Kratzen im Hals, und schon bricht bei vielen Panik aus. Es wird Tee gekocht, Halstabletten besorgt, der Hausarzt kontaktiert. Doch wenn es um intime Beschwerden geht – ein Jucken oder Brennen unterhalb der Gürtellinie – herrscht oft unangenehmes Schweigen. Es scheint, als ob die leisen SOS-Signale unserer Intimzone in der Scham versickern, bevor sie rechtzeitig die Arztpraxis erreichen.

Die Deutsche STI-Gesellschaft berichtet von zunehmenden Fällen sexuell übertragbarer Infektionen (STI) in Deutschland, insbesondere der Syphilis. „Insgesamt kann man sagen, dass Syphilis seit dem Jahr 2000 zunimmt. Damals waren es noch 800 Fälle, heute sind es über 8.000“, erklärt Norbert Brockmeyer, Präsident der STI-Gesellschaft. 

Zur Erinnerung: Was ist Syphilis?

Bei Syphilis handelt es sich um eine chronische Infektionskrankheit, die zur Gruppe der sexuell übertragbaren Erkrankungen gehört. Der Erreger der Syphilis ist das Bakterium Treponema pallidum ssp. pallidum. 

Symptome treten nur bei etwa jeder zweiten Infektion auf. Zunächst entsteht etwa 10 bis 19 Tage nach der Infektion an der Eintrittspforte des Erregers – also beispielsweise am Penis oder an den Schamlippen – ein schmerzloses Geschwür mit hartem, gerötetem Rand (Ulkus durum). 

Im Sekundärstadium der Erkrankung sind die Symptome sehr unspezifisch und reichen von Abgeschlagenheit, Fieber, Kopfschmerzen bis hin zu Gelenk- und Muskelschmerzen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) verzeichnet einen Anstieg der gemeldeten Syphilis-Fälle von 5.330 im Jahr 2013 auf 8.309 im Jahr 2022. Auch in anderen Ländern Europas hat sich die Zahl der bestätigten Syphilis-Fälle erhöht: Laut einem Bericht des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) stieg die Zahl der pro Jahr bestätigten Fälle von 2010 bis 2019 um knapp 70 Prozent auf einen Rekordwert von 33.189. Nach einem Rückgang der Meldungen im Jahr 2020 erreichte die Gesamtrate im Jahr 2021 wieder ein ähnliches Niveau wie 2019 (25.270). 

In den USA zeichnet sich bei Syphilis ein ähnlicher Trend ab. Die Gesundheitsbehörde CDC meldete kürzlich einen starken Anstieg der Syphilisfälle bei Neugeborenen. Über 3.700 Babys waren letztes Jahr betroffen, mehr als zehnmal so viele wie vor zehn Jahren und ein 32-prozentiger Anstieg gegenüber 2021. Die CDC betont, dass 90 Prozent dieser Fälle durch Tests und Behandlungen der Mütter während der Schwangerschaft vermeidbar gewesen wären.

Warum gibt es wieder mehr Syphilis-Fälle?

Brockmeyer führt den Anstieg der STI-Fälle in Deutschland auf die leichtere Knüpfung von Sexkontakten durch digitale Medien zurück. Obwohl die Kondomnutzung stabil sei, steige die Rate an STI sowohl bei hetero- als auch homo- und bisexuellen Menschen. „Man kann Sexkontakte über den digitalen Weg erreichen. Dadurch ist die Möglichkeit geschaffen worden, schneller Sexualkontakte zu knüpfen“, erklärt Brockmeyer.

Silke Klumb von der Deutschen Aidshilfe bemerkt, dass die Häufigkeit bestimmter STI von der Gruppe abhängt, beeinflusst durch Sexualverhalten, Partnerzahl und Testhäufigkeit. Beispielsweise sei die Zahl der HIV-Diagnosen in Deutschland, besonders unter schwulen und bisexuellen Männern, seit 2007 rückläufig.

Wie kann man sich vor Syphilis schützen?

Bei der Prävention sind unterschiedliche Strategien gefragt. Einen weitreichenden Schutz vor STI bieten Kondome. Gegen manche Erreger wie Hepatitis B gibt es eine Impfung. Menschen, die einen STI-Verdacht hegen, sollten sich testen lassen, um den Erreger nicht weiterzuverbreiten. 

Zudem gibt es bestimmte Medikamente wie Doxy-PrEP, ein Antibiotikum zur Vorbeugung bestimmter STI wie Chlamydien und Syphilis, die Personen mit häufigen ungeschützten Sexualkontakten nehmen können.

Auch zur Vorbeugung von HIV-Infektionen kann eine sogenannte Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) eingenommen werden. Häufig werde dadurch aber auf das Kondom verzichtet und damit steige das Risiko für andere STI erneut. Silke Klumb warnt vor der breiten Nutzung von Doxy-PrEP unter anderem aufgrund von Kosten und Nebenwirkungen.

Mehr Aufklärung über sexuell übertragbare Infektionen

Brockmeyer betont die Notwendigkeit von Aufklärung in allen Altersgruppen. „Auch bei den Älteren haben wir Luft nach oben.“ Er verweist darauf, dass die höchsten Raten an STI wie etwa Chlamydien in jüngeren Jahren auftreten, betont jedoch, dass auch bei den über 55- bis 60-Jährigen hohe Raten vorhanden sind.

„Die meisten STIs machen zu 80 Prozent keine Symptome“, sagt Brockmeyer. Dadurch gehen viele Betroffene nicht zum Arzt. Wichtig seien praktische Lösungen wie Home-Tests für HIV oder Kits zur Selbstentnahme von Proben, die über Online-Shops und Gesundheitsämter zugänglich gemacht werden sollten. „Im Swingerbereich, sowohl im schwulen als auch im heterosexuellen Bereich, muss mehr an Aufklärung laufen.“

Syphilis: Infektionsrisiko wird häufig unterschätzt

Bei STI treten häufig Missverständnisse und Mythen auf. Dadurch schätzen viele Menschen ihr persönliches Risiko, eine STI zu bekommen, deutlich geringer ein, als es tatsächlich ist. „Obwohl die Chlamydien-Infektion die häufigste bakterielle STI in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist, schätzen nur acht Prozent der Befragten ihr Risiko als (absolut) wahrscheinlich ein“, betont Johannes Breuer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die Enttabuisierung von STI und Bewusstseinsschaffung seien daher essenziell. „Alle Menschen sollen das Wissen und die Möglichkeit haben, gut für sich und ihre sexuelle Gesundheit zu sorgen. Dazu gehören unterstützende Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention.“ Quelle: dpa / cn, mia