PTA im Porträt – Arbeitsbereiche
PTA – Der Beruf
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Als PTA in einer HIV-Schwerpunkt-Apotheke

PTA Benedikt Richter arbeitet in der Quartier Apotheke Nolleturm im „Regenbogen-Kiez" von Berlin-Schöneberg. Die Apotheke ist auf HIV-Patienten spezialisiert. | Bilder: Quartier Apotheke, Berlin / Benedikt Richter

Berlin, Bezirk Schöneberg. Die Gegend rund um den Nollendorfplatz ist bekannt als „Regenbogen-Kiez“. Cafés, Restaurants, Fitness-Studio, eine Boutique und eine Buchhandlung: Viele der Angebote richten sich speziell an das schwul-lesbische Publikum. Direkt gegenüber des U-Bahnhofs Nollendorfplatz liegt die Quartier-Apotheke Nolleturm. 

Die Quartier-Apotheke zählt zu den HIV-Schwerpunkt-Apotheken, die in Berlin in einem Netzwerk organisiert und Mitglied der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft der HIV kompetenten Apotheken (DAHKA)“ sind. Die Quartier-Apotheke am Nollendorfplatz ist seit 2020 der Arbeitsplatz von PTA Benedikt Richter.

Was zeichnet eine HIV-Schwerpunkt-Apotheke aus? 

HIV-Schwerpunkt-Apotheken sorgen für eine gute Beratung und die pharmazeutische Versorgung von HIV-Patienten. Einige „Schwerpunkt-Apotheker“ in der Quartier-Apotheke kümmern sich um die Fortbildung der Mitarbeiter auf dem Gebiet der Aids-Therapie und halten Kontakt zu Herstellern und Ärzten. 

„Wenn es Verbesserungen bei einer Therapie gibt, neue Arzneimittel, die bald auf den Markt kommen, dann fragen die Ärzte danach – darüber wissen wir dann Bescheid“, erzählt Benedikt Richter im Gespräch mit PTAheute.  

Interaktionschecks, Erstgespräche und Postexpositionsprophylaxe (PEP) 

„Wie wirken die Arzneimittel, wie werden sie angewendet und vor allem welche Wechsel- und Nebenwirkungen im CYP-Bereich haben die verordneten Virostatika? Das sind Themen, die in HIV-Schwerpunkt-Apotheken zum Alltag gehören. Dazu kommen Fragen zur Ernährung und begleitende Therapiemöglichkeiten zur Linderung eventuell auftretender Nebenwirkungen“, erklärt Richter.

Durch die räumliche Nähe zu HIV-Schwerpunktpraxen seien außerdem Beratungen zur Postexpositionsprophylaxe (PEP) und Präexpositionsprophylaxe (PrEP) an der Tagesordnung, so der PTA. Er erzählt, dass gerade die Postexpositionsprophylaxe ein sehr emotional belastendes Thema sei: „Ich hatte erst heute wieder eine Verordnung über eine Postexpositionsprophylaxe. Das bedeutet übersetzt so viel wie ‚Vorsorge nach einem Kontakt mit HIV‘. Am Wichtigsten hierbei ist, dass so schnell wie möglich nach einem Kontakt mit der Einnahme begonnen werden muss. Idealerweise innerhalb von zwei Stunden, möglichst innerhalb von 24 und eben spätestens nach 48 Stunden. Für die Kunden heißt das emotionaler und zeitlicher Stress: Die haben Angst! Und da sind wir als Apotheke dann einfach der einfühlsame Ansprechpartner“, erzählt der 30-jährige PTA. 

Safer Sex mit Virostatika? 

Was für manche PTA-Kollegen die Beratung zur Pille danach, ist in HIV-Schwerpunkt-Apotheken die sogenannte „PrEP-Beratung“.  

Zur Erinnerung: Was ist die Präexpositionsprophylaxe? 

PrEP (auch HIV-PrEP) ist die Abkürzung für „Präexpositionsprophylaxe“ und bedeutet so viel wie „Vorsorge vor einem möglichen HIV-Kontakt“. Bei dieser Schutzmethode nehmen HIV-negative Menschen HIV-Medikamente ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.  

Eingesetzt werden hierfür die beiden Virostatika Tenofovir und Emtricitabin. Diese gehören zu den Reverse-Transkriptase-Inhibitoren, genauer gesagt zu den NtRTIs, und hemmen die Vermehrung der viralen Partikel im Organismus.  

Nach der Einnahme gelangen die Wirkstoffe unter anderem in die Zellen der Schleimhäute (z. B. im Darm oder in der Vagina), die bei Geschlechtsverkehr mit Körperflüssigkeiten oder Schleimhäuten des Partners oder der Partnerin in Kontakt kommen. Wenn HIV dann in diese Zellen eindringt, können sich die Viren nicht vermehren. Eine HIV-Infektion wird verhindert.  

Dazu muss jedoch eine ausreichende Menge der Wirkstoffe im Blut und in den Schleimhäuten vorhanden sein. Wird das Medikament abgesetzt, verschwinden die Wirkstoffe im Körper und somit auch die Schutzwirkung. 

„Bei unserem schwul-lesbischen Publikum ist die PrEP ein großes Thema. Man nimmt täglich eine Tablette eines HIV-Medikamentes ein und ist dadurch vor einer HIV-Infektion sehr, sehr gut geschützt“, so Richter. 

Die meisten Kunden würden vom Arzt wirklich gut darüber aufgeklärt und gut beraten. In der Quartier-Apotheke sei dann aber gefragt, das Ganze noch einmal kurz zusammenzufassen: „Was sind die gängigen Nebenwirkungen? Was ist zu beachten? Wie ist das Zeitfenster bei der Einnahme? Was passiert, wenn eine Einnahme vergessen wird, und ab wann ist mit einem vollen Schutz zu rechnen.“ 

Abgesehen davon gehe es in den Schwerpunkt-Apotheken auch um weitere Geschlechtskrankheiten, die eigentlich immer untrennbar mit dem Thema HIV verbunden seien, erklärt der PTA.

HIV-Selbsttests – Fluch oder Segen? 

Die seit 2018 in Apotheken erhältlichen Selbsttests sind in der Quartier-Apotheke am Nolleturm kein großes Thema: „Wir verkaufen die relativ selten“, so Richter. Es handele sich ohnehin nur um Antikörpertests, die frühestens drei Monate nach einem potenziellen Kontakt mit einem HIV-Infizierten etwas anzeigen können. 

Dieses Ergebnis müsse dann von einem Arzt oder dem Gesundheitsamt verifiziert werden. Und das Angebot an auf HIV spezialisierten Ärzten sei in Berlin groß. Dort könne ein Test schon sehr viel früher erfolgen, oder eben eine Postexpositionsprophylaxe angeboten werden. 

In ländlicheren Gegenden ohne Schwerpunkt-Praxis oder Apotheken könne die Hemmschwelle, einen offiziellen Test zu machen, durchaus höher sein. Hier kann sich der PTA vorstellen, dass die Selbsttests ein Thema – auch in der Beratung in der Apotheke – sind. Es sei dann aber enorm wichtig, dass die Apotheken entsprechend beraten und aufklären und ein Informationsangebot schaffen würden.

HIV-Schwerpunkt-Apotheke: Vorbereitung nötig?

Auf seine Tätigkeit in der HIV-Schwerpunkt-Apotheke hat sich der 30-Jährige gar nicht vorbereitet. „Und das, obwohl das Thema HIV und Aids während der PTA-Ausbildung zumindest bei mir kein Thema war. Ich hatte Lust, etwas Neues zu machen. Durch die internen Fortbildungen bin ich schnell in das Thema reingewachsen und immer auf einem guten und aktuellen Stand.“ 

Und außerdem, so der PTA, gebe es natürlich auch in Schwerpunkt-Apotheken noch den ganz normalen Wahnsinn eines PTA, der Rezepturen herstellt, im Handverkauf zu OTC-Arzneimitteln berät, Rezepte beliefert und Impfpässe digitalisiert.

Wir bedanken uns bei Benedikt Richter und den Quartier-Apotheken in Berlin für den Einblick und das Interview. 

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