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Dextromethorphan – Hustenstiller müssen künftig vor Abhängigkeit warnen

Die Fachinformationen und Beipackzettel von dextromethorphanhaltigen Produkten müssen um einige Sicherheitshinweise ergänzt werden. | Bild: Robert Kneschke / Adobe Stock

Dextromethorphanhaltige Arzneimittel sollen sicherer werden. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Arzneimittelsicherheit (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat sich die Sicherheitsberichte zu Dextromethorphan angeschaut – und Handlungsbedarf gesehen. Für Deutschland setzt nun die nationale Arzneimittelbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die auf europäischer Ebene angeordneten Maßnahmen um. Was ändert sich?

Im Großen und Ganzen sind es drei Punkte: „Abhängigkeit“, „Serotonin-Syndrom“, „schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, einschließlich neurologischer Störungen“ aufgrund von Überdosierungen bei Kindern. Die Fach- und Gebrauchsinformationen (Packungsbeilage) müssen nun entsprechend angepasst werden, und zwar bei Mono- und auch Kombinationspräparaten.

Abhängigkeit durch Dextromethorphan

Bislang informieren die Hersteller von DXM-Präparaten lediglich über den Missbrauch des Hustenstillers (Antitussivum). Künftig geht diese Warnung weiter, und die Fachinformation muss zusätzlich auf die Gefahr einer Abhängigkeit durch Dextromethorphan hinweisen: „Fälle von Dextromethorphan-Missbrauch und -Abhängigkeit wurden berichtet. Vorsicht ist besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie bei Patienten mit einer Vorgeschichte bezüglich Drogenmissbrauch oder psychoaktiven Substanzen geboten.“ Die Packungsbeilage fasst sich kürzer: „Dieses Arzneimittel kann zu Abhängigkeit führen. Daher sollte die Behandlung von kurzer Dauer sein.“

Frankreich: DXM rezeptpflichtig!

In Deutschland sind DXM-Arzneimittel rezeptfrei erhältlich. Das war auch bis vor kurzem im Nachbarland Frankreich der Fall. Allerdings wurde die französische Arzneimittelbehörde ANSM (Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé) bereits 2017 strenger, nachdem die missbräuchliche Einnahme des Hustenblockers überhandnahm. Seither unterliegt Dexromethorphan in Frankreich wieder der Verschreibungspflicht.

Warum wird DXM missbräuchlich eingenommen?

Dextromethorphan wird zur symptomatischen Behandlung von Reizhusten (unproduktivem Husten) eingesetzt. Die Wirkung tritt rasch, bereits nach 15 bis 30 Minuten, ein und hält etwa drei bis sechs Stunden an. In therapeutischen Dosen – diese liegen für Erwachsene bei 30 mg DXM alle sechs Stunden, maximal 120 mg täglich – wirkt Dextromethorphan nicht analgetisch (schmerzhemmend), atemdepressiv (die Atmung unterdrückend) oder psychotomimetisch (psychoseähnliche Wirkung wie Halluzinationen, Bewusstseinsveränderungen). Allerdings können bei hoher Dosierung berauschende Effekte auftreten – was den Missbrauch begründet. 

Überdosierungen können entweder erreicht werden, indem Dextromethorphan absichtlich höher dosiert eingenommen wird oder indem DXM mit bestimmten Arzneimitteln kombiniert wird, die den Abbau von Dextromethorphan hemmen. Auch dann erhöhen sich in der Folge die DXM-Spiegel im Blut und eine psychotomimetische Wirkung tritt ein – jedoch auch entsprechende Dextromethorphan-Nebenwirkungen wie Erregungszustände, Verwirrtheit, Zittern, Schlaflosigkeit, Durchfall und eine abgeflachte Atmung (Atemdepression). 

Zu den Arzneistoffen, die die Ausscheidung von DXM verzögern und somit die Wirkung verlängern und verstärken können, zählen unter anderem die Antidepressiva Fluoxetin, Paroxetin und Sertralin oder Bupropion. Aber auch in Verbindung mit bei Schizophrenie eingesetzten Arzneimitteln (Neuroleptika) wie Haloperidol, Perphenazin und Thioridazin kann dieser Effekt eintreten.

Versehentliche Überdosierung bei DXM

Allerdings kann es unter Dextromethorphan nicht nur gewollt, sondern auch versehentlich zu Überdosierungen kommen – und das, obwohl die Patienten den Hustenstiller laut Packungsbeilage in der richtigen Dosierung einnehmen. Der Grund: Manche Menschen – etwa jeder zehnte in der Bevölkerung – verstoffwechseln Dextromethorphan in der Leber einfach langsamer, und zwar ohne dass dies auf eine Wechselwirkung mit anderen Arzneimitteln zurückzuführen ist. Dies ist genetisch bedingt. Die Nebenwirkungen entsprechen denen einer absichtlichen Überdosierung und sind auf die höheren Blutspiegel von DXM zurückzuführen.

Vorsicht: Überdosierung bei Kindern

Strenger wird es nicht nur beim Thema „Abhängigkeit“, sondern auch in der Anwendung von DXM bei Kindern unter zwölf Jahren. Die meisten dextromethorphanhaltigen Hustenpräparate dürfen in Deutschland ohnehin nicht bei Kindern, sondern erst ab einem Alter von zwölf (zum Beispiel Hustenstiller-ratiopharm® Dextromethorphan) oder gar 14 Jahren (zum Beispiel Wick® DayMed Hartkapseln) zur Hustenstillung eingesetzt werden. 

Doch es gibt Ausnahmen – zum Beispiel Silomat® DMP gegen Reizhusten mit Honig Pastillen. Diese eignen sich bereits ab einem Alter von sechs Jahren und müssen künftig – wie alle DXM-Präparate mit pädiatrischer Patientengruppe (unter zwölf Jahren) – Hinweise zu Überdosierungen tragen: „Bei Kindern können im Falle einer Überdosierung schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auftreten, einschließlich neurologischer Störungen. Pflegepersonen sollten angewiesen werden, die empfohlene Dosis nicht zu überschreiten.“

Serotonin-Syndrom

Auch auf die Gefahren eines Serotonin-Syndroms unter Dextromethorphan soll künftig hingewiesen werden. Serotonerge Wirkungen, einschließlich der Entwicklung eines möglicherweise lebensbedrohlichen Serotonin-Syndroms, wurden für Dextromethorphan bei gleichzeitiger Einnahme von serotonergen Wirkstoffen wie beispielsweise bestimmten Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) berichtet. 

Das Serotonin-Syndrom umfasst mehrere Krankheitszeichen – unter anderem Ruhelosigkeit, Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krämpfe, Schwitzen und Schüttelfrost, Zittern, aber auch Übelkeit/Erbrechen, Anstieg von Puls und Blutdruck sowie Herzrhythmusstörungen. Ausgelöst wird es durch ein „zu viel“ an Serotonin, einem Botenstoff und Gewebshormon im menschlichen Körper. In schweren Fällen kann ein Serotonin-Syndrom tödlich enden.

Was tun bei Dextromethorphan-Überdosierung?

Bei DXM-Überdosierungen kommt es unter anderem zu Übelkeit, Erbrechen, Bewegungsstörungen, Unruhe, Verwirrtheit, Schläfrigkeit, Starre, Augenzittern (Nystagmus), schnellem Herzschlag, Halluzinationen und Übererregbarkeit bis hin zu Koma, Atemdepression und Krämpfen. 

Künftig müssen die Fachinformationen für diese Fälle Hilfestellungen anbieten. Die Beipackzettel fassen sich kürzer und verweisen lediglich an einen Arzt oder das Krankenhaus.

Aktivkohle und Naloxon

Liegt die DXM-Einnahme noch nicht allzu lange zurück (weniger als eine Stunde), kann Aktivkohle gegeben werden, jedoch nur, wenn der Patient bislang keine Überdosierungssymptome zeigt und bei Bewusstsein ist. Wörtlich heißt es: „Aktivkohle kann asymptomatischen Patienten verabreicht werden, die innerhalb der letzten Stunde eine Überdosis Dextromethorphan eingenommen haben.“ 

Ist der Patient jedoch bereits schläfrig, kommen andere Maßnahmen zum Einsatz: „Für Patienten, die Dextromethorphan eingenommen haben und sediert oder komatös sind, kann Naloxon, in den üblichen Dosen wie zur Behandlung einer Opioidüberdosierung, in Betracht gezogen werden.“

Zur Erinnerung: Was ist Naloxon?

Naloxon ist ein Arzneimittel, das die Wirkung von Opioiden – wie beispielsweise Morphin oder auch Heroin – aufhebt und bei Überdosierungen eingesetzt wird, um die Atemdepression zu lösen. In fixer Kombination ist Naloxon beispielsweise mit dem Schmerzmittel Tilidin erhältlich, um die missbräuchliche Anwendung von Tilidin zu verhindern.

Zusätzlich enthalten die Fachinformationen künftig einen Hinweis darauf, dass Benzodiazepine gegen Anfälle und externe Kühlmaßnahmen gegen Hyperthermie (Überwärmung des Körpers) aufgrund des Serotonin-Syndroms angewendet werden können.

Welche DXM-Präparate gibt es?

Dextrometorphan ist in zahlreichen rezeptfreien Hustenpräparaten enthalten – sowohl als Einzelpräparat als auch in Erkältungskombis. Als Monopräparat sind neben Hustenstiller-ratiopharm® Dextromethorphan auch Silomat® DMP gegen Reizhusten mit Honig Pastillen oder Silomat® DMP intensiv gegen Reizhusten 30 mg/Hartkapsel im Handel. Die Silomat® Lutschpastillen sind mit 10,5 mg etwas schwächer dosiert. 

Wick setzt in einigen seiner Erkältungsprodukte ebenso auf Dextromethorphan und vermarktet neben Wick® Husten-Pastillen gegen Reizhusten mit Honig 7,33 mg Lutschpastille auch einen Saft: Wick® Husten-Sirup gegen Reizhusten mit Honig. 

Darüber hinaus zählen auch dextromethorphanhaltige Erkältungskombis zu den Klassikern in diesem Segment: Wick® DayMed Hartkapseln (mit Paracetamol, Phenylpropanolamin, Dextromethorphan) und Wick® MediNait Erkältungssirup für die Nacht (mit Doxylamin, Ephedrin, Dextromethorphan, Paracetamol).