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Wenn's nicht auf Anhieb klappt: Stillhilfsmittel: Was ist ein Brust­ernährungsset?

Stillfreundliches Zufüttern kann die Stillbeziehung zwischen Mutter und Kind bei Bedarf erhalten oder verbessern. | Bild: Medela Medizintechnik GmbH & Co. 

Die Bildung von Muttermilch erfolgt in drei Phasen

  1. Während der Laktogenese I differenzieren sich die Brustdrüsen zur Produktion von Milch. 
  2. In der Laktogenese II wird die Bildung der weißen, reifen Muttermilch initiiert.
  3. In der Laktogenese III wird die Milchbildung nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage reguliert.

Verzögert sich die Laktogenese II, d. h. wird die reife Muttermilch zu spät oder in zu kleinen Mengen gebildet, kann es vorkommen, dass das Neugeborene zu viel Gewicht verliert (mehr als 10% des Geburtsgewichtes sind hier der Maßstab). Dann kann es notwendig sein, mit Muttermilchersatz, sogenannter PRE-Nahrung zuzufüttern.

Zufütterung an der Brust trainiert Baby und regt Milchbildung an

Muss das Baby zugefüttert werden, weil die Mutter noch nicht genug Milch bildet und/oder das Baby noch nicht effektiv saugen kann, soll die Zufütterung an der Brust z. B. mithilfe des Brusternährungssets (z. B. von Medela, PZN 3482436) erfolgen. Auf diese Weise regt das Baby die Milchbildung an, während es zugefüttert wird. Gleichzeitig trainiert das Baby das effektive Saugen an der Brust und lernt mit der Zeit, intensiver und ausdauernder zu saugen.

Vorsicht bei Saugflaschen und Schnullern

Saugflaschen und Schnuller sollten währenddessen weggelassen bzw. so weit wie möglich eingeschränkt werden. So soll sichergestellt werden, dass das Saugbedürfnis des Babys nur an der Brust befriedigt wird und diese dadurch zur Milchbildung stimuliert wird. Zudem kann das Baby das effektive Saugen an der Brust durch die Flaschenfütterung verlernen und die Brust mit der Zeit komplett ablehnen (Saugverwirrung). Selbst die intensiv beworbenen, angeblichen Muttermilchsauger können zu Stillproblemen führen oder diese verstärken.

Weltstillwoche 2022

Die Weltstillwoche, die in Deutschland jedes Jahr in der 40. Kalenderwoche stattfindet (weil eine Schwangerschaft 40 Wochen dauert), unterstützt das Ziel, Stillen als normale, artgerechte Ernährungsform für Säuglinge in den Mittelpunkt zu rücken. Sie bietet Müttern umfassende Informationen, die ihnen helfen, sich für das Stillen ihres Kindes zu entscheiden. Die Weltstillwoche ist aber auch eine Plattform, um politisch aktiv zu werden: Viele Aktionen zielen darauf ab, geeignete gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Familien und ihre Kinder zu schaffen. 

Das Motto in diesem Jahr lautet „Stillen – eine Handvoll Wissen reicht“. Damit soll auf die fünf wichtigsten Informationen (pro Finger eine), die für einen erfolgreichen Stillstart stehen, aufmerksam gemacht werden:

  • Ab wann und wie lange wird gestillt?
  • Welchen Vorteil bringt Stillen für die Bindung?
  • Wie sieht die richtige Stillhaltung aus?
  • Wie oft wird gestillt?
  • Wie kann Muttermilch von Hand gewonnen werden?

Aufbau des Brusternährungssets

Das Brusternährungsset besteht aus einem Behälter, der mit abgepumpter Muttermilch oder PRE-Nahrung gefüllt wird. Dieser Behälter wird auf den Brustkorb der Mutter gelegt (eine Kordel um den Hals der Mutter verhindert das Abrutschen). Die dünnen, flexiblen Schläuche werden mittels Klebeband (z. B. Hansaplast Fixierpflaster Sensitive, Gotha SILK Heftpflaster Seide) an den Brustwarzen der Mutter befestigt, sodass beim Saugen zusätzliche Milch in den Mund des Babys fließen kann. Da das Baby hierfür ein Vakuum erzeugen muss, wird gleichzeitig das richtige Saugverhalten an der Brust geschult.

So funktioniert Stillen mit dem Brusternährungsset

Das ausschließlich gestillte Baby erhält am Anfang der Mahlzeit wenig Muttermilch und muss sich dabei anstrengen, bis der Milchspendereflex ausgelöst ist. Erst dann fließt die Milch reichlich und das Saugen des Babys wird langsamer und intensiver. Das Brusternährungsset sollte so eingestellt werden, dass eine Mahlzeit wie eine übliche Stillmahlzeit stattfindet: 

  • Das Baby soll zunächst so lange es geht gestillt werden, ohne dass die Schläuche des Brusternährungssets geöffnet und damit der zusätzliche Milchfluss gestartet wird.
  • Anschließend kann das Baby den maximalen Milchfluss erhalten – aus der Brust und aus dem Brusternährungsset mit zwei geöffneten Schläuchen.
  • Danach kann eine langsamere Phase folgen – ein Schlauch offen, einer geschlossen.
  • Lässt das Baby los, soll die Seite gewechselt werden.
  • Dort wird ebenfalls ein bis zwei Minuten mit verschlossenem Schlauch gestillt, etwa bis der Milchspendereflex ausgelöst sein könnte.
  • Dann soll die Milch wieder schneller fließen – beide Schläuche offen.
  • Später folgt wieder eine langsamere Phase – ein Schlauch offen, einer geschlossen.
  • Lässt das Baby die zweite Brust los, ist die Stillmahlzeit beendet.

Das Brusternährungsset sollte anschließend sofort gründlich mit heißem Wasser ausgespült werden, sodass es für die nächste Stillmahlzeit bereitsteht. Einmal pro Tag sollte das Brusternährungsset vollständig zerlegt und sterilisiert werden. 

Übrigens: Wenn der Behälter leer ist, können der Schlauch und das Klebeband entfernt werden, ohne das Stillen zu unterbrechen.

Vom Zufüttern zum Vollstillen

Je häufiger und je gründlicher die Brust entleert worden ist, desto stärker ist das Signal für den Körper, mehr Milch zu bilden. Um die Milchbildung aufzubauen, ist es daher wichtig, häufig und so intensiv wie möglich zu stillen. Zusätzliches Saugen/Stillen zwischen den Mahlzeiten mit Brusternährungsset ist darüber hinaus sehr hilfreich.

Nimmt das Baby gut zu, kann weniger zugefüttert werden. Dann kann, wenn die Milchmenge offensichtlich mehr geworden ist, das Baby über Stunden auch ohne Brusternährungsset gestillt werden. Am angenehmsten ist es für die Mutter, zuerst in der Nacht auf das Brusternährungsset zu verzichten. Danach kann die Verwendung des Brusternährungssets tagsüber auf drei bis vier und später auf eine bis zwei Mahlzeiten angepasst werden. Alternativ kann auch die Menge im Behälter langsam reduziert werden. 

Wenn das Baby altersgemäß zunimmt und im Laufe eines Tages weniger als 100 Milliliter mit dem Brusternährungsset zugefüttert werden muss, können sich die betroffenen Mütter langsam, aber sicher von dem Hilfsmittel verabschieden. In Absprache mit der Hebamme oder der Stillberaterin kann es dann ganz oder teilweise (z. B. nur jeden zweiten bis dritten Tag) weggelassen werden. 

Nach der Umstellung sollte die Mutter das Baby noch öfter anlegen, die Windeln beobachten und das Gewicht weiter wöchentlich kontrollieren. Wenn das Kind zwei Wochen ohne Zufütterung gut zugenommen hat, kann es ausschließlich gestillt werden.