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Was hilft bei Reizdarmsyndrom?: Stiftung Warentest checkt Mittel gegen Reizdarm

Stuftung Warentest hat einige Präparate getestet, die gegen Reizdarm helfen sollen. Nur wenige hält sie für geeignet. | Bild: Siam / AdobeStock

19 rezeptfreie Präparate – darunter acht Arzneimittel und elf Medizinprodukte –, die gegen Reizdarm ausgelobt sind, hat Stiftung Warentest geprüft. Mit dabei Probiotika, wie Kijimea® Reizdarm Pro, Präparate mit Pfefferminzöl wie Buscomint®, pflanzliche Arzneimittel wie Iberogast® Advance (ohne Schöllkraut) und Iberogast® Classic sowie Produkte mit Heilerde (Luvos® und Bullrich® Heilerde). 

Nur sechs – mit Einschränkung – geeignet 

Nach Sichtung der Leitlinie und verfügbaren Literatur zur Sicherheit und Wirksamkeit der Präparate kommt Stiftung Warentest zu dem Schluss, dass nur sechs Präparate zur Behandlung eines Reizdarmsyndroms „mit Einschränkung“ geeignet sind. Den restlichen Produkten attestiert die Verbraucherorganisation ein „wenig geeignet“. 

Für die Beurteilung legt die Verbraucherorganisation dabei die „Grundsätze evidenzbasierter Medizin“ zugrunde.

Zur Erinnerung: Wann liegt ein Reizdarmsyndrom vor?

Die Diagnose „Reizdarmsyndrom“ ist eine Ausschlussdiagnose: Werden für Darmbeschwerden wie Durchfall, Verstopfung, Krämpfe oder Blähungen keine ursächlichen Erkrankungen – wie beispielsweise chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, eine symptomatische Lactose- oder Fructose-Malabsorption, eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms oder eine Gallensäuren-Malabsorption, eine Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität oder auch Darmkrebs – gefunden, steht am Ende des Diagnosemarathons „Reizdarmsyndrom“. 

Daneben müssen die Patienten an chronischen – länger als drei Monate anhaltenden oder immer wiederkehrenden – Darmbeschwerden leiden. Diese gehen meist mit Änderungen des Stuhlgangs einher. Zudem gilt als weiteres Kriterium, dass der Leidensdruck der Patienten so groß sein muss, dass sie sich Hilfe suchen.

Pfefferminzöl und Buscopan® wirken krampflösend

Zu den geeigneteren Präparaten zählt Stiftung Warentest vier Produkte mit Pfefferminzöl – unter anderem Klosterfrau Reizdarm und Buscomint®. Sie wirkten krampflösend, dennoch sollten die langfristigen Effekte von Pfefferminzöl weiter untersucht werden. 

Eine Empfehlung für Pfefferminzöl bei den Symptomen „Bauchschmerzen und Bauchkrämpfe“ sprechen auch die Autoren der im Sommer 2021 aktualisierten S3-Leitlinie „Reizdarmsyndrom“ aus: „Pfefferminzöl hat sich als wirksam zur Behandlung vor allem der RDS-Symptome ,Schmerz’ und ,Blähungen‘ erwiesen und soll erwogen werden“, liest man dort. 

Auch beim krampflösenden Wirkstoff in Buscopan® (Butylscopolamin) sind sich Stiftung Warentest und die Leitlinienexperten einig. „Zur Behandlung des Symptoms ‚Bauchschmerzen’ sollen Spasmolytika empfohlen werden“, lautet die Empfehlung der Leitlinie. Stiftung Warentest erachtet Buscopan® wie auch Pfefferminzöl als „mit Einschränkung“ geeignet bei Reizdarmbeschwerden. Die Verbraucherorganisation vermisst vor allem Daten zu Langzeiteffekten der Spasmolytika.

Probiotika können helfen

Wie sieht es mit probiotischen Produkten aus? Hier fühlte die Stiftung Warentest unter anderem Kijimea® und Symbioflor® 2 – beide enthalten lebende Bakterien – und Kijimea® Reizdarm Pro – das auf hitzeinaktivierte Bifidobakterien setzt – auf den Zahn. 

Von diesen Präparaten hält die Verbraucherorganisation nur Kijimea® Reizdarm Pro für „mit Einschränkung geeignet“: Es wirke „vermutlich“ dadurch, dass es sich an die geschädigten Stellen der Darmwand anhefte – auch Synformulas, der Hersteller von Kijimea® Reizdarm Pro, wirbt für sein Produkt mit dem „Pflastereffekt“. Die anderen Probiotika hält Stiftung Warentest hingegen für „wenig geeignet“, da bei Letzteren die Wirksamkeit bei Reizdarm nicht ausreichend belegt sei. 

Gut zu wissen: 

Der Begriff „Probiotika“ ist in seiner offiziellen Definition vitalen Mikroorganismen vorbehalten, wird aber häufig – und auch in der Reizdarm-Leitlinie – für eine uneinheitliche Gruppe von Produkten verwendet. 

Auch in diesem Text wird nicht zwischen lebenden und nicht lebenden Organismen unterschieden. 

Kijimea® Reizdarm Pro bessert Reizdarmbeschwerden

In der Tat konnte Synformulas für Kijimea® Reizdarm Pro in einer im April im Fachjournal „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“ veröffentlichten Studie, die der Hersteller selbst formuliert hat, zeigen, dass das Präparat Reizdarmsymptome lindern kann. 

Die Reizdarmsyndrom(RDS)-Patienten hatten acht Wochen lang entweder Kijimea® Reizdarm Pro oder Placebo erhalten. Um das Studienziel zu erreichen, musste Kijimea® Reizdarm Pro in mindestens vier der acht Einnahmewochen zu einer 30-prozentigen Verbesserung von Bauchschmerzen (bezogen auf den Ausgangswert) und einer „gewissen Besserung“ (adequate relief) der Reizdarmsymptome bei den Patienten führen. 

Die Patienten bewerteten ihre Beschwerden anhand von Skalen. Dieses gemeinsame Studienziel konnte in der Kijimea®-Reizdarm-Pro-Gruppe von 34 Prozent der Teilnehmer erreicht werden, in der Placebogruppe berichteten 19 Prozent der Teilnehmer über die geforderte Verbesserung. Damit ergab sich ein signifikanter Vorteil für die Bakteriengruppe, das heißt: Der Unterschied in beiden Behandlungsgruppen ließ sich nicht allein durch Zufall erklären.

Kijimea® Reizdarm Pro – zu vielversprechende Werbung

Dass es unter Kijimea® Reizdarm Pro nur zu einer gewissen Besserung der Reizdarmbeschwerden kam, hindert Synformulas jedoch nicht an vollmundigen Werbeversprechen, dass unter Kijimea® Reizdarm Pro die Beschwerden „wie weg“ sind – das stört Stiftung Warentest, denn „der Effekt ist nicht so groß, wie die Werbung verheißt“. 

Mit dieser Einschätzung ist Stiftung Warentest nicht allein. Bereits 2020 warnte das „Arznei-Telegramm“ mit „Vorsicht Desinformation“ vor dem allzu optimistischen Werbeslogan: „Im Mittel sind die Beschwerden zudem nicht ‚wie weg‘, sondern – sowohl unter Verum als auch unter Placebo – nur ‚etwas gebessert'“, kritisierte das „Arznei-Telegramm“ damals.

Leitlinie spricht sich für Probiotika aus

Die Leitlinie findet Probiotika in jedem Fall eine lohnenswerte Behandlungsoption: „Ausgewählte Probiotika sollten in der Behandlung des RDS eingesetzt werden“, denn Probiotika könnten die relevanten Symptome des  Reizdarmsyndroms reduzieren. Dabei empfehlen die Leitlinienautoren gleich mehrere Stämme, beispielsweise auch die, die in Symbioflor 2 enthalten sind. Welche das genau sind und wie Probiotika und Ernährung Einfluss auf einen Reizdarm haben, lesen Sie hier.

Warum hält Stiftung Warentest Iberogast® für „wenig geeignet“?

Den restlichen 13 der 19 geprüften Präparate attestiert die Stiftung Warentest lediglich ein „wenig geeignet“ – unter anderem Luvos® und Bullrich® Heilerde und den beiden Arzneimitteln Iberogast® Classic (mit Schöllkraut) und Iberogast® Advance (ohne Schöllkraut). Warum? 

In den Augen von Stiftung Warentest sind die therapeutischen Wirksamkeiten der Präparate bei Reizdarm „nicht ausreichend nachgewiesen“. Bei Iberogast® kritisiert die Verbraucherorganisation zudem, dass nicht belegt sei, dass diese Arzneimittel „sinnvoll“ zusammengesetzt seien – insbesondere auch das in Iberogast® Classic enthaltene Schöllkraut stößt Stiftung Warentest bitter auf, da es im Verdacht steht, die Leber zu schädigen. 

Diese Einschätzung teilen die Wissenschaftler hinter der Reizdarm-Leitlinie nicht uneingeschränkt. Sie raten durchaus zu Phytotherapeutika, denn „mehrere weitere phytotherapeutische Präparate haben sich als wirksam zur Symptomlinderung erwiesen und sollten individuell ins Behandlungskonzept integriert werden“. Sie fanden zum Beispiel für Iberogast® Classic und Iberogast® Advance „positive Effekte auf IBS-SS generell und abdominelle Schmerzen im Speziellen“ (IBS: Irritable Bowel Syndrome – Reizdarmsyndrom).

Die vollständigen Testergebnisse gibt es bei Stiftung Warentest.