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G-BA-Beschluss zu Melatonin bei Schlafstörungen: Wem erstatten die Kranken­kassen Melatonin?

Wird ein Melatonin-haltiges Arzneimittel aufgrund der persönlichen Lebensführung oder lediglich zur Erhöhung der Lebensqualität angewandt, muss die Krankenkasse das Mittel nicht erstatten. Bild: StockPhotoPro / AdobeStock

Die gesetzlichen Krankenkassen kommen nicht für alle Arzneimittel auf. Der Gesetzgeber schließt Präparate, die vor allem einer höheren Lebensqualität dienen – sogenannte Lifestyle-Arzneimittel –, von der Erstattung aus. Dazu zählen 

  • Abmagerungsmittel (z. B. Orlistat),
  • Appetitzügler, 
  • Arzneimittel bei Potenzstörungen oder erektiler Dysfunktion (z. B. Sildenafil), 
  • Haarwuchsmittel (z. B. Minoxidil), 
  • Arzneimittel zur Verbesserung des Aussehens (z. B. Botox) und 
  • Präparate zur Rauchentwöhnung (z. B. Nikotinersatzpräparate). Allerdings soll es bei Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung in Zukunft Ausnahmen geben. 

Die gesetzlichen Verordnungsausschlüsse stehen als Anlage II in der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL). Künftig soll hier noch eine weitere Arzneimittelgruppe aufgeführt werden.

Melatonin bei kurzzeitigen Schlafstörungen zahlt die Kasse nicht

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 18. März 2022 den Beschluss gefasst, die AM-RL zu ändern und die nichterstattungsfähige Arzneimittelliste zu ergänzen: Es geht um Arzneimittel bei „durch die Lebensführung bedingten, kurzzeitigen nichtorganischen Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus“ – wie Melatonin in Melatonin Vitabalans. Das heißt, dass Krankenkassen ihren Versicherten Melatonin-haltige Arzneimittel mit dieser Zweckbestimmung nicht bezahlen.

G-BA unterscheidet bei Melatonin-Arzneimitteln

Allerdings gibt es durchaus Melatonin-haltige Arzneimittel, die unter den Leistungskatalog der Krankenkassen fallen und für die sie auch finanziell aufkommen. Dazu zählen Circadin® und Slenyto®. Wie auch Melatonin Vitabalans sollen sie bei Schlafstörungen helfen. Warum also unterscheidet der G-BA zwischen den einzelnen Melatonin-Präparaten?

Jetlag durch persönliche Lebensführung

Wichtig für die Erstattungsfähigkeit eines Melatonin-Arzneimittels seitens der Krankenkassen ist dem G-BA zufolge die Frage nach der Zweckbestimmung: Nutzt der Anwender das Präparat im Wesentlichen zur „individuellen Bedürfnisbefriedigung“ und aufgrund der persönlichen Lebensführung, ist nach Einschätzung des G-BA die Krankenkasse nicht in der Leistungspflicht. 

Im konkreten Fall von Melatonin Vitabalans ist das Arzneimittel ausschließlich zur kurzzeitigen Behandlung des Jetlags zugelassen – dem G-BA zufolge ist der Schlaf bei Jetlag, also bei Flugreisen über mehr als zwei Zeitzonen, dabei jedoch meist „nicht gestört“, er trete nur „zeitversetzt“ auf. Die Symptome verschwänden in der Regel von allein nach einigen Tagen, wenn sich der Körperrhythmus wieder angepasst habe. Eine Behandlung sei damit „medizinisch nicht notwendig“, begründet der G-BA. Schlafstörungen durch Jetlag seien exogen bedingt und durch die private Lebensführung ausgelöst – und somit sei für die Beseitigung der Beschwerden auch der Betroffene selbst verantwortlich. 

Die Krankenkassen seien nicht in der Pflicht, „dem Versicherten jede von ihm für nützlich gehaltene Maßnahme zur Heilung oder Linderung des krankhaften Zustandes zu gewähren“, stellt der G-BA klar. Die Betroffenen müssen demnach Melatonin Vitabalans selbst bezahlen.

Circadin® und Slenyto® nicht wegen persönlicher Lebensführung benötigt

Was ist nun anders bei den Melatonin-haltigen Fertigarzneimitteln Circadin® und Slenyto®? Ein Blick in die zugelassenen Anwendungsgebiete schafft Klarheit. 

Circadin® ist als Monotherapie zugelassen für die „kurzzeitige Behandlung der primären, durch schlechte Schlafqualität gekennzeichneten Insomnie bei Patienten ab 55 Jahren“. Die Insomnie ist dem G-BA zufolge auch ein „häufiges Symptom vieler psychischer und somatischer Störungen“. 

Slenyto® dient der „Behandlung von Schlafstörungen (Insomnie) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2–18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und/oder Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren“. 

Beide Arzneimittel benötigen die Patienten dem G-BA zufolge im Wesentlichen nicht aufgrund ihrer persönlichen Lebensführung oder lediglich zur Erhöhung der Lebensqualität.