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Zulassungsemp­fehlung: Lasmiditan bei akuter Migräne

Anders als Triptane hat Lasmiditan keine kardiovaskulären Nebenwirkungen. | Bild: StockPhotoPro / AdobeStock

Bei starken Kopfschmerzen und Migräneanfällen, die nicht auf NSAR, wie ASS oder Ibuprofen, oder andere Schmerzmittel ansprechen, sind Triptane die erste Wahl. Die aktuelle S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ lobt die Triptane sogar als die Substanzen mit der „besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken“. Jedoch spricht nicht jeder Migräniker ausreichend auf Triptane an. Zudem gibt es Migränepatienten, die aufgrund von Kontraindikationen auf Triptane verzichten müssen.

Lasmiditan in Rayvow könnte in Bälde zu einer Therapieoption für diese und weitere Menschen mit Migräne werden. Nachdem die US-amerikanische FDA bereits im Oktober 2019 Lasmiditan die Zulassung erteilte, empfiehlt seit dem 23. Juni 2022 auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA)  Lasmiditan in der EU zur Migränebehandlung zuzulassen. 

Wie wirkt Lasmiditan, und warum könnte es auch bei Triptan-Kontraindikation „funktionieren“? Dafür hilft es, sich die Angriffspunkte der Wirkstoffe etwas genauer anzuschauen.

Triptane und Lasmiditan greifen in Serotoninsystem ein

Gemeinsam ist beiden Wirkstoffen, dass sie ins Serotoninsystem eingreifen. Sie wirken dort als Agonisten, entfalten also die Wirkung, wie es auch körpereigenes Serotonin (Serotonin = 5-Hydroxytryptamin, 5-HT) tut. Allerdings gibt es nicht den einen und einzigen Serotoninrezeptor (5-HT-Rezeptor) im Körper, sondern verschiedene Rezeptorfamilien und Subtypen. Während Triptane an den Subtypen 5-HT1B/1D angreifen, adressiert Lasmiditan 5-HT1F. 

Die von Triptanen angegriffenen 5-HT1B-Rezeptoren finden sich – im Gegensatz zu 5-HT1F-Rezeptoren (Lasmiditan) – auch an Blutgefäßen. Sie wirken dort verengend (vasokonstriktorisch) und werden für die kardiovaskulären Nebenwirkungen und Kontraindikationen der Triptane verantwortlich gemacht. Deswegen dürfen Patienten mit einem Schlaganfall oder Herzinfarkt in der Krankheitsgeschichte, mit ausgeprägtem Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung oder einer peripher arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) Triptane nicht anwenden.

Lasmiditan: wirksam und kardiovaskulär sicher

Bereits in den Zulassungsstudien wurde aus diesem Grund – neben dem Nachweis der Wirksamkeit gegen Migräne – der kardiovaskulären Sicherheit von Lasmiditan besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der 2018 im Fachjournal „Neurology“ veröffentlichten SAMURAI-Studie(„Lasmiditan is an effective acute treatment for migraine: A phase 3 randomized study“)  zufolge waren kardiovaskuläre Nebenwirkungen jedoch selten: So traten bei fünf von insgesamt 1.856 Teilnehmern Palpitationen (Gefühl, dass das Herz zu schnell oder zu stark schlägt) auf, eine Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) beobachteten die Wissenschaftler sogar nur in einem Fall. Und: Mehr als drei Viertel der Studienteilnehmer hatten einen kardiovaskulären Risikofaktor (was jedoch nicht automatisch bedeutet, dass sie tatsächlich kardiovaskulär erkrankt waren). Die Migräniker hatten Lasmiditan in einer Stärke von 100 mg oder 200 mg erhalten. 

Punkten konnte Lasmiditan auch bei der Wirksamkeit: Nachdem die Patienten innerhalb von vier Studien nach Beginn ihrer Migräneattacke Lasmiditan eingenommen hatten, waren 32,2 Prozent (200 mg) beziehungsweise 28,2 Prozent (100 mg) nach zwei Stunden kopfschmerzfrei. Unter Placebo waren es lediglich 15,3 Prozent.

Nebenwirkungen von Lasmiditan

Am häufigsten kam es zu Schwindel, Müdigkeit und Schläfrigkeit oder einem brennenden Gefühl der Haut. Insgesamt ist die EMA vom positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis bei Lasmiditan zur Migränebehandlung überzeugt. Über die Zulassung entscheidet nun die Europäische Kommission. Bei erfolgter Genehmigung wird es Lasmiditan in drei Stärken – 50 mg, 100 mg, 200 mg – geben. Eingesetzt werden darf der neue Wirkstoff ausschließlich bei Erwachsenen, bei akuter Migräne mit oder ohne Aura.

Viele Innovationen bei Migräne

Dass in der Migräneforschung Bewegung ist, zeigen die in den letzten Jahren zugelassenen Migräne-Antikörper, mit denen Patienten Attacken vorbeugen können. Erst vor kurzem kam mit Rimegepant (Vydura®) ein weiterer innovativer Wirkstoff auf den Markt: Es ist der erste orale CGRP-Antagonist und zudem das einzige Migräne-Arzneimittel, das Ärzte sowohl zur Akuttherapie als auch zur Prophylaxe von Migräne verordnen können. 

Mit Atogepant steht bereits der nächste Kandidat in den Startlöchern – in den USA ist der Wirkstoff zur Prophylaxe von episodischer Migräne sogar schon zugelassen. Ein Antrag auf Zulassungserweiterung bei chronischer Migräne (mindestens 15 Migränetage pro Monat) liegt der FDA bereits vor.