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Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: Ist die Antibiotika-Versorgung für Kinder gefährdet?

Kind gießt Antibiotika-Saft in Löffel
Infectopharm warnt vor einer Zuspitzung der Lieferengpässe für Antibiotika-Säfte. | Bild: pingpao / AdobeStock

Seit dem Sommer bestehen Lieferprobleme bei Antibiotika-Präparaten mit der Wirkstoffkombination Sulfamethoxazol und Trimethoprim (Cotrimoxazol). Die Darreichungsformen und Ursachen erscheinen vielfältig, doch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat den Engpass als so schwerwiegend erkannt, dass es im Oktober auf die Möglichkeit des Einzelimports entsprechender Präparate hingewiesen hat.  

Gerade bei Kindern ist es kritisch, wenn flüssige Darreichungsformen von Arzneimitteln fehlen. Das haben zuletzt die Engpässe bei Fiebersäften gezeigt. Aber auch das Antibiotikum Amoxicillin ist seit dem Herbst ein knappes Gut – und spielt vor allem für Kinder eine wichtige Rolle. Anders als bei Cotrimoxazol sah das BfArM im Oktober hier aber keinen Handlungsbedarf, weil es weit mehr Zulassungen zu amoxicillinhaltigen Arzneimitteln als zu cotrimoxazolhaltigen Arzneimitteln gibt. Auch Sandoz – hauptsächlich vom Amoxicillin-Engpass betroffen – zeigte sich optimistisch, dass sich die Situation bald wieder bessern wird.

Infectopharm: Kinderarzneimittel sind unwirtschaftlich

Nun hat aber auch Infectopharm den Engpass seines Amoxicillin-Safts Infectomox 500 angekündigt. Aus der Lieferengpassliste der BfArM geht hervor, dass der Engpass Ende des Jahres beginnen und bis Ende März 2023 andauern soll. Als Alternativpräparat wird Infectomox 750 Saft angegeben. Für InfectoSupramox Saft 400 mg / 57 mg / 5 ml soll bereits ein Engpass bestehen (Stand 30. November 2022, 15:23 Uhr).

Medienwirksam werden diese neuen Engpass-Einträge durch einen offenen Brief von Infectopharm begleitet, der sich an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) richtet. Darin wird speziell auf die Liefersituation bei Antibiotika für Kinder hingewiesen. In der Zielgruppe der Kinder seien eine wesentlich geringere Absatzmenge und deutlich höhere Produktionskosten als bei Darreichungsformen für Erwachsene zu bedenken, was aber in der Festbetragsbildung nicht berücksichtigt werde. Damit werde der Vertrieb solcher Kinderarzneimittel unwirtschaftlich. Infectomox 250 Saft 100 ml würde beispielsweise seit dem Jahr 2010 unverändert für einen Nettopreis von 1,65 Euro verkauft.

Preiserhöhung bei Infectopharm angekündigt

„Bei Amoxicillin und Penicillin Säften ist die Mehrzahl der Anbieter aus besagten Gründen auf unbestimmte Zeit lieferunfähig“, schreibt Infectopharm an Lauterbach. Noch könne Infectopharm zwar sporadisch einspringen, es sei jedoch absehbar, dass es im Winter zu erheblichen Versorgungsengpässen für Kinder kommen werde. Infectopharm sieht sich deshalb gezwungen, die Preise seiner Antibiotikasäfte zum 1. Dezember 2022 zu erhöhen, was mit Zuzahlungen für Patienten verbunden sein wird. Man bedaure, dass viele einkommensschwache Familien dadurch zusätzlich belastet werden.

Wann werden Cefixim und Cefadroxil bei Kindern angewandt?

Doch das Problem sei nicht auf Amoxicillin beschränkt. „Bei Cefadroxil und Cefixim sind wir mittlerweile der einzige Anbieter von Saft-Präparaten in Deutschland“, schreibt Infectopharm. 

Zwar wird auch von Aliud ein Lieferengpass für eine Cefixim-Suspension in der Engpass-Liste des BfArM gelistet. Dieser Engpass besteht jedoch (genauso wie für Cefixim-Tabletten von AL) bereits seit Oktober 2018. Der Engpass für die Suspension von AL soll Ende des Jahres beendet sein. 

Laut Lauer-Taxe bietet auch Stada ein Cefixim-Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen an. Für Cefadroxil wird in der Lauer-Taxe tatsächlich nur der Trockensaft von Infectopharm als flüssige Darreichungsform gelistet.

Im Konsensuspapier der „Arbeitsgemeinschaft Antibiotic Stewardship ambulante Pädiatrie“ wird die Anwendung von Cefixim allerdings nur in einer Indikation empfohlen: bei der unkomplizierten Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung). Cefadroxil wird dort bei 

  • Impetigo contagiosa (Borkenflechte), 
  • perianaler GAS-Dermatitis und 
  • bei der akuten bakteriellen Lymphadenitis colli (infektiöse Halslymph­knoten-Entzündung) empfohlen. 

In jeder dieser Indikationen werden auch Alternativen genannt. Damit erscheint die Lage nicht ganz so dramatisch, wie die Warnung von Infectopharm auf den ersten Blick klingt. Doch die Lieferengpass-Diskussion hat mittlerweile breite Massen jenseits der Offizin erreicht – auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach, wie die DAZ diese Woche berichtete. Er bereitet aktuell ein Gesetz vor, mit dem er die Arzneimittel-Lieferengpässe bekämpfen möchte.