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Essstörungen nehmen durch Social Media stark zu

Die Zahl der Jugendlichen mit Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie ist einer Untersuchung zufolge bundesweit gestiegen.
Vor allem bei 12- bis 17-jährigen Mädchen und Frauen gab es einer Studie der KKH (Kaufmännische Krankenkasse) zufolge zwischen 2019 und 2023 einen Anstieg um fast 50 Prozent.
Gründe hierfür – neben der Pandemie: boomende Selbstoptimierung-Szene und fragwürdige Ideale auf Social-Media-Plattformen könnten besonders bei Minderjährigen zu einem verminderten Selbstwertgefühl und sogar zu psychischen Erkrankungen wie Essstörungen führen.
Wie viele Menschen in Deutschland leiden an einer Essstörung?
Die KKH registrierte für 2023 150 Fälle von Essstörungen je 10.000 Versicherte bei unter 12- bis 17-jährigen Mädchen – 2019 waren es noch 101 Fälle. Bei den gleichaltrigen Jungen dagegen stagnierte den Angaben zufolge die Zahl der Betroffenen beinahe. Registriert wurde ein Plus von gut vier Prozent oder ein Anstieg von 34 auf 36 Fälle je 10.000 Versicherte.
Laut Hochrechnung der Versicherung hatten 2023 fast 460.000 Menschen in Deutschland eine diagnostizierte Essstörung – 7,5 Prozent davon waren Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren.
Unter den 18- bis 24-jährigen Frauen stellte die Kasse einen Anstieg um 25,1 Prozent fest, insgesamt stieg die Zahl der betroffenen Frauen um 10,4 Prozent.
Für die Untersuchung wertete die Krankenkasse die Daten eigener Versicherter aus den Jahren 2019 bis 2023 aus. Basis seien rund 1,66 Millionen KKH-Versicherte im Jahr 2023, darunter seien rund 90.300 Mädchen und Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die KKH hat nach eigenen Angaben derzeit rund 1,5 Millionen Versicherte.
Die Dunkelziffer sei hoch, die Daten bildeten nur ärztlich diagnostizierte Fälle ab. Allein 2017 starben nach Angaben des Statistischen Bundesamts 78 Menschen in Deutschland an einer Essstörung, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.
Zur Erinnerung: Die drei häufigsten Formen von Essstörungen
- Magersucht (Anorexia nervosa): Betroffene hungern bis hin zu einem lebensbedrohlichen Untergewicht. Dennoch haben sie panische Angst, dick zu werden. Ihr Gewicht und ihren Körper nehmen sie verzerrt wahr. Die Kontrolle über ihr Gewicht stellt für Anorexie-Patienten die Basis ihres Selbstwertgefühls dar.
- Bulimie (Ess-Brechsucht, Bulimia nervosa): Aufgrund eines anfallsweise auftretenden Verlangens nach Essen, nehmen die Betroffenen in kürzester Zeit unkontrolliert sehr große Mengen zu sich. Aus Angst vor einer Gewichtszunahme erbrechen sie nach den Essanfällen oder missbrauchen Abführmittel.
- Binge-Eating-Störung: Betroffene leiden an wiederkehrenden, unkontrollierbaren Essanfällen. Im Gegensatz zur Bulimie ergreifen sie aber keine Gegenmaßnahmen. Dies führt meist zu starkem Übergewicht oder Adipositas.
Instagram und Co. vermitteln falsches Körperideal
„Die Gründe für eine Essstörung sind vielfältig und reichen von traumatischen Erlebnissen wie Missbrauch über familiäre Konflikte bis hin zu Leistungsdruck und Mobbing“, erklärt KKH-Psychologin Franziska Klemm.
Eine Rolle spielten besonders auch Social-Media-Plattformen, die ein „unrealistisches und gefährliches Körperideal“ zeichneten: „In einer Lebensphase, in der die eigene Identität noch nicht gefestigt und das Selbstwertgefühl oft nur schwach ausgeprägt ist, können solche übersteigerten Ansprüche an das eigene Aussehen zu einer großen Belastung werden.“
Sie warnt:
„Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Essstörungen.“
Mädchen anfälliger für Essstörungen
Besonders anfällig sind nach Einschätzung der Psychologin Mädchen – die von derartigen Videos nicht nur direkt angesprochen würden, sondern sich auch mehr mit sich selbst beschäftigten als Jungen.
Sie verglichen sich häufiger in sozialen Medien und verspürten einen höheren Druck, Schönheitsidealen zu entsprechen. Außerdem sei vielen nicht bewusst, dass das Leben auf Social Media in der Regel inszeniert sei.
Meist beginne die Krankheit in der Pubertät – Mädchen kämen immer früher in diese Phase, daher komme es eher zu Essstörungen. Für Mädchen sei zudem die eigene Wirkung im Netz wichtiger als für Jungen.
In zahllosen Videos erzählten schlanke Frauen von ihrer „Reise zum Idealkörper“, gleichzeitig prangere eine „virtuelle Beauty-Polizei“ Schönheitsmakel wie runde, volle Gesichter („Cortisol Face“) oder gar übergewichtige große Zehen („Toebesity“) an, warnt die Kasse.
„Aufklärung allein hilft da nicht“, betont Klemm. Wirksamer sei es, ein positives Selbstbild zu fördern und den kritischen Umgang mit Schönheitsidealen zu stärken: „Das alles schützt nachweislich vor der Entwicklung einer Essstörung.“
Neben der Teilnahme an Präventionsprogrammen könnten Jugendliche selbst viel tun, sagt Klemm: „Wichtig ist, sich der Diskrepanz zwischen geschönten Online-Darstellungen und der Realität bewusst zu werden. Ganz konkret heißt das, rauszugehen und zu schauen, wie die Menschen wirklich sind.“
Und: Eine Strategie sei ein sensiblerer Umgang mit sozialen Netzwerken – also: weniger Zeit damit verbringen und Social-Media-Pausen einlegen.
Die KKH warnt, Bulimie und Magersucht seien schwere psychische Erkrankungen, die mit Angststörungen, Depressionen oder Sucht einhergingen. Wer daran leide, dem falle es oft schwer, sich einzugestehen, Hilfe zu brauchen, sagte Klemm. „Dies ist aber ein ganz wichtiger Schritt für die Genesung.“ Quelle: dpa / mia