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Wegovy®: Abnehmspritze in Deutschland verfügbar

Frauenbein tritt auf Waage
Wegovy® ist in Kombination mit Lebensstilmaßnahmen zur Gewichtsreduktion zugelassen. | Bild: Siam / AdobeStock

Wegovy® ist seit Anfang 2022 in der EU zugelassen. Der darin enthaltene Wirkstoff Semaglutid soll in Verbindung mit einer Diät und Bewegung bei Gewichtsverlust und -kontrolle unterstützen

Besondere Aufmerksamkeit hatte der Wirkstoff erfahren, nachdem einige bekannte Persönlichkeiten angegeben hatten, hiermit abgenommen zu haben. So erwähnte etwa Elon Musk auf die Frage nach dem Geheimnis seiner Gewichtsreduktion neben dem Fasten den Namen des Fertigarzneimittels. 

Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass der Hersteller durch gezielte Aktionen die Aufmerksamkeit für den Wirkstoff befeuert haben könnte.

Bislang war das Präparat in den USA, Dänemark und Norwegen erhältlich. Ab sofort können Ärzte es nach Angaben des Herstellers Novo Nordisk auch in Deutschland Patienten mit Adipositas verschreiben, dann können Apotheken es auch beim Großhandel bestellen. Novo Nordisk rechnet mit einer hohen Nachfrage und einem begrenzten Angebot.

Zu diesem Anlass klären wir die wichtigsten Fragen rund um Wegovy®.

Wie funktioniert die Abnehmspritze?

Patienten können sich Wegovy® aus einem Fertigpen einmal pro Woche selbst unter die Haut spritzen: am Bauch, Oberschenkel oder Oberarm. 

Für welche Patienten kommt Wegovy® in Frage?

Gedacht ist das Präparat für Erwachsene mit einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30, also Adipositas. Der BMI wird aus Größe und Gewicht errechnet. Wer als Mann zum Beispiel 1,80 Meter groß ist und 100 Kilo wiegt, überschreitet die 30er-Marke knapp. 

Daneben kann das Mittel auch bei Übergewichtigen (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung wie Diabetes Typ 2 eingesetzt werden. Und bei Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren mit Adipositas oder einem Gewicht von mehr als 60 Kilo. 

Die Spritzen allein sollen es allerdings bei keiner dieser Gruppen richten: Sie sollen vielmehr eine Ergänzung zu Diät und Sport sein.

Wie funktioniert der Wirkstoff Semaglutid?

Semaglutid ahmt die Wirkung des körpereigenen Hormons Glucagon-like-Peptide (GLP-1) nach. „Es wird im Gehirn sozusagen der Impuls gesetzt, dass man satt sei“, sagt der Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, Jens Aberle. 

Semaglutid senkt glucoseabhängig den Blutzuckerspiegel und verlangsamt die Magenentleerung. Durch eine Verringerung des Appetits wird die Energieaufnahme und damit letztlich das Körpergewicht reduziert. Hungergefühle würden vermindert, Heißhungerattacken seltener und weniger stark, heißt es in einem Papier der EU-Arzneimittelbehörde (EMA). 

Wer zu häufig Gelüste auf Pommes und dergleichen hat, kann dies offenbar auch in den Griff bekommen: Die Vorliebe für besonders fetthaltige Nahrungsmittel werde verringert.

Tipp: Wirkmechanismus anschaulich erklärt

Eine anschauliche Erklärung zur Wirkung von Antidiabetika wie Semaglutid erhalten Sie in unserem Erklärvideo zu Diabetes mellitus Typ 2.

Wie gut wird Wegovy® verfügbar sein?

„Die Nachfrage ist nach wie vor riesig“, sagt Endokrinologe Aberle. Das betreffe Wegovy®, aber auch das oft in einem Atemzug genannte Diabetes-Medikament Ozempic® mit geringerer Semaglutid-Dosis. 

Wegovy® ist in Dosierungen von 0,25 mg, 0,5 mg, 1 mg, 1,7 mg und 2,4 mg zugelassen. Zum Vergleich: Das Antidiabetikum Ozempic® enthält Semaglutid in Dosierungen von 0,25 mg, 0,5 mg, 1 mg und 2 mg.

Ozempic® ist zwar nicht als Abnehmpräparat zugelassen, es kann im Off-Label-Use aber auch zu dem Zweck abgegeben werden. Auch vor dem Hintergrund traten Lieferengpässe auf. 

Laut Aberle hat der Hersteller 200.000 Wegovy®-Pens für das zweite Halbjahr in Deutschland gesichert: „Das ist gut bemessen, damit könnte man eine erhebliche Zahl von Patienten versorgen.“

Wie wirkt sich die Einführung auf die Verfügbarkeit von Inkretin-Mimetika aus?

Für Apotheken dürfte auch die Frage interessant sein, wie sich die Markteinführung auf die Verfügbarkeit der derzeit oft knappen Inkretin-Mimetika auswirken wird. Zuletzt hatte etwa Trulicity®-Hersteller Lilly die Möglichkeit der Direktbestellung pausiert und auch Lieferschwierigkeiten in den kommenden Monaten nicht ausgeschlossen. Diese Frage wird sich wohl aber erst im Laufe der zweiten Jahreshälfte klären lassen.

Wie viel und wie schnell kann man mit Wegovy® abnehmen?

In einer Studie verloren Patienten, die begleitend zu Lebensstiländerungen eine Dosis Semaglutid pro Woche erhielten, im Schnitt nach 68 Wochen 14,9 Prozent Gewicht. Die Placebogruppe nahm im gleichen Zeitraum nur 2,4 Prozent ab, wie es im „New England Journal of Medicine“ ´Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity´  hieß. Folgestudien kamen zu vergleichbaren Ergebnissen.

Die Effekte sind aber nach bisherigem Kenntnisstand bei Absetzen des Medikaments nicht von Dauer. „Soweit wir bisher wissen, ist Adipositas eine chronische Krankheit. Das heißt: Wenn man die Behandlung abbricht, nimmt man wieder zu“, sagte der Chef des dänischen Herstellers Novo Nordisk, Lars Fruergaard Jørgensen, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Eventuell könnte es aber nach mehreren Jahren Behandlung auch bleibende Effekte geben, dafür gebe es aber noch keine Belege.

Von der Anwendung durch Normalgewichtige, die zum Beispiel vor einem Strandurlaub ein paar Pölsterchen loswerden wollen, raten Fachleute klar ab. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko stimme dann nicht. „Ein gewissenhafter Arzt würde Normalgewichtigen das Mittel nicht verschreiben“, sagt Aberle. Hinzu kommt die Gefahr, dass Kranke schwerer oder nicht an ihre Medikamente kommen, wenn es einen übermäßigen Run darauf durch Gesunde gibt.

Wer trägt die Kosten?

Kassenpatienten in Deutschland, die Wegovy® nutzen möchten, müssen dafür zunächst selbst bezahlen. Insbesondere Arzneimittel, die der Abmagerung, dem Zügeln des Appetits und zur Regulierung des Körpergewichts dienen, sind nach bisherigen Regelungen von der Verordnungsmöglichkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.

„Die Regelung wird hoffentlich bald geändert, sodass zumindest einige Adipositas-Patienten auf Kassenrezept damit versorgt werden können“, sagt Aberle. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft setzt sich für eine Kostenübernahme in Fällen ein, in denen Wegovy® medizinisch angezeigt ist, etwa wenn andere Therapieoptionen nicht helfen.

Was kostet eine Therapie mit Wegovy®?

Novo Nordisk gibt den Apothekenabgabepreis einer 4-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) mit gut 300 Euro an. Das sei zu viel für Selbstzahler, vor allem weil das Medikament nur so lange wirkt, wie es eingenommen wird, sagt Aberle. 

Der Mediziner rechnet in diesem Jahr auch noch mit Studienergebnissen zu der Frage, inwieweit Wegovy® beim Vorbeugen einiger Adipositas-Folgeerkrankungen hilft. Diese könnten womöglich Argumente für eine Kostenübernahme liefern.

Was sind mögliche Nebenwirkungen von Wegovy®?

In bisherigen Studien berichteten Probanden am häufigsten von Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen. Wegen derartiger Magen-Darm-Nebenwirkungen soll die Dosis des Medikaments über mehrere Wochen bis auf 2,4 mg gesteigert werden. In vier klinischen Studien wurden 2.650 Erwachsene mit Wegovy® behandelt, die Dauer betrug 68 Wochen. 

Der Hersteller nennt auf seiner Webseite auch noch mögliche Nebenwirkungen wie unter anderem Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine, ein Risiko für niedrigen Blutzucker und Sehstörungen bei Typ-2-Diabetikern. 

Der Sicherheitsausschuss der EMA prüft zudem gerade Daten unter anderem zu Wegovy® über das Risiko von Selbstmordgedanken und Gedanken an Selbstverletzung. Allerdings ist laut EMA noch nicht klar, ob die gemeldeten Fälle mit den Arzneimitteln selbst oder mit den Grunderkrankungen der Patienten oder anderen Faktoren zusammenhängen.

Gut zu wissen: 150 Verdachtsmeldungen

Die Überprüfung von Ozempic®, Saxenda® und Wegovy® hat laut EMA-Mitteilung bereits am 3. Juli begonnen und soll jüngst auf andere GLP-1-Rezeptor-Agonisten ausgeweitet worden sein. Bislang sollen den Behörden 150 Berichte über mögliche Fälle von Selbstverletzung und Selbstmordgedanken vorliegen. Ergebnisse der Überprüfung werden für November 2023 erwartet. Ausgelöst wurde die Untersuchung durch die isländische Arzneimittelbehörde. /dm

Wer sollte Wegovy® nicht nehmen? 

Für eine Reihe von Menschen mit bestimmten Erkrankungen ist die Wirksamkeit nicht untersucht, etwa bei Diabetes Typ 1. Während der Schwangerschaft und Stillzeit darf das Präparat nach EMA-Angaben nicht verwendet werden. Wer ein Kind bekommen wolle, müsse Semaglutid mit einem Vorlauf von mindestens zwei Monaten absetzen. 

Laut Hersteller sollen auch jene Menschen Wegovy® nicht bekommen, die schon selbst oder in der Familie eine bestimmte Form von Schilddrüsenkrebs hatten. Das gelte auch bei ernsten allergischen Reaktionen auf Semaglutid oder andere Inhaltsstoffe. 

Der Hersteller weist außerdem darauf hin, dass das Medikament die Wirkweise anderer Medikamente beeinflussen könne, weil es die Magenentleerung verlangsame.

Gibt es Alternativen?

Weitere ähnliche Medikamente dürften hinzukommen, erwartet Aberle. Spätestens Anfang 2024 könnte nach seinen Worten etwa das Typ-2-Diabetes-Medikament Mounjaro® (Tirzepatid) auch für den Einsatz gegen Adipositas zugelassen werden. Es sei in der Adipositas-Therapie nach bisherigen Erkenntnissen noch wirksamer als Wegovy®. Weitere Wirkstoffe seien in der Entwicklung.  

Gut zu wissen: Was ist Tirzepatid?

Tirzepatid ist ein GIP(glucoseabhängiges insulinotropes Peptid)- und GLP-1-Rezeptor-Agonist und damit ein Vertreter einer neuen Substanzklasse. Er wirkt sowohl am GIP-Rezeptor als auch am GLP-1-Rezeptor als Agonist. Durch dieses duale Wirkprinzip wirkt er stärker auf Blutzuckerspiegel und Körpergewicht. Mounjaro® wird subkutan, also ins Unterhautfettgewebe appliziert.