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Neues Migräne-Arzneimittel Aquipta: Zulassungsempfehlung: Atogepant bei Migräne

Eine  junge Frau in einem gelben Pullover hält ihren Kopf mit beiden Händen. Ihr Gesichtsausdruck deutet auf starke Kopfschmerzen hin.
Atogepant (Aquipta) verringert die monatlichen Migränetage signifikant, bei episodischer sowie chronischer Migräne. | Bild: Pixel-Shot / AdobeStock

Für erwachsene Migränepatienten, die an mindestens vier Tagen pro Monat an Migräne leiden, eröffnet sich eine weitere Behandlungsoption: Der Humanarzneimittelausschuss (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) empfiehlt die Zulassung von Atogepant zur Prophylaxe von Migräne. Handelsname soll Aquipta werden. Über die finale Zulassung entscheidet die Europäische Kommission, die in der Regel dem fachlichen Rat der EMA folgt. 

In den Vereinigten Staaten erteilte die FDA (Food and Drug Administration) Atogepant (dortiger Handelsname Qulipta) im September 2021 die Zulassung zur Prophylaxe von episodischer Migräne. Erst im April dieses Jahres erweiterte sie die Indikation, sodass in den USA Atogepant nun zusätzlich zur Vorbeugung von chronischer Migräne angewendet werden darf. 

In der EU soll bereits die erste Zulassung beide Indikationen abdecken. Damit wäre Atogepant das erste „Gepant“, das vorbeugend sowohl bei episodischer wie auch chronischer Migräne angewendet werden darf.

Atogepant als oraler CGRP-Rezeptorantagonist

Atogepant fungiert als oraler Antagonist am CGRP-Rezeptor (Calcitonin Gene-Related Peptide). Das Neuropeptid CGRP zählt zu den wichtigen Zielstrukturen in der Migränetherapie, was sich vor allem auf zwei Beobachtungen stützt: 

So weisen Migränepatienten bei einer Attacke erhöhte CGRP-Spiegel auf. Auch lassen sich bei Migränepatienten durch CGRP-Injektionen Migräneanfälle auslösen. Blockiert man das CGRP-System – direkt CGRP oder den Rezeptor –, lassen sich dessen gefäßerweiternde und schmerzweiterleitende Funktionen unterbinden. Folglich wird die Migräneattacke gestoppt und neue Anfälle ausgebremst.

Atogepant reduziert monatliche Migränetage

Der Zulassungsinhaber AbbVie Deutschland konnte die Wirksamkeit von Atogepant der EMA zufolge in zwei randomisierten, placebokontrollierten klinischen Phase-3-Studien (ADVANCE und PROGRESS) nachweisen. Atogepant reduzierte die monatlichen Migränetage der Studienteilnehmenden sowohl bei episodischer wie auch chronischer Migräne.

Gut zu wissen: ICHD zu chronischer Migräne

Von chronischer Migräne spricht man laut ICHD (International Classification of Headache Disorders) bei einem „Kopfschmerz, der über mehr als drei Monate an 15 oder mehr Tagen/Monat auftritt und der an mindestens acht Tagen/Monat die Merkmale eines Migränekopfschmerzes aufweist“.

Atogepant verringert Tage mit episodischer Migräne ...

In der Studie ADVANCE´12-Week Placebo-controlled Study of Atogepant for the Preventive Treatment of Migraine in Participants With Episodic Migraine´  (veröffentlicht 2021 im „New England Journal of Medicine´Atogepant for the Preventive Treatment of Migraine´ ) erhielten 910 Studienteilnehmende mit episodischer Migräne (vier bis 14 Migränetage pro Monat) entweder 10 mg, 30 mg oder 60 mg Atogepant oder Placebo. Sie litten bei Studienbeginn durchschnittlich an 7,5 bis 7,9 Tagen pro Monat an Migräne. 

Atogepant verringerte diese monatlichen Migränetage signifikant besser als Placebo, und zwar um 

  • 3,7 Tage (10 mg Atogepant), 
  • 3,9 Tage (30 mg Atogepant) und 
  • 4,2 Tage (60 mg Atogepant). 

Die mit Placebo behandelten Patienten berichten lediglich über 2,5 Migränetage weniger im Monat. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Verstopfung und Übelkeit.

 … und chronischer Migräne

In der Studie PROGRESS untersuchte AbbVie die Wirksamkeit von Atogepant bei Menschen mit chronischer Migräne. 778 Teilnehmende erhielten über einen Zeitraum von zwölf Wochen einmal täglich 60 mg Atogepant oder zweimal täglich je 30 mg Atogepant oder Placebo. 

Mit 60 mg Atogepant ließen sich – ausgehend von durchschnittlich 19 Migränetagen pro Monat – die monatlichen Migränetage signifikant besser verringern (–6,8 Tage) als mit Placebo (–5,1 Tage).

Atogepant folgt Rimegepant

Mit Atogepant kommt das zweite „Gepant“ auf den europäischen Arzneimittelmarkt, zumindest formal. Rimegepant (Vydura®) ist bereits seit Ende April 2022 in der Europäischen Union zugelassen (in den Vereinigten Staaten seit Februar 2020), jedoch ist die Schmelztablette bislang in Deutschland nicht erhältlich. Rimegepant war nicht nur der erste Vertreter der neuen Wirkstoffgruppe der „Gepante“. Der orale CGRP-Antagonist ist bislang auch das erste und einzige Arzneimittel, das Patienten sowohl zur akuten als auch zur prophylaktischen Behandlung von Migräne anwenden dürfen.

In den Vereinigten Staaten gibt es seit kurzem auch ein „Gepant“-Nasenspray: Die FDA erteilte im März 2023 ZavzpretTM (Zavegepant) die Zulassung zur Behandlung von Migräne mit oder ohne Aura bei Erwachsenen.