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Bei rheumatoider Arthritis (RA): Niedrig dosiertes Cortison verträglicher als angenommen

Senior hält sich rheumatoides Handgelenk
Die Einnahme von Cortison wird häufig mit dem Auftreten von Nebenwirkungen verbunden. | Bild: pikselstock / AdobeStock

Wenn von Cortison die Rede ist, dürften vielen Menschen erst einmal Nebenwirkungen in den Sinn kommen. Doch wie groß ist das Risiko wirklich und welche Nebenwirkungen sind dabei relevant? 

Forschende, unter anderem der Charité in Berlin, haben sich dieser Frage genähert und in einer Studie untersucht, wie sich Gewicht und Blutdruck von Rheuma-Patienten bei einer Einnahme von niedrig dosierten Glucocorticoiden verändern. 

Gut zu wissen: Cortison oder Glucocorticoid?

Der Begriff Cortison wird umgangssprachlich oft stellvertretend für Substanzen verwendet, die die Wirkung von Cortisol bzw. Cortison nachahmen. Fachlich korrekt ist jedoch die Bezeichnung Glucocorticoide. 

Auswirkungen auf Blutdruck und Gewicht geringer als vermutet

Die Wissenschaftler analysierten Daten von insgesamt mehr als 1.100 Betroffenen mit rheumatoider Arthritis aus fünf abgeschlossenen randomisiert kontrollierten Studien. Dabei stellten sie fest, dass geringe Cortison-Mengen auch bei längerfristiger Einnahme weniger Einfluss auf den Blutdruck und das Gewicht von Rheuma-Patienten haben als oft befürchtet.

Erkrankte, die über zwei Jahre hinweg eine solche Therapie erhielten, nahmen im Schnitt gut ein Kilo mehr zu als nicht damit behandelte Patienten, berichten die Forscher im Journal „Annals of Internal Medicine“. Ein Effekt auf den Blutdruck habe sich nicht gezeigt. 

Wissen über Nebenwirkungen teils veraltet

Die Autoren der Studie schreiben, dass es zweifellos bei mittleren bis hohen Cortison-Dosen verschiedene Nebenwirkungen geben könne. Die Erkenntnisse zu vielen Nebenwirkungen stammten jedoch häufig aus früheren Zeiten, in denen höhere Dosen üblicher waren. Für die heute genutzten geringeren Mengen seien die Daten weniger eindeutig, hieß es. 

Weil Glucocorticoide „so gut gegen die rheumatoide Arthritis helfen, nehmen 30 bis 50 Prozent der Betroffenen sie auch zwei Jahre nach der Diagnose noch – und zwar entgegen den aktuellen medizinischen Leitlinien und Empfehlungen“, schildert Erstautor Andriko Palmowski in einer Charité-Mitteilung. 

Bei Glucocorticoiden andere Nebenwirkungen mehr beachten

Glucocorticoide können allerdings auch eine Reihe weiterer Nebenwirkungen haben, die hier nicht untersucht wurden. 

„Die Ergebnisse unserer Studie machen die Leitlinien nicht obsolet, denn Glucocorticoide können auch andere schwerwiegende Nebenwirkungen wie Osteoporose, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Neigung zu Infektionen mit sich bringen“, sagt Studienleiter Frank Buttgereit (Charité) laut Mitteilung. Für viele Rheuma-Patienten und ihre Ärzte seien aber die Sorge vor einem Anstieg des Blutdrucks und einer Gewichtszunahme wichtige Entscheidungskriterien. Laut der Analyse hätten sie jedoch keine große Relevanz. „Stattdessen sollte die Entscheidungsfindung eher die anderen Nebenwirkungen in den Blick nehmen“, so Buttgereit.

Angst vor Glucocorticoiden aufgrund von Fehlinformationen

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hält auf einer Info-Webseite allgemein zu Cortison bzw. Glucocorticoiden fest, dass die Angst vor einer entsprechenden Behandlung auch heute noch verbreitet sei. „Sie beruht jedoch häufig auf falschen Vorstellungen oder Fehlinformationen.“ 

Das Risiko für Nebenwirkungen sei bei richtiger Dosis und nicht zu langer Einnahmedauer kleiner als die meisten Menschen glauben. Risiken und Nebenwirkungen hingen zudem von der Darreichungsform ab.  Quelle: dpa / mia, sn
Charité Universitätsmedizin Berlin, PM vom 15.08.2023