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Faktencheck: Schlechte Augen durch Lesen im Dunkeln?

Junge liest im Dunkeln unter Bettdecke
Tatsächlich gilt Lesen bei schlechtem Licht bei Kindern als Risikofaktor für eine Kurzsichtigkeit. | Bild: Tomsickova / AdobeStock

„Ohne Fleiß keinen Preis!“ oder „Mit vollem Mund spricht man nicht!“ – solche Sprüche hat sicherlich jeder schon einmal von seinen Eltern gehört. Und in diesen beiden Fällen hatten sie sicherlich auch nicht ganz unrecht. 

Doch wie viel Wahrheit steckt in Eltern-Weisheiten wie: Schiefes Sitzen führt zu einem Buckel, Lesen im Dunkeln macht schlechte Augen und Kaugummi verklebt den Magen? Das klärt dieser Faktencheck.

„Verschluck’ nicht das Kaugummi, das verklebt den Magen!“

Wohin mit dem Kaugummi, wenn kein Mülleimer in Reichweite steht? Kinder schlucken es dann gerne mal runter. Doch ein Gerücht besagt, dass es den Magen verkleben könnte. Was ist dran an dem Mythos?

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselstörungen (DGVS) gibt Entwarnung: „Die Kaugummis kleben nicht im Mund an den Zähnen und beim Schlucken nicht in der Speiseröhre oder den Magenwänden fest. Auch nicht nachfolgend im Dünn- und Dickdarm“, sagt Medizinerin und DGVS-Sprecherin Birgit Terjung.

Aber wieso eigentlich nicht? Schließlich kleben Kaugummis auch unter Schultischen – und aus den Haaren sind sie ohnehin nicht leicht herauszukriegen. „Die Schleimhäute im gesamten Verdauungstrakt sind mit einem Flüssigkeitsfilm überzogen, der dies verhindert“, erklärt Terjung.

Die verdaulichen Bestandteile eines Kaugummis werden durch Säure und Enzyme abgebaut und verkleben nicht den Magen. Die unverdauliche sogenannte Kaugummibase, die die Süßigkeit so klebrig und gummiartig mache, werde mit dem Stuhlgang ausgeschieden.

„Im Dunkeln lesen macht die Augen kaputt!“

Trotz Bettzeit will das Kind noch nicht schlafen – kaum haben die Eltern das Zimmer verlassen, liest es heimlich mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke. Dabei soll das Lesen bei Dunkelheit oder schlechtem Licht die Augen verderben. An dem Mythos scheint etwas dran zu sein. 

„Lesen bei schlechtem Licht im Kindesalter gilt als Risikofaktor für die Entwicklung beziehungsweise Verstärkung einer Kurzsichtigkeit“, sagt Augenmediziner Helbig. In einer Studie der Queensland University of Technology aus dem Jahr 2014 kommen die Forschenden zu dem Schluss: Kinder, die sich länger im Freien bei hellem Licht aufhalten, haben bessere Augen als jene, die das weniger häufig tun. Diese sind dann meist kurzsichtig.

„Sitz gerade, sonst bekommst Du einen Buckel!“

Kinder und Jugendliche lümmeln ganz gern. Lässiges beziehungsweise schiefes Sitzen oder Stehen sieht in ihrer Wahrnehmung cooler aus als eine besonders aufrechte Haltung. Aber bekommt man tatsächlich vom schiefen Sitzen auch einen schiefen Rücken oder gar Buckel? 

Nein, sagt Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). „Ich glaube, sie müssen sehr lange und viel schief sitzen, um einen Buckel zu bekommen. Das kommt nicht davon, wenn sie mal einen Nachmittag schief an den Hausaufgaben sitzen.“

Um Rückenproblemen vorzubeugen, sei nicht unbedingt eine perfekte Körperhaltung wichtig. Vielmehr gehe es darum, ausreichend Bewegung im Alltag zu haben, sagt Kladny. „Der Mensch ist eben ein Lauftier, kein Faultier.“ Es brauche Muskulatur zu Stabilisierung der Wirbelsäule – und dafür ist Bewegung wichtig. Von der alleinigen Idee der richtigen Sitz- und Stehhaltung im Sinne eines geraden Rückens müsse man Abstand nehmen.

„Wenn Du noch länger absichtlich schielst, bleiben Deine Augen mal so stehen!“

Kinder ziehen gerne mal Grimassen und dazu gehört auch das Schielen mit den Augen. Aber wer wirklich davon betroffen ist, kann das nicht einfach so steuern. Das Schielen ist eine meist beständige oder immer wieder auftretende Fehlstellung eines oder beider Augen, wie der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) schreibt. Die Augen schauen dabei nicht in die gleiche Richtung. Schielen sei nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern oft mit einer schweren Sehbehinderung verbunden.

„Eine vorübergehende, absichtliche, bewusste, meist angestrengte Schielstellung führt zu Doppeltsehen, aber im Allgemeinen nicht zu bleibenden Schäden“, sagt Augenarzt Horst Helbig vom Universitätsklinikum Regensburg. 

Im Übrigen sei das Babyschielen mit wechselnder Augenstellung in den ersten sechs Lebensmonaten ohnehin häufig. Wenn die Kinder aber danach weiter schielen, sollten sie Helbig zufolge schnellstmöglich zu einem Augenarzt – damit sich keine irreversiblen Sehschwächen ausbilden.

Damit wir räumlich sehen können, müssen beide Augen auf dieselbe Stelle schauen. Dem BVA zufolge entsteht dabei in beiden Augen jeweils ein geringfügig unterschiedliches Bild. Diese beiden Bilder schmelzen dann im Gehirn zu einem Seheindruck zusammen.

Bei schielenden Menschen treffen die Sehachsen nicht auf dieselbe Stelle. „Der Unterschied der beiden Bilder, den die Augen liefern, wird zu groß. Sie können im Gehirn nicht mehr richtig zur Deckung kommen“, schreibt der Verband. Dadurch ist keine räumliche Wahrnehmung möglich und die Betroffenen sehen störende Doppelbilder. Quelle: dpa / mia