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Migräne: Kein Zusatznutzen für Lasmiditan

Frau fasst sich mit beiden Händen an die Schläfe
Lasmiditan wird bei Erwachsenen zur akuten Behandlung von Migräne eingesetzt. Doch wirkt es besser als Triptane bzw. Ibuprofen? | Bild: goodluz / AdobeStock

„Ein Zusatznutzen ist nicht belegt“, erklärt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) – es geht um das neue Migräne-Arzneimittel Lasmiditan (Rayvow®). Zugelassen ist Lasmiditan in der EU seit dem 17. August 2022, und zwar für Erwachsene zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase von Migräneanfällen mit oder ohne Aura.

Gut zu wissen: Wie wirkt Lasmiditan?

Wie auch Triptane wirkt Lasmiditan agonistisch an Serotoninrezeptoren (Serotonin = 5-Hydroxytryptamin, 5-HT), das heißt, es wirkt dort wie der körpereigene Botenstoff Serotonin. Allerdings adressieren die Wirkstoffe unterschiedliche Subtypen der Serotoninrezeptoren: 

  • Triptane binden an 5-HT1B/1D-Rezeptoren und
  • Lasmiditan bindet an 5-HT1F-Rezeptoren.

Diese unterschiedliche Selektivität wirkt sich auf die Nebenwirkungen aus: Triptane verengen Blutgefäße (vasokonstriktorischer Effekt), da sich die angesprochenen 5-HT1B-Rezeptoren auch an Blutgefäßen finden – anders als 5-HT1F-Rezeptoren (Lasmiditan). 

Die Folge: Patienten mit einem Schlaganfall oder Herzinfarkt in der Krankheitsgeschichte, mit ausgeprägtem Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung (KHK) oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) dürfen Triptane nicht anwenden. Für diese Patienten könnte folglich Lasmiditan eine Behandlungsoption sein, denn der Wirkstoff war in den Zulassungsstudien kardiovaskulär sicher. 

Die S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ sieht derzeit den therapeutischen Platz für Lasmiditan erst als Reserve und für Patienten, deren akute Migräneattacken auf Analgetika, NSAR oder Triptane nicht ansprechen oder falls diese nicht vertragen werden. An erster Stelle einer akuten Migränebehandlung stehen Schmerzmittel und Triptane.

Nachdem bereits das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Juli dieses Jahres nach wissenschaftlicher Bewertung des Dossiers keinen Zusatznutzen für Lasmiditan gesehen hatte, war der Beschluss des G-BA zu erwarten gewesen. Warum?

Direkte Vergleichsstudien fehlen

Der G-BA beziehungsweise das vom G-BA beauftragte IQWiG verglich Lasmiditan mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie von akuter Migräne mit Triptanen (Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan) und NSAR (Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen). Allerdings fehlen vergleichende Studien, die den neuen Migräne-Wirkstoff direkt gegen die bewährten Triptane und NSAR an Migränepatienten geprüft hätten. 

In den Zulassungsstudien hatte Lilly, das pharmazeutische Unternehmen hinter Rayvow®, Lasmiditan lediglich gegen Placebo untersucht. Deswegen erklärte bereits das IQWiG: „Da für die Nutzenbewertung keine relevante Studie vorliegt, ergibt sich kein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Lasmiditan gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, ein Zusatznutzen ist damit nicht belegt.“

In indirekten Vergleichen ähnlich wirksam wie Triptane

Auch wenn direkte Vergleichsstudien fehlen, gibt es laut der S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ zumindest Untersuchungen, die die Wirkstoffe indirekt gegeneinander verglichen haben: „In indirekten Vergleichen ist es ähnlich wirksam wie die Triptane und besser wirksam als die Gepante. Lasmiditan kann eingesetzt werden bei Patienten, bei denen NSARs nicht wirksam sind und die Kontraindikationen für Triptane haben“, liest man dort.

Deutlich teurer als Triptane

Der G-BA-Beschluss zur Nutzenbewertung katapultiert Lilly nicht gerade in eine optimale Ausgangsposition für die Preisverhandlungen von Rayvow® mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). 

Derzeit berechnet der G-BA die Jahrestherapiekosten für Lasmiditan zwischen 21,25 Euro und 2.177,40 Euro. Bei Eletriptan beispielsweise reicht die Spanne von 3,16 Euro bis 274,60 Euro (berechnet auf Basis von 1 bis 60 Migräneattacken pro Jahr).