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Neue Grenzwerte für Nitrat und Nitrit: Was sind Nitrosamine und wo kommen sie vor?

Wust- und Käseplatte
In zahlreichen Fleisch-, Wurst- und Käseprodukten, aber auch in manchen pflanzlichen Nahrungsmitteln, sind Nitrosamine enthalten. | Bild: Маргарита Медведева / AdobeStock

Nitrosamine sind chemisch gesehen organische Verbindungen, die in ihrer Struktur eine funktionelle Nitrosogruppe -N=O aufweisen. Diese Verbindungen können bereits in Nahrungsmitteln, Tabakerzeugnissen sowie Gummi- und Latexprodukten enthalten sein. 

Nitrosamine können sich aber auch selbst im Körper bilden: Denn immer dann, wenn Amin-Verbindungen wie Aminosäuren auf Nitrit-Anionen (NO2-) treffen, können diese zu Nitrosaminen reagieren. 

Auch Nitrat-Anionen (NO3-) tragen zur Entstehung von Nitrosaminen bei, denn Nitrate können im Körper enzymatisch in Nitrit umgewandelt werden. 

Cancerogene Wirkung in Tierversuchen

In zahlreichen Tierversuchen weisen Nitrosamine eine eindeutig krebserzeugende Wirkung auf, das gilt sowohl für die orale Applikation als auch nach inhalativer Aufnahme. Es ist also davon auszugehen, dass die Substanzen auch im menschlichen Körper krebsauslösend wirken. 

Im Stoffwechsel werden aus Nitrosaminen äußerst reaktive Verbindungen wie Methylkationen gebildet. Diese können mit der Erbsubstanz Desoxyribonukleinsäure (DNA) reagieren und dadurch zur Entstehung von Tumoren beitragen. 

Nach heutigem Kenntnisstand der Wissenschaft gibt es für Nitrosamine keine unbedenklichen Mengen. Jede aufgenommene Dosis kann bereits schädlich sein. 

Aufnahme hauptsächlich über Lebensmittel

Der Mensch kommt vor allem durch die Ernährung mit Nitrosaminen in Berührung. Bestimmte Fleisch- und Wurstprodukte sowie Fischerzeugnisse können relativ hohe Mengen an Nitrosaminen enthalten. 

Tierische Lebensmittel enthalten eine Vielzahl an verschiedenen Amin-Verbindungen, die unter dem Einfluss sogenannter Nitrosierungsmittel (z. B. bestimmte Stickoxide) in Nitrosamine umgewandelt werden. Solche Nitrosierungsmittel können bei starkem Erhitzen der Nahrungsmittel entstehen, wie etwa beim Grillen, Braten oder Räuchern. 

Des Weiteren können Amin-Verbindungen – wie zuvor beschrieben – auch mit Nitrit-Anionen zu Nitrosaminen reagieren. Beispielsweise ist Natriumnitrit ein Lebensmittelzusatzstoff (E 250) und dient zur Konservierung, ebenso wie Natriumnitrat (E 251).

Neue Grenzwerte für Nitrat und Nitrit als Zusatzstoffe

Um die Belastung durch krebserregende Stoffe wie Nitrosamine zu senken, hat die EU-Kommission kürzlich neue Grenzwerte für Nitrat und Nitrit festgelegt. Diese gelten immer dann, wenn die Verbindungen als Zusatzstoffe zu einem Lebensmittel zugesetzt werden, z. B. Natriumnitrit bzw. Natriumnitrat zur Konservierung. 

Diese auch als Pökelsalze bezeichneten Salze sind in zahlreichen Fleisch-, Fisch- und auch Käseprodukten enthalten. Früher diente der Zusatz dieser Salze vorrangig zur Hemmung des Wachstums des Bakteriums Clostridium botulinum. Heutzutage werden die Zusatzstoffe überwiegend zur Rotfärbung und Aromabildung zugesetzt. 

Die Werte an Nitriten und Nitraten müssen künftig um 20 Prozent niedriger liegen. Die Lebensmittelhersteller haben zwei Jahre Zeit, um ihre Produkte an die neuen Grenzwerte anzupassen.

Nitrosamine entstehen auch in pflanzlichen Lebensmitteln

Auch im Rahmen einer rein pflanzlichen Ernährung können Nitrosamine aufgenommen werden. Ebenso wie tierische Lebensmittel enthalten pflanzliche Nahrungsmittel zahlreiche Amin-Verbindungen. Nitrat-Salze nimmt die Pflanze aus dem Boden über die Wurzeln auf. Nitrate sind auch in Düngern enthalten und stellen für die Pflanze eine wichtige Stickstoffquelle dar, beispielsweise zum Aufbau von Proteinen und Nukleinsäuren. Nicht benötigtes Nitrat kann in der Pflanze gespeichert werden. 

Bestimmte Salat- und Gemüsesorten wie Rucola, Kohlrabi, Rettich, Radieschen, Rote Beete und Spinat enthalten relativ hohe Mengen an Nitrat. Das Nitrat kann innerhalb der Pflanze oder im Körper bei der Verdauung zu Nitrit umgewandelt werden und mit den Aminen zu den gefährlichen Nitrosaminen reagieren. 

Allerdings enthalten pflanzliche Nahrungsmittel häufig auch Antioxidantien wie Ascorbinsäure, die die Bildung von Nitrosaminen unterdrücken können.

Gut zu wissen: Wie kann die Aufnahme von Nitrosaminen über Lebensmittel verringert werden?

  • Gepökelte und geräucherte Lebensmittel möglichst selten verzehren.
  • Lebensmittel mit Pökelsalz sollten nicht gebraten oder gegrillt werden.
  • Wurstwaren ohne Nitritpökelsalz bevorzugen.
  • Nitratreiches Gemüse am besten aus Freilandanbau und während der Saison kaufen, dann ist der Nitrat-Gehalt meist niedriger.
  • Bio-Gemüse enthält weniger Nitrate als Gemüse aus konventionellem Anbau.

Wie sieht es mit dem Trinkwasser aus?

Aus dem Boden können Nitrat-Salze auch ins Trinkwasser gelangen, der Grenzwert liegt hier bei 50 mg pro Liter. Wasser mit höherer Konzentration an Nitrat darf nicht als Trinkwasser verwendet werden. 

Für Nitrit liegt der erlaubte Wert deutlich niedriger bei 0,1 mg pro Liter Trinkwasser. Spuren von Nitrosaminen können ebenfalls im Trinkwasser enthalten sein, meist sind sie Nebenprodukte der Desinfektion oder gelangen über Schadstoffe aus der Umwelt hinein.

Nitrosamine in Arzneimitteln

Im Sommer 2018 wurden Nitrosamine in Arzneimitteln gefunden, den Anfang machte dabei die Substanz Valsartan. Der Wirkstoff gehört zu den Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten und wird bei Patienten mit Hypertonie und Herzinsuffizienz eingesetzt. 

Die Herstellerfirma von Valsartan hatte damals das Syntheseverfahren geändert woraufhin sich als Nebenprodukt das Nitrosamin N-Nitrosodimethylamin (NDMA) bilden konnte. 

Gut zu wissen: Wie kamen Nitrosamine in den Wirkstoff?

Zahlreiche Sartane enthalten in ihrer Strukturformel einen sogenannten Tetrazolyl-Rest. Zum Aufbau dieses heterocyclischen Rings mit insgesamt vier Stickstoff-Atomen wurde das Salz Natriumazid im Lösungsmittel Dimethylformamid eingesetzt. Um überschüssiges Natriumazid zu zerstören, wurde Natriumnitrit dazugegeben. 

Problematisch war nun, dass sich das Lösungsmittel mit der Zeit zu einer Amin-Verbindung zersetzen konnte. Durch die gleichzeitige Anwesenheit von Natriumnitrit konnten sich so die gefährlichen Nitrosamine wie N-Nitrosodimethylamin (NDMA) bilden. 

Im früher eingesetzten Herstellungsverfahren wurde kein Natriumazid eingesetzt und somit konnten sich auch keine Nitrosamine bilden. Der Sartan-Hersteller hatte das Verfahren geändert, um höhere Ausbeuten zu erzielen und die Reaktionszeiten insgesamt zu beschleunigen.

Für die nur in geringen Mengen vorkommenden Nitrosamine gab es zunächst keine zuverlässigen quantitativen Nachweisverfahren. Mittlerweile existieren dazu zahlreiche Methoden, unter anderem die Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung (GC-MS), die nun auch in den Arzneibüchern zu finden ist. Mittels Gaschromatographie werden die zu untersuchenden Proben zunächst aufgetrennt und dann quantitativ im Massenspektrometer bestimmt.

Zahlreiche weitere Wirkstoffe betroffen

Im Laufe der Zeit wurden Nitrosamine auch in allen anderen Sartanen mit Tetrazolyl-Rest wie Irbesartan und Olmesartan gefunden, später auch in weiteren Wirkstoffen. So wurde N-Nitrosodimethylamin in Ranitidin gefunden, das Nitrosamin entstand dabei während der Lagerung aus der Substanz selbst. Aus diesem Grund ruht derzeit die Zulassung aller Ranitidin-haltigen Arzneimittel. 

Hersteller von Sartan-haltigen Arzneimitteln müssen mittlerweile im Rahmen der Herstellung Nachweise auf Nitrosamine durchführen. Dabei dürfen bestimmte Grenzwerte nicht überschritten werden. 

Nitrosamine spielen auch bei Hilfsstoffen eine Rolle

Arzneimittel mit bedenklichen Inhaltsstoffen dürfen nach § 5 Arzneimittelgesetz (AMG) nicht abgegeben werden. In solchen Fällen gilt die Verpflichtung zur unverzüglichen Belieferung einer ärztlichen Verschreibung nicht. 

Dies gilt selbstverständlich auch für Rezepturarzneimittel: Eine Zubereitung mit einem bedenklichen Inhaltsstoff darf in der Apotheke nicht hergestellt werden.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) stellt regelmäßig eine Zusammenstellung mit bedenklichen Rezepturgrundstoffen vor und veröffentlicht diese in der pharmazeutischen Fachpresse. 

Als bedenkliche Stoffe sind auf dieser Liste auch Amine und Triethanolamin (ausgenommen zur äußerlichen Anwendung ≤ 2,5 %) aufgrund einer möglichen Bildung von Nitrosaminen zu finden. Insbesondere der basische Hilfsstoff Triethanolamin wurde zahlreich zur Anhebung des pH-Werts bei der Herstellung von Carbomergelen oder Stearatcremes eingesetzt. Triethanolamin lässt sich in den meisten Fällen problemlos durch die Substanz Trometamol ersetzen, hierbei besteht keine Gefahr der Nitrosaminbildung. Quellen;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/10/10/nitrosamine-in-lebensmitteln;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/07/05/was-ist-n-nitrosodimethylamin/chapter:2;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2022/daz-24-2022/uebeltaeter-hilfsstoffe
https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Rapid-Alert-System/Valsartan/_node.html;
https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/schadstoffe-lebensmitteln/was-sind-nitrosamine-wie-kann-ich-sie-meiden;
https://www.ages.at/mensch/ernaehrung-lebensmittel/rueckstaende-kontaminanten-von-a-bis-z/nitrat-und-nitrit