Aktuelles
5 min merken gemerkt Artikel drucken

Nirsevimab und Palivizumab: Wann erstatten Krankenkassen RSV-Antikörper?

Säugling erhält Pflaster auf den Arm von einem Arzt
Nirsevimab darf zum Schutz vor RSV-Erkrankungen Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern während ihrer ersten RSV-Saison verabreicht werden. | Bild: Prostock-studio / AdobeStock

Nirsevimab (Beyfortus®): Zugelassen (Oktober 2022) ist der Antikörper zum Schutz vor RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus)-Erkrankungen der unteren Atemwege bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern während ihrer ersten RSV-Saison. Damit ist die Indikation für Nirsevimab deutlich breiter gefasst als für den ersten und seit Jahren verfügbaren RSV-Antikörper Palivizumab (Synagis®). 

Denn: Palivizumab dürfen lediglich Frühgeborene (in der 35. Schwangerschaftswoche oder früher) und Kleinkinder unter zwei Jahren mit bestimmten Vorerkrankungen (bronchopulmonale Dysplasie, hämodynamisch signifikanter Herzfehler) erhalten.

Gut zu wissen: Wann ist RSV-Saison?

Das Robert Koch-Institut (RKI) nennt die Monate November bis April als Hauptzeit für RSV-bedingte Erkrankungen, auch der G-BA bezeichnet diese Monate als RSV-Saison. 

RSV-Infektionen sind häufig: 50 bis 70 Prozent aller Kindern machten in ihrem ersten Lebensjahr eine RSV-Infektion durch, bis Ende des zweiten Lebensjahres seien es „nahezu alle“, schreibt das RKI.

Dieser Zulassungsvorteil wird sich auf die Erstattung jedoch nicht auswirken. Wie auch bei Palivizumab erachtet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Nirsevimab lediglich für bestimmte Kinder mit einem hohen Risiko für einen schweren RSV-Verlauf für sinnvoll. Der G-BA hat die Gelegenheit genutzt und auch die 2008 beschlossenen Therapiehinweise für Palivizumab neu gefasst. Welche Kinder dürfen RSV-Antikörper nun zulasten der Krankenkasse erhalten?

Nur für Risikokinder

In seinem aktualisierten Therapiehinweis erachtet der G-BA die Gabe der RSV-Antikörper Nirsevimab und Palivizumab als wirtschaftlich für Kinder mit hohem Risiko für schwere Infektionsverläufe, die zum Anfang der RSV-Saison maximal zwei Jahre (Palivizumab) bzw. ein Jahr (Nirsevimab) alt sind. Ebenso für Kinder, 

  • die wegen bronchopulmonaler Dysplasie begleitende therapeutische Maßnahmen innerhalb der letzten sechs Monate vor Beginn der RSV-Saison benötigten – wie zusätzlichen Sauerstoff, Steroide, Bronchodilatatoren oder Diuretika –,
  • mit hämodynamisch relevanten Herzfehlern (z. B. relevante Links-rechts- und Rechts-links-Shunt-Vitien und Patienten mit pulmonaler Hypertonie oder pulmonalvenöser Stauung) oder
  • mit Trisomie 21.

Zudem hält der G-BA RSV-Antikörper „unter wirtschaftlichen Aspekten noch vertretbar“ für  

  • Kinder im Alter von ≤ 6 Monaten bei Beginn der RSV-Saison, die als Frühgeborene bis zur vollendeten 35. Schwangerschaftswoche (SSW; 34 (+6)) geboren wurden.

„Ausnahmsweise“ und „im Einzelfall“ könnten Ärzte Palivizumab oder Nirsevimab auch Kindern verordnen, die nicht zu oben genannten Risikogruppen gehören, wenn diese ein „vergleichbares Risiko für einen schweren Infektionsverlauf“ hätten, räumt der G-BA ein.

Nirsevimab: Warum nicht für alle Kinder?

Zwar weiß der G-BA, dass die passive Immunisierung mit Nirsevimab, wenn der Antikörper vor einer RSV-Infektion gegeben werde, eine Erkrankung der unteren Atemwege verhindern oder abschwächen könne – „eine generelle Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für solche Wirkstoffe zur Prävention sieht der Gesetzgeber jedoch nicht vor“, erklärt der G-BA. Deswegen könne der G-BA in seinem Therapiehinweis – „trotz einer weitergehenden Zulassung von Nirsevimab“ – definieren, bei welchen Patienten RSV-Antikörper in den Bereich der medizinischen Vorsorgeleistung oder Krankenbehandlung fallen, da sie „ein hohes Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf“ hätten. 

Und weiter: „Bei Kindern ohne besondere Risikofaktoren ist die Gefahr eines schwerwiegenden Erkrankungsverlaufs – und damit auch der potenzielle Nutzen der Antikörpergabe – gering.“ Deswegen sind die Voraussetzungen für eine Verordnung unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben.

So konnte Nirsevimab bei gesunden Kindern, die ab der vollendeten 29. Schwangerschaftswoche geboren waren, Krankenhausaufenthalte verringern. Doch erlaube dies keine Rückschlüsse auf die Reduzierung der Sterblichkeit. Auch Palivizumab reduziert dem G-BA zufolge lediglich die Hospitalisierungsrate und nicht die Sterblichkeit.

Gabe von Nirsevimab und Palivizumab im Vergleich

Ein Vorteil von Nirsevimab im Vergleich zu Palivizumab ist seine längere Wirkdauer: Eine einmalige Gabe für die gesamte RSV-Saison genügt. Die Kosten berechnet der G-BA mit 1.350,03 Euro pro Saison. 

Palivizumab hingegen erhalten die zu schützenden Kinder monatlich – die Krankenkassen kommen für fünf Dosen auf –, und die Kosten liegen pro RSV-Saison zwischen 5.332,94 Euro und 14.131,30 Euro, je nach Gewicht des Kindes. 

Die Anwendung von Nirsevimab ist der Fachinformation zufolge nach der ersten RSV-Saison nicht möglich – die Zulassung umfasst nur die erste RSV-Saison nach der Geburt. Bei Palivizumab sei der Nutzen eines zweiten Behandlungszyklus nicht belegt, erklärt der G-BA, da dies laut Fachinformation nicht Ziel der Studie war.

Keine aktive RSV-Impfung für Kinder

Eine aktive Impfung gegen RSV für Kinder gibt es derzeit nicht. Zwar haben jüngst zwei Aktiv-Impfstoffe die EU-Zulassung erhalten – Abrysvo® und Arexvy –, doch sind diese lediglich für Erwachsene zugelassen. 

Arexvy und Abrysvo® dürfen ab 60-Jährige erhalten. Abrysvo® hat zudem eine Zulassung zur aktiven RSV-Impfung von Schwangeren zwischen den Schwangerschaftswochen 24 bis 36 – da die Mutter die auf die Impfung gebildeten Antikörper in den letzten Schwangerschaftswochen an ihr Baby weitergibt, schützt die Schwangerenimpfung auch das Neugeborene vor RSV (Nestschutz).