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Eule oder Lerche: Warum sind wir morgens so müde?

Müde Frau schläft auf Arbeitsplatte und gießt Kaffee aus Kanne
Ob man nur müde oder noch nicht ganz wach ist, hängt mit der Hirnaktivität zusammen. | Bild: lenaivanova2311 / AdobeStock

Ob man morgens müde oder besonders leistungsfähig ist, hängt nicht nur damit zusammen, ob man eine anstrengende Nacht ohne Schlaf hinter sich hat. Viele Menschen gehören zum Chronotyp der sogenannten Eulen: Sie sind in den späteren Tagesstunden besonders aktiv, wohingegen sie am Morgen einige Zeit benötigen, um richtig in Gang zu kommen. 

Diese morgendliche Müdigkeit steht in direktem Zusammenhang mit einem Ungleichgewicht im Gehirn. Wissenschaftler konnten in einer Untersuchungsreihe feststellen, ob man „nur“ müde oder noch nicht ganz wach ist.

Eulen und Lerchen: Worin sich die Chronotypen unterscheiden

Menschen haben eine genetische innere Uhr, die den natürlichen Schlaf-wach-Rhythmus bestimmt. Doch häufig kann diese nicht richtig wahrgenommen werden, da der Mensch in der heutigen Zeit aufgrund von Arbeit sowie anderen Verpflichtungen an einen festen Tageszeitplan gebunden ist. Gäbe es diesen nicht, würde sich schnell zeigen, wer eher zu den Eulen oder Lerchen gehört. 

Eulen können sich abends besser konzentrieren und sind zu später Stunde leistungsfähiger. Morgens schlafen sie gerne länger oder es fällt ihnen schwer, auf der Arbeit pünktlich ab 8 Uhr die volle Leistung abzuliefern. 

Bei Lerchen verhält es sich genau andersherum. Sie sind vor allem in den Morgenstunden leistungsfähig und können einer Besprechung deutlich aufmerksamer folgen.

Leistungsfähigkeit abhängig von Signalverarbeitung im Gehirn

Hohe Leistungsfähigkeit ist das Ergebnis eines optimalen Zusammenspiels von hemmenden und aktivierenden (erregenden) Signalen im Gehirn. Erregende Signale führen dazu, dass ein Reiz weitergeleitet wird. Wichtige Informationen werden also verstärkt. Hemmende Signale behindern dagegen die Weiterleitung eines Reizes, sodass Unwichtiges abgeschirmt wird. 

Im Zustand optimaler Leistungsfähigkeit kann das Gehirn Hintergrundgeräusche (zum Beispiel Autolärm auf der Straße) sehr gut herunterregeln, sodass es sich besser auf wichtige Dinge fokussieren kann. Die Konzentration auf die Haupttätigkeit fällt so besonders leicht. 

Eule: Gehirn verarbeitet morgens Signale langsamer

Ein Forscherteam der Universität Dortmund um Mediziner und Psychologe Michael Nitsche beschäftigt sich mit den verschiedenen Formen von Müdigkeit. So haben die Forscher in einer Untersuchungsreihe die Hirnaktivität von Probanden morgens um 8 Uhr und abends um 19 Uhr gemessen und mit den Aussagen verglichen, wann die Personen sich produktiver fühlten. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden im Fachjournal „elife“ publiziert.

Um das Gleichgewicht von Hemmung und Erregung im Gehirn zu erfassen, wurde den Probanden ein Gerät auf den Kopf gesetzt, über welches die Signalwege gemessen wurden. Die Apparatur sendet elektromagnetische Signale ans Gehirn und kann umgekehrt zum Beispiel Bewegungsreize wie ein unwillkürliches Zucken der Hand auslösen. Durch die Messung der Hirnaktivität kann zwischen „müde“ und „noch nicht ganz wach“ unterschieden werden. 

So zeigten die Untersuchungen, dass die morgendliche Müdigkeit einer Eule nichts mit Schlafmangel oder Ähnlichem zu tun hat. Es wurde gezeigt, dass die Signalweiterleitung bei den Eulen am Morgen weniger gut funktioniert als am Abend. 

Die erregenden Nervenzellen sind morgens träger und verarbeiten Signale langsamer. Das führt dazu, dass sich eine Person auf die eigentliche Hauptaufgabe schlechter konzentrieren kann. Im Laufe des Tages verbessert sich die Reizweiterleitung schrittweise und erreicht am späten Nachmittag bzw. Abend ihren Höhepunkt. 

Das Gehirn eines Menschen mit Chronotyp Eule ist morgens also nicht müde, sondern lediglich noch nicht ganz wach. Bei den Lerchen verhält sich dies genau umgekehrt.

Bei Müdigkeit ist Gehirn überreaktiv

Im Unterschied dazu ist das Gehirn von wirklich müden Menschen überreaktiv. Das Einschlafen fällt trotz starker Müdigkeit eher schwer, da Gedanken im Kopf kreisen oder eine innere Unruhe herrscht. 

Das zeigen auch die Untersuchungen des Forscherteams aus Dortmund. Hierzu setzten die Forscher die Probanden auf nächtlichen Schlafentzug, um morgens die Hirnströme zu messen. Im Ergebnis wurde deutlich: Es benötigt nur einen sehr geringen Reiz, um eine bestimmte Bewegung, wie das Zucken eines Fingers, auszulösen.

Die hemmenden Signalwege sind also besonders aktiv. Das Blockieren unwichtiger Signale sowie das Filtern störender Nebengeräusche fällt dem Gehirn bei Schlafmangel zunehmend schwer. 

Die Folgen sind leichte Reizbarkeit, mangelnde Konzentration sowie ein typischer „Lärm“ im Kopf, welcher das Einschlafen stört. 

Gehirn muss nicht konstant leistungsfähig sein

Der Unterschied zwischen „müde“ und „noch nicht ganz wach“ lässt sich im Alltag kaum erkennen, denn Betroffene verhalten sich mitunter ganz ähnlich. Um eine konstant hohe Leistungsfähigkeit zu erzielen, greifen viele zu Hilfsmitteln wie Kaffee und anderen koffeinhaltigen Getränken. 

Inwieweit diese sinnvoll sind, muss individuell beurteilt werden. Tatsächlich ist es sogar gut, dass unser Gehirn nicht durchgehend optimal leistungsfähig ist. Denn das schützt die Zellen und wirkt regenerierend. So können Tagträume also durchaus wichtig für die Gehirngesundheit sein.