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Pilzinfektionen: Tödliche Verläufe nehmen zu

Frau hat auf Zunge Mundsoor
Pilzinfektionen wie Mundsoor werden häufig unterschätzt. | Bild: Alessandro Grandini / AdobeStock

In der Regel kann ein Gesunder mit einem gut funktionierenden Immunsystem eine Pilzinfektion abwehren. In der Apotheke laufen uns oftmals „nur“ Fuß- und Nagelpilz, eine vaginale Pilzinfektion oder auch einmal ein ungefährlicher Hautpilz über den Weg. 

Für einen immungeschwächten, vorerkrankten Körper stellen solche humanpathogene Pilze aber ein wirkliches Problem dar. Eine neue Studie zeigt, dass sie besonders für immunsupprimierte Patienten zu den häufigsten Todesursachen gehören.

Pilzinfektionen: Studie alarmiert

Infektionsmediziner und Mykologe David Denning von der University of Manchester sammelte dafür Zahlen von offiziell diagnostizierten Pilzinfektionen aus den Jahren 2010 bis 2023 (aus 120 Ländern) und verglich diese mit Todeszahlen und Überlebensraten von behandelten und unbehandelten Infizierten. 

Das Ergebnis: Jährlich sterben aktuell 3,8 Millionen Menschen an einer Pilzerkrankung. Noch vor elf Jahren lag diese Zahl bei circa 2 Millionen Toten pro Jahr. Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich die Zahl der Pilzinfektionen mit Todesfolge also nahezu verdoppelt.

„Pilze sind den Daten zufolge inzwischen für 6,8 Prozent aller Todesfälle weltweit verantwortlich.“

Mykologe David Denning

Pilzinfektionen bleiben oft unentdeckt

Dabei ist der Pilz oftmals nicht Auslöser der Krankheit, sorgt aber für eine deutliche Verschlechterung der Vorerkrankung und des Allgemeinzustandes der Patienten, nicht selten mit einem tödlichen Ausgang. Der Wissenschaftler warnt, die Dunkelziffer von tödlich verlaufenden Infektionen sei hoch. 

Das Problem: die mangelnde Diagnostik. Testkits für Pilzinfektionen stehen oft nicht zur Verfügung, werden unzureichend genutzt oder zeigen teilweise falsch negative Ergebnisse. Das heißt, oftmals wird eine Pilzerkrankung erst erkannt, wenn Medikamente schon keine ausreichende Wirkung mehr erzielen können. 

Großes Risiko für immungeschwächte Patienten

Besonders gefährdet sind unter anderem Menschen mit Aids. Beinahe die Hälfte aller Aids-assoziierten Todesfälle wird mit einer Pilzinfektion in Verbindung gebracht, die oft unerkannt und damit unbehandelt bleibt. 

Auch bei circa einem Drittel aller Patienten, die an einer Lungenschädigung durch Tuberkulose oder Rauchen verstorben sind, wurde zusätzlich ein Pilz gefunden. Vor allem Schimmelpilze der Art Aspergillus stellen für Lungenerkrankte eine Gefahr dar. Schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen sterben laut Denning pro Jahr an diesem Erreger.  

Eine andere Pilzart, nämlich Candida, birgt ein ähnlich hohes Risiko für immungeschwächte Menschen. Nach größeren Operationen oder bei Diabetikern mit Nierenversagen gewinnen diese Hefen schnell die Überhand. 

Sie überwinden die Darmwand und breiten sich im Blut aus. Die sonst ungefährlichen Körperbewohner sorgen so für eine lebensbedrohliche systemische Mykose. Weltweit sterben rund eine Million Menschen jährlich an einer Candida-Infektion.

Gut zu wissen: Diese humanpathogenen Pilze gibt es

  • Dermatophyten: Fadenpilze, die oberflächliche Mykosen auf Haut, Haaren und Nägeln hervorrufen
    Wichtige Vertreter: Trichophyton-Arten und Epidermophyton floccosum
  • Hefen: Bestandteil der natürlichen Darmflora, bei Immunsupprimierten möglich: Mykose der Schleimhäute des Gastrointestinaltrakts und Windeldermatitis (Candidosen). Wichtige Vertreter: Candida-Arten
  • Schimmelpilze: Fadenpilze, die selten und vor allem bei immunsupprimierten Wirten zu dermalen und systemischen Mykosen führen können (Aspergillose)
    Wichtige Vertreter: in erster Linie Aspergillus-Arten

Infektionsgefahr: Neue Pilzarten breiten sich aus

Die WHO warnt vor weiteren Erregern, die auf dem Vormarsch sind: eine Infektion mit Candida auris, einem Hefepilz, der relativ neu entdeckt ist, kann für vorerkrankte Patienten ein Multiorganversagen zur Folge haben. 

Der Pilz breitet sich rapide aus und die Zahl der Infizierten sowie Todesfälle steigt. Ähnlich verhält es sich mit dem sogenannten schwarzen Pilz, der sich aktuell besorgniserregend schnell in Indien ausbreitet.  

Denning erklärt die Corona-Pandemie als eine der möglichen Ursachen für die Häufung der potenziell lebensbedrohlichen Infektionen. Immungeschwächte Patienten wie Diabetiker wurden in dieser Zeit weniger häufig untersucht, um sie vor COVID-19 zu schützen. Zudem wurden viele der Corona-Infizierten mit Steroiden behandelt, was die Immunantwort gegen Erreger zusätzlich abschwächt.  

Resistenzen erschweren die Behandlung

Auch der zu großzügige Einsatz von Antimykotika und Fungiziden im Krankenhaus, aber auch in anderen Sektoren wie z. B. der Landwirtschaft, ermöglicht es den Pilzen, sich immer wieder anzupassen und Resistenzen zu entwickeln. 

Aktuell stehen uns nur drei Hauptklassen von Antimykotika zur Verfügung. Und so, wie es seit Jahren bei Antibiotika gepredigt wird, nämlich, dass leichtfertige und teilweise unnütze Anwendungen solcher Antiinfektiva Resistenzen fördern, so verhält es sich eben auch bei den Pilzen. 

Gut zu wissen: Welche Antimykotika* gibt es?

  1. Polyene: fungizid, breites Wirkspektrum, wenig Resistenzen
    aber: sehr toxisch. Wichtige Vertreter sind:
    • Amphotericin B (nur i. v., sehr nephrotoxisch, daher liposomale Formulierung zum Abschwächen der Nierentoxizität)
    • Nystatin (oral nicht resorbiert, z. B. bei Mundsoor oder vaginalen Candidosen)
  2. Azole: fungistatisch, z. T. auch fungizid, breites Wirkspektrum, liquorgängig
    aber: schlechte Verträglichkeit, viele Arzneimittelinteraktionen bei systemischer Anwendung
    • Triazole: systemische Anwendung möglich
      Vertreter: Fluconazol, Voriconazol, Itraconazol, Posaconazol u. a.
    • Imidazole: nur zur Lokaltherapie geeignet
      Vertreter: Clotrimazol, Ketoconazol, Bifonazol, Miconazol u. a.
  3. Echinocandine: bei Candida fungizid, bei Aspergillus fungistatisch, intravenös verabreicht, breites Wirkspektrum, höhere Verträglichkeit als die anderen Klassen
    aber: fehlende Liquorgängigkeit, Hepatotoxizität, hohe Therapiekosten
    • Anidulafungin: Zugelassen für die systemische Candidose bei nicht neutropenischen Patienten
    • Caspofungin: Einsatz v. a. bei systemischer Candidose, Reservemedikament bei Aspergillose
    • Micafungin: Anwendung bei ösophagealer Candidose und Prophylaxe von Candida-Infektionen nach Stammzelltransplantation und bei protrahierter Neutropenie

Weitere Antimykotika:

  • Ciclopirox: lokale Pilzinfektionen (Onychomykose = Nagelpilz)
  • Allylamine
    • Naftifin: auch antiinflammatorisch/antibakteriell, topische Anwendung (Haut- und Nagelpilz)
    • Terbinafin: Creme oder Tabletten bei Tinea (Hautpilz) und Nagelpilz (z. B. wenn Lokaltherapie versagt)
  • Amorolfin: bekannt aus Nagellack bei Onychomykose

*Nur einige wichtige Vertreter, Liste unvollständig

Pilzinfektionen: frühe Diagnose wichtig

„Wir müssen die Pilze ernst nehmen“, sagt Denning. Eine frühzeitige Diagnostik und ein gezielter Einsatz von Antimykotika können helfen, den aktuellen Trend abzuwenden. 

Pilze werden immer zu unserem Leben gehören, sie sind um uns herum, überall, auf und sogar in uns. Wir müssen lernen, sie als Gefahr für eben jene ernst zu nehmen, die vorerkrankt sind, und Diagnoseverfahren und Therapie anpassen. Quellen:

https://www.n-tv.de/wissen/Wenn-Pilzinfektionen-toedlich-werden-article24685264.html

https://www.focus.de/gesundheit/news/immer-mehr-menschen-sterben-an-einer-pilzinfektion_id_259603563.html

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1473309923006928?via%3Dihub

https://flexikon.doccheck.com/de/Antimykotikum