Aktuelles
4 min merken gemerkt Artikel drucken

Mehr psychosomatische Beschwerden bei Kindern

Schulmädchen sitzt erschöpft vor Hausaufgaben
Schulkinder plagen zunehmend Kopf- und Bauchschmerzen sowie Schlafstörungen. | Bild: Louis-Photo / AdobeStock

Bei Schulkindern in Deutschland haben Beschwerden wie Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen, Einschlafprobleme und Niedergeschlagenheit über die Jahre stark zugenommen. Das ist ein Ergebnis der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC). 

„42 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen haben angegeben, dass sie vielfältige psychosomatische Beschwerden haben. Das ist ein Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zur Befragung von 2017/18“, sagt Soziologin und Studienautorin Franziska Reiß mit Verweis auf die jüngste Befragung von 2022. 

Gut zu wissen: Was steckt hinter der HBSC-Studie?

Für die HBSC-Studie werden alle vier Jahre 11- bis 15-Jährige befragt. Insgesamt beteiligten sich 6.500 Kinder und Jugendliche in Deutschland an der jüngsten Erhebung in 2022. 

Die HBSC-Studie wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt, in Deutschland befasst sich ein Studienverbund an mehreren Standorten damit.

Psychosomatische Beschwerden aufgrund gesellschaftlicher Krisen

Der erfasste Anstieg sei enorm, insbesondere in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, so Reiß. Anfang der 2000er Jahre zeigten Erhebungen noch, dass Kinder und Jugendliche ihre Gesundheit weitestgehend positiv einschätzten.  

Doch der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat die über zwei Jahrzehnte beobachteten positiven Entwicklungen negativ beeinflusst. Vor allem der Verlust der sozialen Kontakte und zunehmende familiäre Konflikte hatten die jungen Menschen belastet.  

Auch aus anderen Studien ist bekannt, dass psychische Belastungen in dieser Zeit stark zugenommen hatten. Weitere gesellschaftliche Krisen wie Kriege, die Finanz- und Energiekrise nehmen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Geschlechterunterschiede beim gesundheitlichen Wohlbefinden

Die HBSC-Studie zeigt Geschlechter- und Altersunterschiede in der subjektiven Gesundheitseinschätzung und dem Wohlbefinden. Insgesamt hätte der Großteil der Befragten von einem „eher guten“ Gesundheitszustand berichtet, schreiben die Autoren. Ältere Jugendliche sowie Mädchen und Gender-diverse hätten jedoch seltener davon berichtet als jüngere Jugendliche und Jungen.

Diese Unterschiede ergaben sich auch in der Befragung zur Lebenszufriedenheit. Der Großteil der Heranwachsenden hätte von einer hohen Lebenszufriedenheit berichtet (86,3 %), wobei Jungen im Vergleich zu Mädchen und Gender-diversen insgesamt die höchste Lebenszufriedenheit gezeigt hätten. Bei Mädchen hat die Lebenszufriedenheit im Studienzeitraum (2009/10 bis 2022) mit steigendem Alter abgenommen, bei Jungen blieb sie weitgehend stabil.

Die Geschlechterunterschiede könnten darin begründet liegen, dass Mädchen durch hormonelle Veränderungen in der Pubertät eine erhöhte Stress-Sensitivität aufweisen, erklären die Studienautoren. Denkbar sei auch, dass Mädchen durch die gesellschaftliche Sozialisierung stärker als Jungen dazu ermutigt werden, emotionale Empfindungen wahrzunehmen, auszudrücken und zu kommunizieren.

Psychosomatische Beschwerden häufiger bei älteren Jugendlichen

Mit zunehmendem Alter sinkt bei Kindern und Jugendlichen das (gesundheitliche) Wohlbefinden. Bei der HBSC-Befragung in 2022 gab bereits die Hälfte der 15-Jährigen an, dass ihre psychosomatischen Beschwerden wöchentlich auftreten. 

Zur Erinnerung: Was sind psychosomatische Beschwerden?

Bei psychosomatischen Beschwerden können seelische (psychische) Belastungen wie Stress, Ängste oder Sorgen körperliche Symptome wie Bauch- oder Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Verdauungsprobleme hervorrufen.

Konkret gefragt wurden die Minderjährigen, wie häufig sie in den vergangenen sechs Monaten zum Beispiel Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen hatten. Auch Niedergeschlagenheit, Nervosität und Einschlafprobleme wurden abgefragt. 

Altersgerechte Gesundheitsförderung nötig

Zusammenfassend stellen die Autoren der HBSC-Studie heraus, dass die Ergebnisse unter anderem aufzeigten, welche Auswirkungen die pandemiebedingten Einschränkungen im alltäglichen Leben auch noch zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie auf die Gesundheit und das subjektive Wohlbefinden von Heranwachsenden haben.  

Auf Basis der Studienerkenntnisse raten die Wissenschaftler, insbesondere Mädchen, Gender-diverse und ältere Jugendliche bei (Präventions-)Maßnahmen für die psychische Gesundheit anzusprechen. Bestehende Maßnahmen sollten überprüft und angepasst werden, um dem bestehenden Alters- und dem sich ausweitenden Geschlechterunterschied entgegenzuwirken. Quellen: dpa, Journal of Health Monitoring: Die Kinder- und Jugendgesundheitsstudie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) der Weltgesundheitsorganisation – Nationale Survey-Ergebnisse 2022 und Trends, Ausgabe März 2024