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MS: Warum Sport aus­drücklich empfohlen wird

Vier Personen mittleren Alters dehnen sich beim Yoga
Je nach Sportart können bestimmte MS-Symptome gelindert werden. | Bild: LIGHTFIELD STUDIOS / AdobeStock

Es gab Zeiten, da galt die Erkrankung Multiple Sklerose (MS) als eine Art Bürde, die die Betroffenen ertragen mussten. Die vielen unterschiedlichen Symptome der autoimmunen entzündlichen Erkrankung des Zentralen Nervensystems führten bei vielen Erkrankten zu fortschreitenden körperlichen Beeinträchtigungen, dem Erschöpfungssyndrom Fatigue und mit dem sogenannten Uhthoff-Phänomen auch noch zu einer Verschlechterung der Symptome beim Anstieg der Körpertemperatur.

Sport jeder Art schien damit für Betroffene praktisch unmöglich zu sein. Behandelnde rieten eher dazu sich zu schonen und versuchten mit den verschiedensten Methoden, das Fortschreiten der Symptome zu verlangsamen.

Heute sieht man das anders. Neben einer Vielzahl neuer Behandlungsmöglichkeiten mehren sich seit etwa Mitte der 1990er-Jahre wissenschaftliche Studien, die zeigen konnten, dass Sport nicht nur nicht schadet, sondern im Gegenteil sogar sehr geeignet ist, eine Vielzahl der Symptome deutlich zu verbessern.

Wie hilft Sport gegen die Symptome von MS?

Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft hat unter anderem zusammengestellt, welche positiven Effekte Sport auf verschiedene Symptome von MS hat. So ist eine positive Wirkung belegt bei:

  • Spastiken
  • Fatigue
  • Schwächung der Muskulatur
  • Ataxie
  • Psychologischen Aspekten
  • Sozialen Aspekten

Bei MS: Sport hat auch psychischen Nutzen

Gegen Spastiken, die zu Bewegungseinschränkungen führen können, wird Sport etwa in den Leitlinien „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ausdrücklich als Therapie empfohlen. „Aktives Bewegen“ hilft dabei, eine mögliche Verkürzung von Muskeln und Sehnen zu verhindern.

Etliche Studien konnten auch zeigen, dass Sport insbesondere einer Fatigue entgegenwirken kann. Eine leichte Ermüdung beim Sport ist dabei sogar gewollt. Im Gegenteil kann Bewegungsmangel eine Fatigue sogar verstärken.  

Außerdem hat sich gezeigt, dass vor allem Sportarten, die auf das achtsame bewusste Ausüben von Bewegungsabläufen ausgerichtet sind, Ataxien, also den durch die Nervenschädigung ausgelösten Störungen der Bewegungskoordination, entgegenwirken können. 

Daneben heißt es übereinstimmend, dass Sport die Lebensqualität der Betroffenen verbessern kann – und das nicht nur durch die Verbesserung der Symptome. Auch psychologische Faktoren, die ohnehin Sport ganz allgemein zugeschrieben werden, sorgen bei den MS-Erkrankten für positive Gefühle: beispielsweise eine Steigerung des Selbstwertgefühls oder das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wenn etwa sportliche Ziele erreicht werden. 

Hinzu kommen soziale Aspekte, wenn z. B. Sport in der Gruppe betrieben wird, neue Kontakte geknüpft werden und die Erkrankten wieder mitten im Leben mit anderen gemeinsam stehen können.

Welche Sportarten sind bei MS möglich?

In einer französischen Arbeit aus dem Jahr 2017, die sich u. a. damit beschäftigte, welche Sportarten für MS-Betroffene möglich sind, heißt es: „In der Praxis sind die meisten Sportarten möglich und keine ist verboten. Sie sollten lediglich an die Behinderung des Patienten angepasst werden, und es sollte eine persönliche Betreuung erfolgen, idealerweise durch professionelle Trainer.“

Etliche Sportarten haben dabei spezifische positive Aspekte, Schwimmen und Wassersportarten etwa bei Spasmen, Bewegungslehren wie Tai Chi etwa bei Ataxien – grundsätzlich haben aber auch z. B. Klettern oder Reitsport positive Wirkung und sind je nach individueller Beeinträchtigung möglich.

Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) listet ausführlich von A wie Aqua-Gymnastik über G wie Golf, T wie Tauchen bis zu Y wie Yoga auf, welche besonderen positiven Aspekte einzelne Sportarten für MS-Erkrankte haben können.

MS: Was Betroffene beim Sport beachten müssen

Auch wenn Sport MS-Betroffenen ausdrücklich empfohlen wird, gibt es einige grundsätzliche Einschränkungen und Regeln. So empfiehlt die DMSG eine „moderate Intensität der sportlichen Aktivität“. Überanstrengung sollte vermieden werden. 20 bis 60 Minuten pro Tag Bewegung, entweder als Sporteinheit oder verteilt über den Tag in Einheiten von 8 bis 10 Minuten, empfehlen die Experten und ein regelmäßiges, kontinuierliches Training.

Die amerikanische „National MS Society“ empfiehlt, MS-Betroffene „unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Symptomschwankungen“ zu mindestens 150 Minuten pro Woche Bewegung und/oder mindestens 150 Minuten pro Woche „körperlicher Aktivität im Lebensstil“ anzuregen. Wenn die Behinderung zunehme und körperliche Aktivität eine größere Herausforderung darstelle, sei Hilfe durch Spezialisten angeraten – sowie bei starker Einschränkung der körperlichen Mobilität Unterstützung der Übungen durch einen geschulten Assistenten.

Grundsätze für Sport bei Multipler Sklerose

Laut DMSG sollten MS-Betroffene folgende Punkte beim Sport beachten:

  • mit leichten und einfachen Bewegungs- und Trainingsformen beginnen
  • sicherstellen, dass bei auftretenden Symptomen sofort reagiert werden und das Training jederzeit unterbrochen bzw. die Intensität verringert werden kann
  • das aktuelle Empfinden vor jeder Trainingseinheit einschätzen und eine angemessene Trainingsintensität wählen
  • zuerst die Dauer einer Aktivität, dann die Häufigkeit, danach erst die Intensität steigern
  • keine zu starke Ermüdung provozieren und gut auf die Signale des Körpers hören
  • angemessene Kleidung tragen, nicht in der Mittagshitze trainieren und Möglichkeiten zur Kühlung bereithalten
  • Flüssigkeitsverlust ausgleichen

Auch das Uhthoff-Phänomen ist kein Hinderungsgrund. Es gilt als eher harmlos und die Auswirkungen gehen nach 30 Minuten bis maximal rund zwei Stunden zurück. Besonders Wassersportarten, bei denen entstehende Körperwärme vom Wasser abgeleitet wird, könnten Betroffenen hierbei helfen, heißt es in verschiedenen Studien.

Kann Sport das ZNS sogar vor MS schützen?

Neben der positiven Wirkung von Bewegung und Sport auf Symptome bei MS sowie die Lebensfreude gibt es auch Hinweise darauf, dass etwa gezieltes Krafttraining unter Umständen das Voranschreiten von Multipler Sklerose aufhalten könnte.

In einer Studie konnten dänische Forscher bereits 2017 zeigen, dass gezieltes Krafttraining „eine Zunahme der kortikalen Dicke“, also eine Zunahme der äußeren Schicht des Gehirns, bewirkte. Laut der Forschenden könne dies darauf hindeuten, dass gezieltes Krafttraining bei schubförmig remittierender MS eine neuroprotektive oder sogar neuroregenerative Wirkung haben könnte.

Auch einige neuere Arbeiten deuten in diese Richtung, weitere Forschung ist aber noch notwendig.

Sport ist hilfreich bei Multipler Sklerose

Sportliche Betätigung wird mittlerweile bei Multipler Sklerose ausdrücklich empfohlen. Grundsätzlich sind alle Sportarten möglich, einige haben aber bestimmte Vorteile hinsichtlich der Verbesserung von Symptomen sowie der Lebensqualität.

Grundsätzlich sollte Überanstrengung vermieden werden und die Intensität der sportlichen Aktivität auf die eigene körperliche Leistungsfähigkeit abgestimmt werden. Bei stärkerer körperlicher Beeinträchtigung kann eine persönliche Assistenz helfen.

Einiges deutet darauf hin, dass sportliche Aktivität sogar neuroprotektive Effekte haben kann und das Voranschreiten der MS aufhalten kann. Quellen:
https://flexikon.doccheck.com/de/Uhthoff-Ph%C3%A4nomen
https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/ms-und-sport
https://www.dgn.org/leitlinie/diagnose-und-therapie-der-multiplen-sklerose-neuromyelitis-optica-spektrum-erkrankungen-und-mog-igg-assoziierten-erkrankungen
https://doi.org/10.12775/QS.2025.39.58920 https://www.frontiersin.org/journals/public-health/articles/10.3389/fpubh.2024.1387658/full
https://journals.lww.com/acsm-csmr/fulltext/2017/07000/the_practice_of_sport_in_multiple_sclerosis_.17.aspx
https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1352458520915629
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28752800/
https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1352458520969099