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HIV-Prophylaxe: Neun Fragen zur PrEP

Rund 40.000 Menschen nahmen die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zum Schutz vor HIV Ende 2024 ein. Bei der Beratung zur HIV-PrEP gibt es dennoch viele Fragen – neun davon haben wir einmal genauer unter die Lupe genommen:
Was ist die HIV-Präexpositionsprophylaxe?
In Deutschland haben manche Menschen ein höheres Risiko, sich mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) zu infizieren als andere. Dazu gehören Männer, die Sex mit Männern haben, aber in keiner oder einer offenen Beziehung sind, sowie Transpersonen. Auch Sexarbeiter gehören dazu.
Doch es gibt einen Schutz für sie: Die HIV-Präexpositionsprophylaxe, kurz PrEP genannt. Seit September 2019 übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) für Risikogruppen alle Kosten der Prophylaxe. Fast immer ist die PrEP ein Kombinationspräparat aus Emtricitabin und Tenofovir (TDF/FTC; Truvada® und Generika).
Ende 2024 nahmen rund 40.000 Menschen in Deutschland die PrEP ein, das geht aus Berechnungen des Projekts „Surveillance der HIV-PrEP in Deutschland“ des Robert Koch-Instituts hervor. Für dieses Projekt hat das Bundesgesundheitsministerium die Finanzierung zum Ende des Jahres 2024 beendet. Ob die alten Berechnungsmethoden für das Jahr 2024 noch exakt waren, ist fraglich. Gut möglich, dass heute mehr Menschen die PrEP zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen.
Einnahme der HIV-PrEP: Was ist zu beachten?
Zugelassen ist die Einnahme einer Tablette täglich. Die relativ großen Tabletten sollten möglichst zu einer Mahlzeit eingenommen werden. Laut Fachinformation ist es auch möglich, sie in circa 100 ml Wasser, Orangen- oder Traubensaft aufgelöst zu trinken.
Nicht zugelassen, aber dennoch verbreitet, ist bei Männern zudem die anlassbezogene Einnahme. Autoren wiesen in der französisch-kanadischen Ipergay-Studie nach, dass bei Männern auch folgendes Einnahmeschema wirksam ist: zwei bis 24 Stunden vor dem geplanten ungeschützten Verkehr sind zwei Tabletten einzunehmen, und an den zwei darauffolgenden Tagen jeweils eine Tablette (2+1+1). Auch die gültige S2k-Leitlinie „HIV-Präexpositionsprophylaxe“ klärt darüber auf.
Achtung: Genügend Daten über die Wirksamkeit des anlassbezogenen Einnahmeschemas 2+1+1 gibt es nur für Analsex. Von der anlassbezogenen Einnahme ist daher Frauen oder Transpersonen dringend abzuraten, wenn sie sich mit der PrEP vor einer HIV-Infektion bei vaginalem Verkehr schützen wollen.
Außerdem ist es wichtig, sich in den ersten Tagen nach Beginn der Einnahme zusätzlich mit einem Kondom zu schützen. Denn: Ab wie vielen Tagen der Einnahme die PrEP effektiv schützt, ist nicht bekannt.
Wie funktioniert die HIV-PrEP?
Bei Emtricitabin (FTC) handelt es sich chemisch um ein fluoriertes Thiacytidin-Derivat. TDF steht für Tenofovirdisoproxilfumarat. Beide Wirkstoffe sind Prodrugs (Vorstufen) aus der Klasse der Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren, die im Körper zum Nukleotid phosphoryliert werden.
Unsere Zellen machen beide Wirkstoffe also zu DNA-Baustein-Imitatoren. Dadurch baut das Virus HIV die Moleküle FTC und TDF in sein Enzym reverse Transkriptase ein, was es für seine Vervielfältigung braucht. TDF/FTC blockieren das Enzym, wodurch sich das Virus nicht mehr vermehren kann.
In der Praxis klappt das recht effektiv: In der in Großbritannien durchgeführten Proud-Studie mit 545 Männern sank das relative Risiko, an HIV zu erkrankten, durch TDF/FTC um 86 %.
Wie sicher ist die PrEP?
Den bisher vorliegenden Studien zufolge gilt die PrEP mit TDF/FTC als relativ sicher. Zu Beginn der Einnahme berichten manche Patienten über Übelkeit oder Verdauungsbeschwerden, die in der Regel abklingen. In Studien ist die Wirkstoffkombination mit Nierenfunktionsstörungen und Veränderungen der Knochendichte in Verbindung gebracht worden. Das schien allerdings in der Mehrzahl der Fälle klinisch nicht bedeutsam zu sein.
Allerdings sollten Patienten mit Nierenfunktionsstörungen – genauer einer glomerulären Filtrationsrate eGFR von weniger als 60 ml/min – die PrEP nicht einnehmen. Daher wird bei den PrEP-Checks alle drei Monate die Nierenfunktion überprüft.
Wechselwirkungen können dann ein Problem sein, wenn die anderen Wirkstoffe ebenfalls über die Niere ausgeschieden werden oder die Niere schädigen können. Laut Fachinformation betrifft dies Aminoglycoside, Amphotericin B, Vancomycin, Foscarnet, Ganciclovir, Pentamidin, Cidofovir oder Interleukin-2. Sie sollten nicht gleichzeitig mit Emtricitabin/Tenofovir angewendet werden – es sei denn, Mediziner können die Nierenwerte engmaschig überwachen.
Schützt die HIV-PrEP auch vor anderen Geschlechtskrankheiten?
Nein – die HIV-PrEP schützt nicht vor anderen Geschlechtskrankheiten. Diese Information ist wichtig, denn viele Menschen nutzen die PrEP gerade deswegen, um Geschlechtsverkehr auch ohne Kondom haben zu können.
Richtig ist aber auch: Zu einer PrEP-Verordnung gehören die sogenannten PrEP-Checks. Damit sind vierteljährlich zu wiederholende Untersuchungen beim verordnenden Arzt gemeint. Dabei wird die Nierenfunktion sowie der HIV-Status überprüft und auf Hepatitis B und C, Gonorrhoe sowie Chlamydien getestet. Werden diese Checks regelmäßig wahrgenommen, kennt man seinen Gesundheitsstatus besser im Vergleich zu vielen Menschen, die die PrEP nicht nutzen.
Wer kann die HIV-PrEP verordnen?
PrEP-verordnende Ärzte findet man vor allem in den Ballungsräumen. In vielen ländlichen Gebieten sind die nächsten Verordner fern. Nutzer müssen dann weite Strecken für die regelmäßigen Termine auf sich nehmen.
Dabei dürfen die PrEP nicht nur Infektiologen verordnen, sondern auch Hausärzte, die eine Genehmigung von ihrer Kassenärztlichen Vereinigung erhalten haben. Diese bekommen sie, wenn sie bei einer HIV-Schwerpunktpraxis hospitieren und einen Test absolvieren.
Warum verordnen trotzdem so wenige die PrEP? Das liegt laut Betroffenen und Infektiologen auch am Tabu rund um Sexualität und HIV. Manchmal scheuen sich Hausärzte, die sexuelle Gesundheit anzusprechen, und manchmal die Patienten.
GKV oder PKV: Welche Rolle spielt der Versicherungsstatus bei der PrEP-Verordnung?
Anders als bei den gesetzlichen Krankenkassen liegt die PrEP bei den privaten Krankenversicherungen (PKV) außerhalb der üblichen Tarifbedingungen. Allerdings hat der PKV-Verband eine Rahmenvereinbarung mit den verschreibenden Medizinern geschlossen. Die Versicherer, die diese Vereinbarung unterzeichnet haben, übernehmen die PrEP als Leistung. Jedoch nicht alle. Es lohnt sich, den Versicherer vorab zu kontaktieren.
Probleme können auch dann auftreten, wenn PrEP-Nutzer von der GKV zur PKV wechseln wollen. Wenn sie im Aufnahmeantrag angeben, dass sie die PrEP aktuell einnehmen oder in den letzten Jahren eingenommen haben, lehnen die meisten Versicherer den Antrag ab.
Nur ein einziger PKV-Anbieter in Deutschland nimmt aktuell aktive PrEP-Nutzer in eine private Krankenversicherung auf. Mehrere große PKV-Anbieter begründeten dies damit, dass aus versicherungsmathematischer Sicht die Risiken nicht kalkulierbar seien.
Ist die PrEP in der Apotheke lieferbar?
Zurzeit ja. Anfang August listete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Lieferengpässe von zwei TDF/FTC-Produkten, daher sollten genügend Alternativen verfügbar sein. Das war schon einmal drastischer: Die PrEP-Versorgung litt Ende 2023 und Anfang 2024 unter einem dramatischen Engpass. Damals waren fast keine der Produkte mehr erhältlich.
Laut den Verordnungsdaten, die das Robert Koch-Institut auswertete, brachen in dieser Zeit die Verschreibungen mit TDF/FTC um 50 % ein. Viele Mediziner berieten sich damals mit PrEP-Nutzern, die täglich Tabletten einnehmen, dass sie auf die anlassbezogene Einnahme wechseln könnten, oder rieten zum HIV-Schutz mit Kondom.
Denn die oberste Priorität lag bei der Versorgung der HIV-infizierten Patienten, für deren Therapie auch oft TDF/FTC benötigt wird. Immerhin können wir auf die Erfahrungen aus dieser Zeit zurückgreifen, sollte das Problem wieder auftreten.
Werden immer noch PrEP-Mittel entwickelt?
In der Tat. Erst Ende Juli 2025 empfahl die Europäische Arzneimittelagentur, ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Lenacapavir zur PrEP zuzulassen. Das Besondere daran: Es muss nur zweimal im Jahr gespritzt werden.
Den bisherigen Studien zufolge ermöglichte es fast einen vollständigen Schutz vor einer HIV-Infektion. Das könnte vor allem in ärmeren Ländern, in denen HIV verbreiteter und der Zugang zur medizinischen Versorgung weiter entfernt ist, wertvoll beim Kampf gegen HIV werden.
Der Haken dabei sind die hohen Kosten. In Europa verhandelt nun der Hersteller Gilead mit den Regierungen über die Erstattungspreise.
Wird die „PrEP-Spritze“ künftig trotz eines wahrscheinlich enorm hohen Preises allen Nutzern zur Verfügung stehen? Oder nur solchen Patienten, die etwa wegen einer schlechten Nierenfunktion TDF/FTC nicht einnehmen können? All das steht noch in den Sternen. Quellen:
- Surveillance der HIVPrEP-Versorgung in Deutschland. Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts vom 28. November 2024, www.rki.de
- HIV-Präexpositionsprophylaxe. Deutsch-Österreichische S2k-Leitlinie unter Federführung der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG). AWMF-Registernummer: 055-008, Stand: 21. März 2024
- McCormack S et al. Pre-exposure option for reducing HIV in the UK. ISRCTN 2012, https://doi.org/10.1186/ISRCTN94465371
- Bundesministerium der Gesundheit: Gesetzlicher Anspruch für HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Stand: 2. Juni 2025, www.bundesgesundheitsministerium.de
- Evaluation der Einführung der HIV-Präexpositionsprophylaxe als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (EvE-PrEP). Abschlussbericht des Robert Koch-Instituts, veröffentlicht im Dezember 2021, www.rki.de
- Mrusek M. PrEP auf Rezept: Wer darf sie verordnen? Ärztezeitung 2019, Artikel vom 6. August, www.aerztezeitung.de
- Fachinformation für Truvada® 200 mg/245 mg Filmtabletten. Stand: Februar 2024
- dm. Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil – Aidshilfe bittet um Feststellung des Versorgungsmangels. Deutsche Apotheker Zeitung 2024, News vom 23. Januar, www.deutsche-apotheker-zeitung.de
- Stützle J. Lenacapavir zur Zulassung empfohlen. Deutsche Apotheker Zeitung 2025, News vom 28. Juli, www.deutsche-apotheker-zeitung.de