COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Curevac-Impfstoff: Ist eine Zulassung noch realistisch?

Weißes Schild mit Curevac-Schriftzug vor Gebäude
Was sind die Stärken und Schwächen des COVID-19-Impfstoffs von Curevac? | Bild: IMAGO / ULMER Pressebildagentur

Curevac vertritt in der Öffentlichkeit die Position, dass an der lediglich 47-prozentigen Wirksamkeit seines COVID-19-Impfstoffkandidaten CVnCoV die mittlerweile zahlreich zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten verantwortlich sind. Manche Wissenschaftler denken jedoch eher, es könnte am Impfstoff selbst – der unmodifizierten mRNA und der Dosis – liegen. PTAheute hat mit Professor Peter Kremsner von der Universitätsklinik Tübingen gesprochen. Der Infektiologe und Tropenmediziner hat die Studie zu CVnCoV geleitet. Warum wirkte der Curevac-Impfstoff nur mäßig gut, was denkt er?

„Es liegt an der Dosis“

Für Kremsner steht fest: Die Varianten sind nicht schuld. Es liegt an der Impfstoffdosis. Zur Erinnerung: Curevac dosiert CVnCoV mit 12 µg pro Dosis, Biontech/Pfizer setzt hingegen 30 µg mRNA ein, Moderna sogar 100 µg. Warum wurde aber nicht höher dosiert? Kremsner erklärt: „Wir konnten nicht höher als 12 µg dosieren. Da waren wir – was die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes angeht – am Anschlag.“ Er geht davon aus, dass die sodann eingesetzte mRNA-Menge letztlich einfach zu wenig immunogen war und den Körper zu wenig zur Antikörperproduktion angeregt hat. Auch Kremsner hatte natürlich gehofft, dass das Konzept der natürlichen, unmodifizierten mRNA, wie Curevac sie verwendet, funktioniert oder sogar besser wirkt als mRNA-Impfstoffe, die auf modifizierte mRNA setzen – wie Biontech/Pfizer und Moderna. Allerdings seien die „Wirksamkeitsdaten nun sehr deutlich“, sagt der Infektiologe.

Welche Nebenwirkungen traten auf?

Doch wie sahen die Nebenwirkungen aus, die ein höheres Dosieren bei CVnCoV unmöglich machten? Laut Kremsner traten keine ungewöhnlichen Impfstoffnebenwirkungen auf: Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Fieber und Abgeschlagenheit. Alles Nebenwirkungen, die auch bei anderen Corona-Impfstoffen beobachtet werden. Auffällig war jedoch, dass tatsächlich jeder Geimpfte über unerwünschte Impfwirkungen berichtete, die Nebenwirkungsrate habe bei 100 Prozent gelegen. Vor allem bei jüngeren Studienteilnehmern seien die unerwünschten Ereignisse sehr ausgeprägt gewesen.

Bessere Impfeffektivität bei natürlicher mRNA?

Hätte man von CVnCoV aber eigentlich nicht sogar eine bessere Impfeffektivität erwartet als bei den anderen mRNA-modifizierten Impfstoffen? Denn: Natürliche mRNA gilt als immunogener. Allerdings kann der Schuss mit der höheren Immunogenität wohl auch nach hinten losgehen, wenn natürliche mRNA bestimmte Signalmoleküle (unter anderem Interferone) anregt, die wiederum T-Helferzellen und die Bildung von neutralisierenden Antikörpern bremsen könnten. Nach Ansicht von Kremsner ist das „wahrscheinlich der Grund“, dass CVnCoV nur zu mäßigen Antikörperspiegeln im Blut führte, „wir können es aber noch nicht genau sagen“, ergänzt er.

47 Prozent Wirksamkeit – ist eine Zulassung ausgeschlossen?

Noch ist die Zulassungsstudie von Curevac nicht endgültig ausgewertet – die finalen Ergebnisse will Curevac bis in zehn Tagen liefern. Bislang lautet das vorläufige Ergebnis: 47 Prozent Wirksamkeit – die WHO fordert jedoch 50 Prozent Wirksamkeit für die Zulassung von Corona-Impfstoffen. Kann sich das Ergebnis denn auch nach der finalen Auswertung noch so weit ändern, dass die 50-Prozent-Grenze erreicht wird? Nach Einschätzung von Kremsner ist das durchaus im Bereich des Möglichen: Im besten Fall geht Kremsner von etwa 60 Prozent Impfeffektivität aus, im schlechtesten Falle von 30 Prozent – und selbst dann sei CVnCoV „zulassbar“, sagt er. Denn: Ob CVnCoV zugelassen werde oder nicht, entschieden alleine die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) – diese empfiehlt eine Zulassung nach wissenschaftlicher Einschätzung – und die Europäische Kommission, die die Zulassung letztendlich erteilt. Ob die EMA eine Zulassung befürwortet, kann Kremsner zum jetzigen Zeitpunkt natürlich auch nicht wissen, doch er zeigt sich recht zuversichtlich: „Ich nehme an, eher schon“, sagt er.  
Zudem gibt es auch die Möglichkeit, dass einzelne Länder rein nationale Zulassungen anstreben, so wie Ungarn es auch beim russischen COVID-19-Impfstoff Sputnik V getan hat – dieser ist in der EU nicht zugelassen, wohl aber national in Ungarn. 

Keine Empfehlung mehr für AstraZeneca

Skeptisch steht Kremsner mittlerweile dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca gegenüber. Warum? Vaxzevria® habe schon immer die schlechteste Wirksamkeit gehabt. Der Infektiologe erinnert an die Studienergebnisse, wo Vaxzevria® auf 60 Prozent Impfwirksamkeit kam, verglichen mit etwa 95-prozentigen Impfeffektivitäten der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe. Gerade zu Beginn der Pandemie, als Impfstoffe knapp waren, hielt Kremsner den Einsatz von Vaxzevria® noch für gerechtfertigt. Doch nun könne man auf drei andere Impfstoffe zurückgreifen, die mittlerweile auch in ausreichender Menge produziert würden: „Vaxzevria® ist zu schlecht wirksam – und bei Varianten noch schlechter –, während Biontech/Pfizer und Moderna hier standhalten“, erklärt Kremsner seine Position. Auch der Johnson & Johnson-Impfstoff sei „gut“, ergänzt er. Kritisch sieht Kremsner auch die „relativ schlechte“ Verträglichkeit der AstraZeneca-Vakzine.

Gemischte Impfserien aus Vektorimpfstoff und mRNA-Impfstoff

Was Kremsner gut findet, sind gemischte Impfserien, bei denen nach einer ersten Impfung mit einem Vektorimpfstoff die zweite Dosis mit einer mRNA-Vakzine erfolgt. Erste Daten sind bereits veröffentlicht, denen zufolge heterologe Impfserien zwar etwas mehr Nebenwirkungen zeigen, aber es gibt auch Hinweise, dass dafür die Immunantwort besonders gut sein soll. Als guten Vektorimpfstoffpartner kann sich Kremsner die Johnson & Johnson-Vakzine vorstellen: „Die Wirksamkeit liegt nach einmaliger Johnson & Johnson-Impfung bereits bei 67 Prozent und damit höher als bei AstraZeneca, zudem treten thromboembolische Ereignisse unter der Janssen-Vakzine seltener auf als bei Vaxzevria®“, argumentiert er.

Novavax: Empfehlung auf ganzer Linie

Vor kurzem hatte auch ein anderer Impfstoffhersteller klinische Phase-3-Daten zu seinem COVID-19-Impfstoffkandidaten veröffentlicht: Novavax. Der Impfstoff überzeugt den Ergebnissen von Novavax zufolge mit einer Wirksamkeit von über 90 Prozent – und das auch gegen Virusvarianten. Noch im dritten Quartal 2021 will Novavax seinen Impfstoff zur EU-Zulassung bringen. Was hält Kremsner von dieser Vakzine? Seine Einschätzung ist eindeutig: „Exzellent“ sei der Novavax-Impfstoff, und das „in jeder Hinsicht“.  

Novavax setzt bei seinem Impfstoff weder auf mRNA- noch auf Vektortechnologie, sondern nutzt als Antigen ein rekombinant hergestelltes SARS-CoV-2-Spikeprotein. Was bedeutet das? Zunächst wird hierzu – vereinfacht dargestellt – die genetische Information des SARS-CoV-2-Spikeproteins in ein Baculovirus eingebracht. Dieses Baculovirus infiziert sodann Insektenzellen, die das Spikeprotein in großen Mengen herstellen. Das Baculovirus dient sozusagen als Fähre, um die Erbinformation des Spikeproteins in die Insekten zu schleusen. Das Prinzip ist nicht völlig unbekannt: Sanofi nutzt dies bei der Herstellung von Supemtek®, dem ersten rekombinanten Grippeimpfstoff, der im November 2020 die EU-Zulassung erhielt. Um die Impfantwort zu verstärken, enthält Novavax zusätzlich ein Adjuvans – einen Wirkverstärker – auf Saponinbasis. Auch saponinbasierte Adjuvanzien gibt es bereits – man denke an den Gürtelrose-Impfstoff Shingrix®. 

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