COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Johnson & Johnson erhält Notfallzulassung in den USA

Mann mit Mundschutz und Gummihandschuhe hält zwischen Zeigefinger und Daumen eine Dosis Johnson-Impfstoff
Der COVID-19-Impfstoff von Johnson & Johnson darf in Amerika ab sofort eingesetzt werden. | Bild: IMAGO / MiS

Es ist der erste Vektorimpfstoff für die Vereinigten Staaten: Am 27. Februar erteilte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) dem „Janssen COVID-19 Impfstoff“ – auch bekannt unter Ad26.COV2.S – die Notfallzulassung (EUA, Emergency Use Authorization). Er ist neben den beiden mRNA-Impfstoffen Comirnaty® von Biontech/Pfizer und COVID-19-Impfstoff Moderna der dritte Coronaimpfstoff für die USA. Geimpft werden darf der Janssen COVID-19 Impfstoff ab einem Alter von 18 Jahren, nur Comirnaty® erlaubt bislang den COVID-19-Schutz ab 16 Jahren. Zulassungsinhaber der EUA ist Janssen Biotech Inc, eine Tochter des Unternehmens Johnson & Johnson.

Gute Wirksamkeit und Verträglichkeit

„Die Gesamtheit der verfügbaren Daten liefert eindeutige Hinweise darauf, dass der COVID-19-Impfstoff von Janssen bei der Prävention von COVID-19 wirksam sein kann. Die Daten zeigen auch, dass der bekannte und potenzielle Nutzen des Impfstoffs seine bekannten und potenziellen Risiken überwiegt“, erklärt die FDA anlässlich der Zulassung. Doch wie gut wirkt die neue COVID-19-Vakzine, und wie sicher ist sie?

Zur Erinnerung: Was ist ein Vektorimpfstoff?

Bei einem Vektorimpfstoff wird die Vakzine mit einem speziellen Virustyp hergestellt, beim Janssen-COVID-19-Impfstoff (Ad26.COV2.S) ist dies ein menschliches Adenovirus (Schnupfenvirus). Dieses wurde jedoch abgeändert, sodass es sich im menschlichen Körper nicht mehr replizieren und auch keine Krankheiten verursachen kann.

In dieses Adenovirus (Ad26) wird die genetische Information für das SARS-CoV-2-Spikeprotein, in Form von DNA, eingebaut. Das Virus dient sozusagen als Fähre (Vektor) und schleust die genetische Information des Spikeproteins in die menschliche Zelle. Der Geimpfte produziert sodann das Antigen – das SARS-CoV-2-Spikeprotein – selbst, es wird dem Immunsystem präsentiert und eine Immunantwort stimuliert.

Auch AstraZeneca nutzt für seinen Corona-Impfstoff das Vektorprinzip, eingesetzt wird hier kein menschliches Adenovirus, sondern eines von Schimpansen (ChAdOx1). Diskutiert wird bei AstraZeneca, ob eine zweimalige Impfung mit dem gleichen Vektor die Impfwirksamkeit abschwächen kann, da auch der Vektor, das Schimpansen-Schnupfenvirus, für Menschen fremd ist und daher eine Immunantwort provoziert. Dies könnte dann bei Verabreichung der zweiten Dosis dazu führen, dass der Impfstoff „abgefangen“ wird, bevor die zweite Dosis in die menschliche Zelle gelangt und „wirken“ kann.

Beim COVID-19-Impfstoff von Janssen allerdings umgeht man das – er wird nur einmal geimpft. Russland löste das Problem anders: Es wählte für seinen Vektorimpfstoff Sputnik V für die erste und zweite Dosis jeweils andere Vektoren, und zwar das humane Adenovirus 26 (Ad26) für die erste Impfung – wie Johnson & Johnson – und das humane Adenovirus 5 (Ad5) für die zweite Gabe.

Große Studie in den USA, Südafrika, Brasilien und Mexiko

Die FDA stützt ihre EUA auf Daten einer großen, noch laufenden, multinationalen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Phase-3-Studie an etwa 40.000 Teilnehmern („Study 3001“). Für die Daten zur Wirksamkeit (Datenstichtag war der 22. Januar 2021) wurden 39.321 Probanden ausgewertet. Sie waren 1:1 randomisiert und hatten entweder eine Dosis Ad26.COV2.S (5x1010 vp) oder Placebo erhalten. Die Studien laufen in Südafrika, in bestimmten Ländern in Südamerika, in Mexiko und in den USA. 19.630 Probanden erhielten den Impfstoff und 19.691 ein Kochsalz-Placebo.

Schutz vor moderatem bis schwerem COVID-19 liegt bei 66 Prozent

Nach Daten der FDA lag die Impfwirksamkeit zwei Wochen nach einmaliger intramuskulärer Verabreichung von Ad26.COV2.S (alle Länder berücksichtigt, in denen Studien stattfinden) bei 66,9 Prozent. In der Impfstoffgruppe erkrankten 116, in der Placebogruppe 348 Probanden mittelschwer bis schwer an COVID-19. Vier Wochen nach Impfung schützte der Janssen COVID-19-Impfstoff zu 66,1 Prozent vor laborbestätigtem mittelschwerem bis schwerem COVID-19, 66 Teilnehmer erkrankten nach dem 28. Tag nach Impfung an COVID-19, 193 Fälle waren es in der Placebogruppe.

Höherer Schutz vor schwerer Erkrankung: 85 Prozent

Wurden nur schwere COVID-19-Fälle berücksichtigt (sekundärer Endpunkt), verhinderte die COVID-19-Vakzine von Johnson & Johnson diese zu 76,7 Prozent (zwei Wochen nach Impfung) und zu 85,4 Prozent (vier Wochen nach Impfung). Beginnend 14 Tage nach der Impfung gab es 14 schwere Fälle in der geimpften Gruppe gegenüber 60 in der Placebogruppe, und beginnend 28 Tage nach der Impfung gab es fünf schwere Erkrankungen in der Impfstoffgruppe gegenüber 34 Fällen in der Placebogruppe. Bis zum 5. Februar 2021 gab es sieben COVID-19-bedingte Todesfälle in der Placebogruppe und keine COVID-19-bedingten Todesfälle in der Impfstoffgruppe.

Dauer des Impfschutzes unbekannt

Wie lange der Impfschutz anhält, ist derzeit nicht bekannt. Die FDA erklärt hierzu: „Zum jetzigen Zeitpunkt liegen weder Daten vor, um zu bestimmen, wie lange der Impfstoff Schutz bietet, noch gibt es Hinweise darauf, dass der Impfstoff die Übertragung von SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch verhindert.“

Kombination Alter über 65 Jahren und Vorerkrankung: niedrigerer Schutz

Die Tagungsunterlagen der FDA enthalten auch Informationen zur Wirksamkeit der Janssen-Vakzine bei älteren Menschen. Etwa 20 Prozent der Probanden waren 65 Jahre und älter. Die FDA bescheinigt Ad26.COV2.S „im Allgemeinen“ in nach Alter, Vorerkrankung, Rasse und Ethnizität differenzierten Untergruppen eine ähnliche Wirksamkeit wie in der gesamten Studienpopulation. Allerdings: „Die Wirksamkeitsschätzung für moderates bis schweres COVID-19 (Beginn mindestens 28 Tage nach Impfung) war für die Untergruppe der Teilnehmer ab 60 Jahren mit Vorerkrankungen niedriger als für jüngere Teilnehmer und für Teilnehmer ab 60 Jahren ohne Vorerkrankungen.“ Doch weder allein das Alter noch allein das Vorhandensein von Vorerkrankungen beeinflussten die Wirksamkeitsschätzungen negativ. Bei Teilnehmern ab 60 Jahren mit Vorerkrankungen gab es keine COVID-19-bedingten Todesfälle und keine COVID-19-bedingten Krankenhauseinweisungen (28 Tage nach Impfung). Zu den häufigsten Vorerkrankungen zählten Übergewicht und Bluthochdruck. Die Ergebnisse für Menschen ab 75 Jahren seien aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl (weniger als 4 Prozent) „nur begrenzt interpretierbar“, heißt es in den Dokumenten.

Wirkt der Impfstoff gegen SARS-CoV-2-Varianten?

Um die mögliche Auswirkung der Zirkulation von Virusvarianten auf die Wirksamkeit des Impfstoffs zu untersuchen, wurde eine Subgruppen-Analyse der Impfstoffwirksamkeit gegen mittelschweres bis schweres und schweres COVID-19 für die Vereinigten Staaten, Südafrika und Brasilien durchgeführt. Bis zum 12. Februar 2021 waren 71,7 Prozent der laborbestätigten SARS-CoV-2-Fälle sequenziert: In den USA lag in 96,4 Prozent der sequenzierten Fälle die SARS-CoV-2-Wuhan-H1-Variante D614G vor. In Südafrika wurden nahezu alle (94,5 Prozent) sequenzierten Fälle als Variante B.1.351 (20H/501Y.V2 Variante) identifiziert, in Brasilien entfielen mehr als zwei Drittel (69,4 Prozent) der sequenzierten Viren auf die Variante der P.2-Linie und 30,6 Prozent gehörten zur Variante Wuhan-H1 D614G. Es gab keine Fälle aus den Linien B.1.1.7 (britische Variante) oder P1.

Geringere Wirksamkeit in Brasilien und Südafrika

Die Virusvarianten weisen bekanntlich Mutationen im Bereich der Rezeptorbindungsstelle im Spikeprotein auf, sodass sie fester an die Wirtszelle binden und diese leichter befallen können. Durch Veränderungen an dieser Bindungsstelle könnten die mutierten Viren weniger gut durch die bislang entwickelten Impfstoffe neutralisiert werden und die Impfstoffe gegen Mutanten weniger wirken.

Hinweise liefern die Daten der Johnson & Johnson-Studie zum Janssen COVID-19-Impfstoff: In Südafrika gibt die FDA die Impfwirksamkeit gegen moderat bis schweres COVID-19 mit 52 Prozent und 64 Prozent an – jeweils ab 14 beziehungsweise 28 Tage nach Impfung. Zum Vergleich: In den USA schützte Ad26.COV2.S zu 74,4 Prozent und 72,0 ab Tag 14 beziehungsweise 28 nach Impfung vor COVID-19. Wie in Südafrika lag auch in Brasilien die Impfwirksamkeit etwas niedriger: 66,2 Prozent 14 Tage nach Impfung und 68,1 Prozent 28 Tage nach Impfung. Erfreulich ist, dass Ad26.COV2.S jedoch in allen drei Ländern ähnlich gut – mehr als 80 Prozent – vor schweren bis kritischen COVID-19-Verläufen schützte.

Welche Nebenwirkungen traten auf?

Die verfügbaren Sicherheitsdaten zu Ad26.COV2.S umfassen eine Analyse von 43.783 Teilnehmern. 21.895 wurden einmalig mit Ad26.COV2.S geimpft, 21.888 Probanden erhielten stattdessen Kochsalz-Placebo-Injektionen. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren nach Angaben der FDA Schmerzen an der Injektionsstelle (48,6 Prozent), Kopfschmerzen (38,9 Prozent), Müdigkeit (38,2 Prozent), Muskelschmerzen (33,2 Prozent) und Übelkeit. Ältere Menschen (60 Jahre und älter) berichteten seltener über Nebenwirkungen als jüngere. Die meisten dieser Nebenwirkungen waren leicht bis mittelschwer und hielten ein bis zwei Tage an. 

Keine signifikanten Unterschiede zwischen Impfstoff und Placebo

Es gab den der FDA vorliegenden Daten zufolge keine signifikanten Ungleichgewichte zwischen Impfstoff- und Placeboempfängern bei unerwünschten Ereignissen, die innerhalb von 28 Tagen nach der Impfung gemeldet wurden. Allerding gab es zahlenmäßige Unterschiede bei schwerer Nesselsucht (Urtikaria): Fünf Probanden der Ad26.COV2.S-Gruppe berichteten über Urtikaria, in der Placebogruppe war es ein Proband. Thromboembolische Ereignisse traten in der Impfstoffgruppe 15-mal auf, unter Placebo zehnmal, über Tinnitus berichteten sechs Impfstoffempfänger und in der Placebogruppe keiner. „Die Daten sind zum jetzigen Zeitpunkt unzureichend, um einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und dem Impfstoff festzustellen“, heißt es im FDA-Briefing-Document.

Eine schwere Überempfindlichkeitsreaktion unter Ad26.COV2.S

Nicht-tödliche schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, ausgenommen solche, die COVID-19 zugeschrieben werden, waren selten und zwischen den Studiengruppen in Bezug auf Raten und Arten von Ereignissen ausgeglichen (0,4 Prozent in beiden Gruppen). Eine schwere Überempfindlichkeitsreaktion (nicht als Anaphylaxie klassifiziert) begann zwei Tage nach Impfung  und „stand wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Erhalt des Impfstoffs“. 

Kühlschranklagerung möglich

Den Daten der FDA zufolge kann Ad26.COV2.S (Suspension) bei 2 °C bis 8 °C im Kühlschrank gelagert werden. Nicht angebrochene Durchstechflaschen können bis zu 12 Stunden bei 9 °C bis 25 °C gelagert werden. Nach Entnahme der ersten Dosis sollte die Durchstechflasche maximal 6 Stunden bei Temperaturen von 2 °C bis 8 °C oder maximal 2 Stunden bei Raumtemperatur (maximal 25 °C) gelagert werden. Wird der Impfstoff innerhalb dieser Zeit nicht geimpft, muss er verworfen werden. Abgefüllt ist Ad26.COV2.S in Mehrfachdosis-Fläschchen mit 5 Dosen. Die Fläschchen sollten vor Licht geschützt werden.

EMA will im März entscheiden

Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft den Janssen-Impfstoff bereits. Am 1. Dezember startete das Rolling-Review-Verfahren für Ad26.COV2.S, am 15. Februar hat die Johnson & Johnson-Tochter Janssen nun den Antrag auf bedingte Zulassung in der EU eingereicht. Die EMA will bis zum 11. März zu einer Empfehlung kommen, sodass ab Mitte März mit einer vierten COVID-19-Vakzine in der EU geimpft werden könnte.

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