COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
5 min merken gemerkt Artikel drucken

PEI-Sicherheitsbericht: Myokarditis häufiger nach Moderna als nach Biontech?

Moderna-Vial umgekpippt neben Vial Comirnaty, davor liegt eine Spritze
Meldungen über Myokarditis- und Perikarditis-Fälle nach COVID-19-Impfung werden nach wie vor von PRAC und PEI beobachtet. In seinem Sicherheitsbericht vom 26. Oktober geht das PEI näher auf die kardialen Risiken ein. | Bild: IMAGO / Beautiful Sports

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der für die Sicherheit von Arzneimitteln zuständige Ausschuss PRAC der EMA zum Risiko einer Myokarditis oder Perikarditis nach COVID-19-Impfung mit mRNA-Impfstoffen äußert. Bereits im Juli riet der PRAC, Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen als Nebenwirkungen in die Produktinformationen der beiden in der EU zugelassenen mRNA-Impfstoffe Comirnaty® (Pfizer/Biontech) und Spikevax® (Moderna) aufzunehmen. Im Sommer informierte außerdem ein Rote-Hand-Brief über die kardialen Nebenwirkungen.

PRAC will Myokarditisrisiko weiter untersuchen

Damit ist das Kapitel jedoch nicht abgeschlossen: Der PRAC fordert nun Pfizer/Biontech und Moderna auf, weitere Daten zu liefern. Das beschloss der Sicherheitsausschuss in seiner letzten Sitzung vom 25. bis 28. Oktober. Konkret geht es um Daten aus klinischen Studien oder aus der Literatur sowie um öffentlich zugängliche Daten, anhand derer der PRAC den Zusammenhang von Myokarditiden und Perikarditiden mit einer mRNA-Impfung gegen COVID-19 „eingehend“ prüfen will. Seine Risikoeinschätzung vom Juli hatte der PRAC auf Spontanmeldungen im Europäischen Wirtschaftsraum gestützt.

PEI: Myokarditis häufiger nach Spikevax® als nach Comirnaty®

Auch für das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – zuständig für die Sicherheit von Impfstoffen in Deutschland – sind Myokarditiden und Perikarditiden weiter ein Thema. In seinem Sicherheitsbericht zu COVID-19-Impfstoffen vom 26. Oktober geht das PEI näher auf die möglicherweise unterschiedlichen kardialen Risiken nach Comirnaty®- oder Spikevax®-Impfung ein und vergleicht zudem die nach Impfung  aufgetreten Myokarditisfälle mit denen, die auch ohne Impfung statistisch zu erwarten gewesen wären. Insgesamt liegen dem PEI nach mehr als 92 Millionen verabreichten Impfdosen Comirnaty® und Spikevax® 1.243 Verdachtsmeldungen (ein ursächlicher Zusammenhang muss nicht erwiesen sein) einer Myo-/Perikarditis vor. Die höchste Melderate hat das PEI bei männlichen Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren erfasst.

Auffällig war, dass den PEI-Daten zufolge nach einer COVID-19-Impfung mit dem Moderna-Impfstoff Spikevax® häufiger über eine Myokarditis oder Perikarditis berichtet wurde als nach einer Impfung mit dem Pfizer/Biontech-Impfstoff Comirnaty®. Über alle Altersgruppen hinweg kam es nach 100.000 Dosen Comirnaty® zu 1,57 Fällen einer Myo- oder Perikarditis, nach Spikevax® waren es 3,78 Fälle. Am auffälligsten war der Unterschied bei Jüngeren (Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren): 4,81 Fälle nach Comirnaty®, 11,41 Fälle nach Spikevax® je 100.000 Impdosen. Das PEI weist jedoch auch darauf hin, dass internationale Daten diesen Unterschied nicht uneingeschränkt zeigen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA zum Beispiel konnte unterschiedliche Myokarditis- und Perkarditisraten bislang nicht bestätigen.

Vor allem männliche Jugendliche und junge Männer

Das PEI erklärt: „Wie in den Produktinformationen beider mRNA-Impfstoffe beschrieben, wurde eine Myo-/Perikarditis bei Jungen, männlichen Jugendlichen und jungen Männern im Alter unter 30 Jahren häufiger als in den anderen Altersgruppen und bei Frauen berichtet“. Und weiter: „Die Daten deuten zudem auf eine höhere Melderate insbesondere bei jungen Männern (weniger ausgeprägt auch bei jungen Frauen) nach Spikevax® im Vergleich zu Comirnaty® hin“.

Myokarditis: häufiger als „normal“?

Bleibt die Frage: Sind die gemeldeten Myokarditis- und Perikarditisfälle tatsächlich auffallend häufig und kommen öfter vor als ohnehin in der Bevölkerung? Das PEI hat dafür eine „Observed-versus-Expected-Analyse“ durchgeführt und griff für die Hintergrundinzidenzen auf Diagnosen aus dem ambulanten und stationären Bereich des Jahres 2020 aus Deutschland für Frauen und Männer in der Altersgruppen 12-17, 19-29, 30-59 Jahre sowie 60 Jahre und älter zurück.

Comirnaty®: auffällige Raten nur bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern

Bei männlichen Jugendlichen traten bis 21 Tage nach Comirnaty®-Impfung 74 Fälle einer Myokarditis auf, im gleichen Zeitintervall wären in der Gruppe 10,88 Fälle zu erwarten gewesen. Bei 18- bis 29-Jährigen lag die Zahl der gemeldeten Fälle bei 191, statistisch zufällig wären lediglich 111,82 Fälle gewesen. Für ältere Männer und für alle weiblichen Geimpften (Mädchen, Jugendliche, Frauen) lag die Anzahl der Meldungen im Bereich des erwarteten Wertes: „Auf der Basis dieser Daten ergab sich kein Risikosignal für diese letztgenannten Gruppen“, erklärt das PEI.

Spikevax®: Risikosignal bei jungen Frauen

Anders bei Spikevax®: Hier wurde bislang zwar kein Myokarditisfall bei Mädchen und weiblichen Jugendlichen berichtet (erwartet: 0,06), bei jungen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren hingegen schon – 21 Fälle einer Myokarditis bei 9,3 erwarteten (Zeitraum: 21 Tage nach Impfung). „Daher handelt es sich auch hier um ein Risikosignal, das weiter beobachtet werden sollte“, erklärt das Paul-Ehrlich-Institut. Von einem Risikosignal spricht das PEI, wenn sich „eine signifikant höhere Melderate für ein Ereignis nach Impfung, als es statistisch zufällig in einer vergleichbaren Population zu erwarten wäre“ ergibt.

Bei männlichen Jugendlichen wurden nach Spikevax®-Impfung zwei Myokarditisfälle berichtet, statistisch zufällig hätte es zu 0,11 kommen dürfen. Allerdings sei aufgrund der kleinen Impfzahl in dieser Altersgruppe eine Bewertung derzeit nicht möglich, erklärt das PEI. Bei jungen Männern im Alter von 18 bis 29 Jahren kam es zu 90 Myokarditisfällen, erwartbar wären 20,8 gewesen. Bei Männern und Frauen in den anderen Alterskategorien (ab 30 Jahren) entsprachen die gemeldeten Myokarditisfälle den erwarteten oder lagen sogar darunter.

Die Observed-versus-Expected-Analyse zeige keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer mRNA-Impfung und kardialen Nebenwirkungen, auch könne sie das Risiko dafür nicht quantifizieren, betont das PEI. Aus diesem Grund müssten die „Ergebnisse mit Vorsicht“ interpretiert werden. Doch könne eine Observed-versus-Expected-Analyse Risikosignale aufzeigen.

Zurück