COVID-19-Therapieoptionen
Corona-Pandemie
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Empfehlung der WHO: Paxlovid schon bei leichtem Corona

Packungen Paxlovid in Schrankfach
Das orale COVID-19-Arzneimittel PaxlovidTM kann bei leichtem COVID-19 verabreicht werden. | Bild: IMAGO / Independent Photo Agency Int.

Wer sollte PaxlovidTM – das orale COVID-19-Arzneimittel von Pfizer – bekommen? Bereits leicht an Corona Erkrankte oder erst Patienten mit schweren Symptomen? Die Zulassung spricht hier keine Empfehlung aus (siehe Kasten), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun schon.

Anwendungsgebiet von PaxlovidTM (Fachinformation, Januar 2022)

„PaxlovidTM wird angewendet zur Behandlung einer Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) bei Erwachsenen, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren COVID-19-Verlauf zu entwickeln.“

Risikopatienten: PaxlovidTM schon bei leichtem COVID-19

Die WHO rät in ihrer am 22. April aktualisierten „Living WHO Guideline on Drugs für COVID-19“ – einer dynamischen Leitlinie zu COVID-19-Arzneimitteln – bereits leicht an Corona Erkrankten zu PaxlovidTM. Jedoch nur, wenn diese Patienten ein hohes Risiko (mehr als 10 Prozent) haben, deswegen ins Krankenhaus zu müssen (Hospitalisierung), sprich Risikopatienten – wie Ungeimpfte sowie Ältere, Menschen mit Immunschwäche oder chronischen Vorerkrankungen. 

Wichtig ist, dass die WHO diese Empfehlung mit Nachdruck und damit mit dem höchsten Empfehlungsgrad („strong recommendation“) ausspricht. Hingegen ist die WHO bei COVID-19-Patienten ohne Risiko für eine Krankenhauseinweisung vom Nutzen einer Behandlung mit PaxlovidTM weniger überzeugt, weswegen sie für diese Patienten lediglich zu einer „schwachen/bedingten“ Empfehlung gelangt („weak or conditional recommendation“).

Zur Erinnerung: So wirkt PaxlovidTM

PaxlovidTM ist ein antivirales Arzneimittel, das zwei Wirkstoffe kombiniert: Nirmatrelvir (PF-07321332) plus Ritonavir.  

Nirmatrelvir hemmt als SARS-CoV-2-3CL-Proteaseinhibitor die für die Vermehrung von SARS-CoV-2 wichtige Protease 3CL und stört dadurch die Virusvermehrung.  

Ritonavir ist zwar ebenfalls ein Virostatikum und wird in der Behandlung von HIV und Hepatitis C angewendet, jedoch wirkt es gegen SARS-CoV-2 nicht antiviral. In Kombination mit Nirmatrelvir fungiert es als Booster (Wirkverstärker), denn es blockiert als CYP3A4-Hemmer den Abbau von Nirmatrelvir im Körper und verlängert dadurch dessen Wirkdauer, sodass man geringer dosieren kann.

In Studien verringerte PaxlovidTM das Risiko für Krankenhauseinweisung und Tod um 89 Prozent. Die EU sprach im Januar 2022 die Zulassung aus.

PaxlovidTM: nicht für schwer an Corona Erkrankte

Keine Therapieoption im Sinne der WHO stellt PaxlovidTM für schwer Coronakranke (Sauerstoffsättigung unter 90 Prozent, Anzeichen einer Lungenentzündung) oder gar kritisch Kranke (benötigen lebenserhaltende Maßnahmen, akutes respiratorisches Stresssyndrom, Sepsis [Blutvergiftung] und septischer Schock) dar. Der Grund: Es fehlen Daten, die einen Nutzen von PaxlovidTM bei diesen Patienten belegen.  

Betrachtet man jedoch den Wirkmechanismus des Corona-Arzneimittels – es hemmt die Vermehrung von SARS-CoV-2 –, ist vor allem die Wirksamkeit in frühen Stadien einer Infektion plausibel. Bei schwer und vor allem kritisch COVID-19-Kranken zeichnet eine überschießende Reaktion des Immunsystems für die teils lebensbedrohlichen Symptome verantwortlich – und nicht mehr die Vermehrung des Virus (weswegen eine Hemmung des Virus sodann auch wenig Sinn ergibt).

PaxlovidTM erste Wahl bei leichtem Corona

PaxlovidTM ist das einzige Arzneimittel gegen COVID-19, das die WHO lediglich leicht erkrankten Risikopatienten „stark“ empfiehlt. Hinter den anderen Arzneimitteln – Remdesivir (Veklury®), Molnupiravir (Lagevrio®) und die Antikörper Sotrovimab (Xevudy®) und Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) – steht lediglich eine „schwache“ Empfehlung. 

Allein diese Einstufung zeigt die erste, die „überlegene Wahl“ der WHO bei den am stärksten gefährdeten Patienten mit leichter Corona-Erkrankung. PaxlovidTM könne mehr Krankenhausaufenthalte verhindern als die Alternativen und verursache weniger Nebenwirkungen als die orale Option Molnupiravir (das zudem in Studien nur mäßig wirksam war). Außerdem sei es einfacher zu verabreichen als die intravenösen Präparate (Remdesivir und monoklonale Antikörper erhalten die Patienten als Infusion oder Injektion).  

Ohnehin gebart man sich in den vergangenen Wochen bei Corona-Antikörpern eher zurückhaltend: Omikron, eine SARS-CoV-2-Variante mit ausgesprochen vielen Mutationen im Spikeprotein, dominiert das Infektionsgeschehen und die verfügbaren Antikörper-Arzneimittel wirken nur mäßig bis gar nicht gegen diese Variante. 

Aus diesem Grund darf seit einigen Tagen Sotrovimab in den Vereinigten Staaten nicht mehr eingesetzt werden, andere Antikörper (Casirivimab/Imdevimab, Bamlanivimab/Etesevimab) traf dieses Schicksal bereits früher. Sotrovimab galt lange Zeit als „wirksamster“ Antikörper gegen Omikron, seit Februar ist mit Bebtelovimab allerdings ein neuer Antikörper zugelassen, der speziell auch Omikron adressiert.

Remdesivir: neue Therapieoption bei leichtem Corona

Neu in der Empfehlungsliste der WHO bei leicht an Corona erkrankten Risikopatienten ist auch Remdesivir. Es war das erste Arzneimittel, das gegen COVID-19 zugelassen wurde. Seither gab es viel Wirbel um die Frage, welche Patienten von dem Präparat profitieren. 

Nun sieht die WHO die Anwendung – mit „schwacher“ Empfehlung – bei leichtem COVID-19 als vertretbar. Zuvor hatte sich die WHO gegen Remdesivir ausgesprochen, und zwar für alle COVID-19-Patienten, unabhängig von der Schwere der Erkrankung.

Die Probleme bei PaxlovidTM

Auch wenn die WHO PaxlovidTM als weniger nebenwirkungsträchtig als Molnupiravir einstuft – beim Pfizer-Arzneimittel gilt es bei den Wechselwirkungen sorgfältig zu sein. Unproblematisch ist der antivirale Wirkstoff Nirmatrelvir. Allerdings birgt Ritonavir – der Wirkbooster für Nirmatrelvir – ein hohes Risiko, mit anderen Arzneimitteln wechselzuwirken, weshalb sich eine ganze Arbeit „Orale Pharmakotherapie bei COVID-19“ mit dem Wechselwirkungsmanagement von Nirmatrelvir/Ritonavir beschäftigt. An der Erstellung beteiligte sich auch der Vorsitzende der AMK (Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker), Professor Martin Schulz.

Zudem gibt es Hinweise, dass es nach PaxlovidTM -Therapie zu einem Wiederauftreten von COVID-19-Symptomen kommt – auch wenn derzeit keine wissenschaftliche Bestätigung vorliegt. Der „Bostonglobe“ berichtete darüber. Pfizer hatte bereits in den Zulassungsstudien bemerkt, dass bei „mehreren Probanden“ um den zehnten oder 14. Therapietag die RNA-Werte von SARS-CoV-2 wieder ansteigen, wie ein FDA-Dokument bestätigt. Allerdings sah man keinen Anhaltspunkt für Resistenzen gegen PaxlovidTM.

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