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Studie: Gürtelrose nach Impfung mit Shingrix®?

rote Flecken auf der Haut
Allen Personen ab 60 Jahren wird die Gürtelrose-Schutzimpfung mit dem Totimpfstoff Shingrix als Standardimpfung empfohlen – ebenso Personen mit einer Grundkrankheit oder Immunschwäche bereits ab 50 Jahren. | Bild: sashka1313 / AdobeStock

Bereits im August 2019 hatte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) dazu aufgerufen, Nebenwirkungen nach einer Shingrix®-Impfung zu melden. Der AkdÄ waren Fälle berichtet worden, in denen Patienten in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer Shingrix®-Impfung an Gürtelrose (Herpes zoster, kurz: HZ) erkrankt sind.

Im April 2020 rief das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) dann zur Teilnahme an einer Studie auf, in der geklärt werden sollte, ob es sich in den beschriebenen Fällen tatsächlich um die Reaktivierung des Varizella-zoster-Virus (VZV) als potenzielle Nebenwirkung von Shingrix® handelt.

Zur Erinnerung: Was ist Gürtelrose?

Verantwortlich für Gürtelrose ist ein Herpesvirus, das Varicella-zoster-Virus (VZV). Es führt bei Erstinfektion zum Krankheitsbild der Windpocken, verbleibt danach jedoch ein Leben lang im Körper und kann bei Reaktivierung eine Gürtelrose auslösen.  

Somit ist Voraussetzung für einen Herpes zoster eine frühere Infektion mit Windpockenerregern. Am häufigsten trifft eine Gürtelrose immungeschwächte und ältere Menschen. Doch auch immungesunde Jüngere sind nicht zu 100 Prozent vor einer Erkrankung gefeit.  

Eine Gürtelrose macht sich vor allem durch einen juckenden und schmerzenden Hautausschlag bemerkbar, meist an Bauchnabel und Brust, aber auch an Armen, Beinen, Oberschenkel oder Kopf, der sich erst nach zwei bis vier Wochen wieder bessert. Dem Hautausschlag können schon Tage zuvor Symptome vorauseilen – Schmerzen, Taubheitsgefühle, Kribbeln, Jucken sowie Rötungen, Schwellungen, Fieber und Kopfschmerzen.  

Nicht immer heilt eine Herpes-zoster-Erkrankung problemlos aus. Komplikationen einer Gürtelrose können sich als Post-zoster-Neuralgie – starke Nervenschmerzen – oder als Hirnhautentzündung äußern. /cb

Zeitlicher Zusammenhang zwischen Shingrix®-Impfung und Hautreaktion

Über die Ergebnisse dieser AnwendungsbeobachtungEurosurveillance: Skin manifestations after immunisation with an adjuvanted recombinant zoster vaccine, Germany, 2020  wird nun im „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“Ausgabe 1, März 2024  berichtet. Demnach besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Herpes-zoster-Erkrankung:

„Die Ergebnisse dieser Anwendungsbeobachtung deuten nicht auf einen kausalen, sondern lediglich einen zeitlichen Zusammenhang mit der Shingrix®-Impfung hin. Aktuell sind keine Maßnahmen zur Minimierung des Risikos für Impfreaktionen nach Shingrix®-Gabe erforderlich.“

Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1 vom März 2024

Dieses Ergebnis stützt sich auf insgesamt 80 Verdachtsfälle, von denen 27 mittels PCR positiv auf das VZV getestet werden konnten. In allen 27 Fällen soll der Wildtyp des VZV genotypisiert worden sein, also nicht das Impfvirus.  

Unter den 53 VZV-negativen Proben wurden zwei positiv auf HSV-1 sowie fünf positiv auf HSV-2 (Herpes-simplex-Virus) getestet. Acht Proben wurden von der Analyse ausgeschlossen, weil das negative PCR-Ergebnis angezweifelt werden konnte (die Proben waren nicht innerhalb von 14 Tagen nach Auftreten der Symptome entnommen worden).

Shingrix®-Impfung: Zweite Impfdosis ist wichtig

Erste Symptome sollen in den ersten Wochen nach der ersten oder unmittelbar nach der zweiten Dosis von Shingrix® aufgetreten sein – „also zu einem Zeitpunkt, als der Impfschutz durch die Impfserie noch nicht vollständig war“, heißt es im Bulletin. 

Die Herpes-zoster-Impfung besteht aus zwei Impfdosen im Abstand von mindestens zwei bis maximal sechs Monaten. Shingrix® gilt als äußerst reaktogener Impfstoff. Deshalb soll bei der Impfung darauf hingewiesen werden, dass die Impfreaktionen nur von kurzer Dauer sind und die zweite Impfdosis sehr wichtig ist.

Zur Erinnerung: Was zeichnet Shingrix aus? 

Seit Mai 2018 steht der neuartige, inaktivierte Impfstoff zur Vorbeugung von Herpes zoster und postherpetischer Neuralgie bei Personen ab 50 Jahren auf dem deutschen Markt zur Verfügung.

Grundsätzlich beschreibt das RKI die Impfung mit dem Herpes-zoster-Totimpfstoff als sicher. „Allerdings ist der Herpes-zoster-Totimpfstoff äußerst reaktogen.“ Lokalreaktionen (z. B. Schmerzen an der Injektionsstelle, Rötung, Schwellung) sowie systemische Reaktionen (z. B. Fieber, Müdigkeit, Myalgie und Kopfschmerzen), die die gewöhnlichen alltäglichen Aktivitäten einschränken, treten etwa bei jeder zehnten geimpften Person auf. Die Impfreaktionen seien jedoch von kurzer Dauer und hielten ein bis zwei Tage an.

Gürtelrose ohne PCR schwer zu diagnostizieren

Die Anwendungsbeobachtung hat laut den Autoren des Bulletins außerdem gezeigt, dass es schwierig ist, eine Gürtelrose ohne eine PCR-Untersuchung auf VZV von anderen Hauterscheinungen zu unterscheiden: In der Hälfte der Fälle sei die von den behandelnden Ärzten gemeldete HZ/Varizella-Diagnose nicht bestätigt worden. 

Das Robert Koch-Institut erklärt hingegen auf seinem InternetauftrittStand 2017 : „Erkrankungen an Varizellen und Herpes zoster sind in der Regel durch ein typisches klinisches Bild gekennzeichnet.“ Eine spezifische Diagnostik sei somit nur in ausgewählten Fällen erforderlich. In der „S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie“gültig bis Mai 2024  heißt es:

„Die rein klinische Diagnose des Zoster hat in Untersuchungen, in denen die Diagnose im Labor bestätigt wurde, eine Spezifität von 60–90 %, je nach Ausprägung und Lokalisation. Differentialdiagnostisch muss an Herpes-simplex-Virus-Infektionen (HSV-1 vor allem im Kopf-/Halsbereich, HSV-2 insbesondere im Lumbosakralbereich) sowie zosteriforme dermatologische Erkrankungen gedacht werden.“

S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie, Stand: 24.05.2019 

Typisch für Herpes zoster ist, dass die Hautläsionen durch Schmerzen und Missempfindungen begleitet werden. Da diese meist schon einige Tage vor den Hauterscheinungen beginnen, kann jedoch auch die Schmerzsymptomatik zu Fehldiagnosen führen. Quellen:
- Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Epidemiologisches Bulletin 4/2024, www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/Impfempfehlungen_node.html
- Moll D. Herpes-zoster-Erkrankungen nach Shingrix-Impfung. DAZ.online 23.08.2019, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/08/23/herpes-zoster-erkrankungen-nach-shingrix-impfung
- Moll D. Studie des PEI zu schweren Hautreaktionen nach Shingrix-Impfung. DAZ.online 21.04.2020, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/04/21/studie-des-pei-zu-schwere-hautreaktionen-nach-shingrix-impfung-nbsp
- Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1 vom März 2024, www.bfarm.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Bulletin/Ausgaben/2024/1-2024.html?nn=594982
- RKI-Ratgeber Windpocken (Varizellen), Gürtelrose (Herpes zoster), Stand: 01.08.2017, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Varizellen.html
- Internetseite des Robert Koch-Instituts.Gürtelrose (Herpes zoster): Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Erkrankung und Impfung, 13.12.2018, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Herpes_zoster/FAQ-Liste.html
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie, Stand: 24.05.2019, gültig bis: 23.05.2024, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-023