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Zum Tag des Vergiftungsschutzes für Kinder im Haushalt am 20. März: Arzneimittelvergiftungen: So kann man sie vermeiden

Kleinkind sitzt auf dem Boden und hält Tabletten in den Händen
Arzneimittel sollten für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden. | Bild: Halfpoint / AdobeStock

Anders als vermutet, ereignen sich die meisten Vergiftungen nicht dann, wenn das Kleinkind längere Zeit unbeaufsichtigt ist, erklärt die Stiftung Kindergesundheit. Gefährlicher seien vielmehr jene Situationen, in denen man ein Kind nur kurz unbeobachtet lässt – etwa, wenn jemand an der Tür klingelt oder die Milch überkocht. Diese kurzen Momente können umtriebige Kleinkinder nutzen, um eine Tablette in die Hand zu nehmen und sie sich in den Mund zu stecken. 

Vor allem der Haushalt von Oma und Opa kann zur Gefahrenquelle werden, wissen die Kinderärzte. Der sei nämlich nur selten kindersicher. Oft lägen die von den Großeltern benötigten Medikamente sichtbar auf einem Tisch oder seien in einem leicht zugänglichen Schrank aufbewahrt. Auch die Taschen von Oma und Opa würden von Kindern unbemerkt durchstöbert und bunte vermeintliche Süßigkeiten probiert. 

Arzneimittel kindersicher aufbewahren

Arzneimittel und andere gefährliche Substanzen sollten deshalb für Kinder unerreichbar aufbewahrt werden. Medikamente sollten in einem abschließbaren Medikamentenschrank oder Kosmetikkoffer sicher verwahrt werden. 

Tabletten nicht als „Bonbons“ bezeichnen

Verbale Verharmlosungen stellen nach Aussage der Stiftung Kindergesundheit eine zusätzliche Gefahr dar. Wenn zum Beispiel Tabletten als „Bonbons“ oder „Zuckerl“ bezeichnet werden, greife das Kind in einem unbeobachteten Augenblick umso eher zur vermeintlichen Leckerei. Deshalb sollten auch flüssige Medikamente niemals als „Fruchtsaft“ oder „süß“ angepriesen werden, um sie einem Kind im Bedarfsfall schmackhaft zu machen. 

Gefährliche Arzneimittel: Vor allem Herzmittel

Zu den für Kinder gefährlichen Arzneimitteln zählen laut der Stiftung Kindergesundheit vor allem Herzmittel wie Antiarrhythmika, Betablocker oder Calciumantagonisten. Riskant seien zudem Opiate, Diabetesmittel sowie Paracetamol in hohen Dosen. 

Unbedenklich sei hingegen in den meisten Fällen, wenn das Kind die Verhütungspille der Mutter genascht habe. 

Was tun, wenn Kinder falsche Medikamente eingenommen haben?

Hat sich ein Kind an einem Arzneimittel vergriffen und dieses geschluckt oder getrunken, gilt: Den Mund des Kindes gleich mit Wasser ausspülen, um etwaige Reste zu entfernen. Danach sofort viel zu trinken geben – Wasser, Tee oder Saft –, um die eingenommene Substanz zu verdünnen. Auf keinen Fall Milch trinken lassen, da diese die Giftresorption eventuell beschleunigen kann.  

Es sollte kein Erbrechen herbeigeführt werden, betont die Stiftung Kindergesundheit. Sonst bestehe die Gefahr, dass Erbrochenes in die Lungen gerät. Auch vor der Verabreichung von Salzwasser wird gewarnt. Gerade bei kleinen Kindern könne es dadurch zu gefährlichen Elektrolytverschiebungen kommen.

Bei Verdacht auf Vergiftung: Schnell handeln!

Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, aber auch Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit bis hin zu einem komaähnlichen Tiefschlaf sowie Atmungs- und Kreislaufstörungen gehören zu den Symptomen einer Medikamentenvergiftung. 

Wenn der Verdacht bestehe, das Kind könnte gefährliche Mengen eingenommen haben, sollte man aber auf keinen Fall auf solche Anzeichen warten, sondern sofort handeln, mahnt die Stiftung Kindergesundheit. So schnell wie möglich sollte dann der Kontakt zu einem Arzt oder einem Giftinformationszentrum aufgenommen werden. 

Gut zu wissen: Giftnotrufe nehmen zu

Fast 52.600 Anrufe sind 2022 beim Giftinformationszentrum (GIZ) in Mainz eingegangen, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Beratungen ging leicht zurück auf rund 39.400. Insgesamt hatten die Berater es mit fast 35.100 Fällen zu tun. Und längst nicht alle kamen durch: Seit einigen Jahren ist die Zahl der eingehenden Anrufe deutlich höher als die der Beratungen.

Mögliche Vergiftungen von Kindern machten etwa die Hälfte der Anrufe aus, sagt Andreas Stürer, Leiter des GIZ in Mainz. In den übrigen Fällen ginge es um Erwachsene, vor allem ältere Menschen, die im Rahmen von Verwirrtheitszuständen oder bei Demenz ihre Medikamente verwechselten oder sogar ganze Shampoo-Flaschen austränken. 

Zum Thema Verwechslung von Medikamenten nähmen auch die Anrufe von überlastetem Personal aus Altenheimen und Krankenhäusern zu. Manchmal habe auch ein Patient die Medizin seines Bettnachbarn eingenommen.

Insgesamt gebe es zwar mehr Notrufe, dafür aber weniger schwere und tödliche Vergiftungsfälle als früher, sagt Stürer. Er führt dies auf die Entfremdung vieler Menschen von der Natur und damit auch von dem Wissen über giftige Pflanzenteile zurück. Dazu kämen unklare und zum Teil widersprüchliche Informationen aus dem Internet. Auch ein höheres Sicherheitsbedürfnis der Menschen spiele vermutlich eine Rolle. Quelle: dpa / mia 

Vergiftung: Soforthilfe per App

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bietet auf seiner Website eine kostenlose App für Vergiftungsunfälle bei Kindern zum Download an. Im Notfall kann man direkt aus der App bei einem Giftinformationszentrum anrufen. Sind aber bereits Symptome vorhanden, wählt man besser gleich die 112. Quellen: Stiftung Kindergesundheit; Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)