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Negativtrend:: Junge Menschen bewegen sich weiterhin zu wenig

4 Jugendliche schauen auf ihre Smartphones
Mehr als die Hälfte der Deutschen bewegt sich zu wenig. Bei Jugendlichen sind es sogar über 80 Prozent. | Bild: JackF / AdobeStock

Nach dem Rückgang körperlicher Aktivitäten bei Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie ist laut einer aktuellen Studie keine Umkehr dieses Negativtrends erkennbar. Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) mitteilt, hatten sich junge Menschen in Deutschland und Europa bereits vor der Pandemie weniger als eine Stunde am Tag sportlich bewegt.

Mit Beginn der Pandemie sei die Bewegungszeit noch mal dramatisch um durchschnittlich rund ein Viertel gesunken.

Negativtrend beim Bewegungsmangel hält an

Besorgniserregend sei vor allem, dass es bislang keine Anzeichen für eine Umkehr dieser Entwicklung gebe, erläuterte BiB-Forschungsdirektor Martin Bujard. „Die Gefahr besteht, dass die Verhaltensweisen aus der Pandemie zum Teil dauerhaft beibehalten werden.“ Dies könne langfristige Folgen für die Gesundheit junger Menschen haben, warnten die Forscher.

Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren sind der Studie des BiB zufolge am stärksten von mangelnder Bewegung betroffen gewesen – vor allem zu den Zeiten von Schulschließungen und eingeschränktem Vereinssport, erläuterten die Autoren. Sie verwiesen auf frühere BiB-Analysen, wonach in diesen Phasen des Lockdowns erheblich mehr Kinder und Jugendliche an Depressionen und Angstsymptomen gelitten hätten.

Pandemie verschärfte Bewegungsmangel

Auch die Krankenkasse DAK hatte bereits festgestellt, dass die Pandemie den Bewegungsmangel bei Kindern verschärft habe. Das ergab eine Befragung von fast 18.000 Schulkindern der Klassenstufen fünf bis zehn in 13 Bundesländern im Schuljahr 2021/2022, durchgeführt von dem Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel. 

Insgesamt seien 68 Prozent aller befragten Jungen und Mädchen bewegungsarm. Besonders stark (von 27 auf 22 Prozent) sei laut DAK der Anteil der ausreichend aktiven Kinder bei sozial Benachteiligten gesunken. 

Häufig fehlt auch gerade bei Kindern das Wissen um die Folgen von Bewegungsmangel. Die DAK gab in ihrer Studie an, dass nur 46 Prozent der befragten Schüler wüssten, dass Sitzen krank machen kann.

Junge Menschen zu mehr Aktivität motivieren

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen dringenden Handlungsbedarf, um Kinder und Jugendliche wieder zu mehr körperlicher Aktivität zu motivieren. Es müsse verhindert werden, dass aufgrund von Bewegungsmangel eine Generation heranwächst, die mit gesundheitlichen Folgeschäden zu kämpfen hat.

„Sport und Bewegung wie Spielen im Freien, Schwimmen oder Turnen sollten wieder fester Bestandteil im Tagesablauf von Kindern und Jugendlichen werden“, rät BiB-Studienleiterin Helena Ludwig-Walz. „Parks, Spielplätze, Fahrradwege oder allgemein ‚grüne Plätze‘ erleichtern es, Bewegung in den Alltag zu integrieren.“

WHO: 150 Minuten aktiv sein pro Woche

Die WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten körperliche Aktivitäten in der Woche für Erwachsene, um Krankheiten vorzubeugen. 27,5 Prozent der Weltbevölkerung erreichen dies nicht. In Ländern mit hohem Einkommen sei das Problem mit einem Anteil von etwa 36,8 Prozent doppelt so groß wie in Ländern mit niedrigen Einkommen (16,2 Prozent).

Deutschland schneidet noch schlechter ab als der Durchschnitt der reichen Länder: 44 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer über 18 Jahre müssten sich mehr bewegen. In Finnland, das die WHO als leuchtendes Beispiel herausstellt, sind nur 16 Prozent der Frauen und 17 Prozent der Männer nicht aktiv genug. Dramatisch ist es in Deutschland bei den 11- bis 17-Jährigen: 88 Prozent der Mädchen und 80 Prozent der Jungen bewegen sich zu wenig.

Mehr körperliche Aktivität in den Alltag integrieren

Um sich körperlich fit zu halten, sei es nicht nötig, sportlichen Aktivitäten wie Jogging oder Fitness-Stunden in Vereinen oder Clubs nachzugehen, bestätigt auch die WHO den Rat der BiB-Studienleiterin. Auch Fahrradfahren und zügiges Gehen trage zur Fitness bei. 

In manchen Ländern gebe es kulturelle Barrieren, die Frauen davon abhielten, sich draußen sportlich zu betätigen. Aber auch in den eigenen vier Wänden könne man sich fit halten, zum Beispiel durch Treppensteigen, Spielen mit Kindern oder Hausarbeit, und, wie die Corona-Pandemie gezeigt habe, auch über Fitness-Angebote per Video.

Empfehlungen der WHO zur körperlichen Aktivität

Unter körperlicher Aktivität versteht die WHO „jede körperliche Bewegung, die von Skelettmuskeln erzeugt wird und Energieaufwand erfordert“. Regelmäßige körperliche Aktivität trage nachweislich zur Vorbeugung und Behandlung nicht übertragbarer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfall und Diabetes bei. „Es hilft auch, Bluthochdruck vorzubeugen, ein gesundes Körpergewicht zu halten und kann die psychische Gesundheit, Lebensqualität und das Wohlbefinden verbessern“, schreibt die WHO auf ihrer Webseite.

Die Leitlinien und Empfehlungen der WHO zur körperlichen Aktivität sind nach Altersgruppen aufgeteilt. Für Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren empfiehlt die WHO:

  • min. 150–300 Minuten aerobe körperliche Aktivität mittlerer Intensität
  • oder min. 75–150 Minuten intensive aerobe körperliche Aktivität; oder eine äquivalente Kombination aus moderater und intensiver Aktivität während der Woche;
  • muskelkräftigende Aktivitäten mit mittlerer oder höherer Intensität an 2 oder mehr Tagen pro Woche;
  • die Zeit, die mit Sitzen verbracht wird, begrenzen und/oder nach Möglichkeit durch körperliche Aktivität ersetzen;
  • mehr als die empfohlenen Niveaus an mäßiger bis intensiver körperlicher Aktivität unternehmen, um die nachteiligen Auswirkungen von viel Sitzen auf die Gesundheit zu verringern. / mia https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/physical-activity 

Die Behandlung der 500 Millionen Menschen, die mangels Bewegung erkranken dürften, koste die Welt zusammen 27 Milliarden Dollar (27,5 Mrd. Euro), berichtet Fiona Bull, Leiterin der WHO-Abteilung für körperliche Bewegung. Mit dem Geld könnten stattdessen 100 Millionen Ärzte ausgebildet werden. Quelle: dpa / mia