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Völlegefühl, Sodbrennen und Co.: Festmahl an Silvester: Was dem Magen hilft

An den Weihnachtstagen und Silvester wird bei vielen groß aufgetischt. | Bild: Seventyfour / AdobeStock

Blutklöße, Schweinswürste, Sülze, Leberpastete, Knackwürste, Fleischklöße, Kalbskoteletts, gepökelte Schweinsrippe, kalte Bratwurst, frische Blutwurst, frische Leberwurst, Heringssalat, Rauchfleisch, Käsekuchen, Apfelkuchen, Schlagsahne, Erdbeerkompott, Ingwerbirnen, Wacholderbier und ein kleines, im ganzen gebratenes Spanferkel. Auch wenn bei den meisten das weihnachtliche Festessen nicht ganz so üppig wie bei Astrid Lindgrens Michel aus Lönneberga ausgefallen ist, mit Nachwehen wird trotzdem so manch einer zu kämpfen haben.

Denn laut einer Erhebung des New England Journal of Medicine aus dem Jahr 2000https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/nejm200003233421206  nimmt ein erwachsener Amerikaner im Durchschnitt über die Advents- und Weihnachtszeit ungefähr ein halbes Kilogramm an Körpergewicht zu. Angesichts der Menüfolgen, die in deutschen Haushalten an den Feiertagen aufgetischt werden, kann man vermutlich ähnliche Ergebnisse erwarten. 

Völlegefühl, Sodbrennen und Blähungen

Laut einer Umfrage eines Online-Shoppingportals ist das beliebteste Weihnachtsessen der Deutschen zwar Würstchen mit Kartoffelsalat, jedoch dicht gefolgt von Gans und Raclette auf den weiteren Plätzen. Dazu kommen Gebäck, Süßigkeiten und Glühwein – und das meist über mehrere Tage. Völlegefühl, Blähungen und Sodbrennen können die Folge sein. Die richtige Auswahl an Gewürzen und Beilagen sowie Tees und rezeptfreie Präparate aus der Apotheke sorgen auch nach den Feiertagen und rund um Silvester für Linderung der Beschwerden.

Symptome wie Völlegefühl, Blähungen und Sodbrennen werden unter dem Oberbegriff dyspeptische Beschwerden zusammengefasst. Treten diese ohne ersichtlichen Grund auf, ist auf jeden Fall ärztlicher Rat einzuholen und die Ursache abzuklären. Treten sie lediglich nach üppigen fettreichen Mahlzeiten oder übermäßigem Genuss von Süßspeisen und Alkohol auf, können die Symptome problemlos in der Selbstmedikation behandelt bzw. die Beschwerden durch vorbeugende Maßnahmen verhindert oder zumindest erträglich gestaltet werden.

Bitterstoffe bei fettreichen Speisen

Bitterstoffe helfen bei der Verdauung fettreicher Mahlzeiten. Sie stimulieren auf reflektorischem Wege die Speicheldrüsen- und Magensäuresekretion, darauf folgt eine weitere Steigerung der Sekretion auf humoralem Wege. Außerdem wird die Produktion der Galle und des Pankreassafts angeregt und die Motilität des Magens und des Dünndarms gesteigert.  

Chemisch bilden die Bitterstoffe eine uneinheitliche Gruppe. Unter ihnen finden sich vor allem Terpenoide, Glykoside und Verbindungen mit einer Lactongruppierung. Grob unterteilt werden sie in terpenoide und nicht terpenoide Bitterstoffe. Terpenoide finden sich unter anderem in Gentiana-Arten, Artischocken, Wermut und auch in Salbei. Nicht-Terpenoide sind zum Beispiel in allen Citrus-Früchten enthalten. 

Drogen, die zwar Bitterstoffe enthalten, bei denen aber andere pharmakologische Wirkungen im Vordergrund stehen (etwa Chinarinde, Aloe vera, Herzglykosid-Drogen), werden nicht zu den Bitterstoff-Drogen gezählt.

Einnahme 30 Minuten vor der Mahlzeit

Ihre optimale Wirkung entfalten Bitterstoffe, wenn sie etwa eine halbe Stunde vor der fettreichen Mahlzeit zugeführt werden. So empfiehlt es sich, einen Aperitif mit Wermut oder Enzian zu reichen. Salate wie Chicorée, Rucola, Endivien, Löwenzahn, Kopfsalat und auch Artischocken enthalten wertvolle Bitterstoffe und sorgen als Vorspeise genossen dafür, dass die darauf folgende Gans nicht zur Last wird. 

Wenn auch vom Einnahmezeitpunkt her nicht optimal, da in der Regel nach dem Essen serviert, wirkt auch Espresso aufgrund der enthaltenen Bitterstoffe verdauungsfördernd. Zusätzlich können Tees und Teemischungen mit Wermut, Löwenzahn, Tausendgüldenkraut, Schafgarbe oder alkoholische Auszüge aus Bitterstoffdrogen (s. Tab. 1 und Tab. 2) zum Einsatz kommen.

Scharfstoffe wirken verdauungsfördernd

Die Scharfwirkung dieser Stoffe kommt über Thermo- und Schmerzrezeptoren zustande. Sie steigern die Speichelsekretion und stimulieren auf reflektorischem Wege die Magensaftsekretion und die Darmperistaltik und wirken so verdauungsfördernd. Senföle hemmen durch ihre antibakterielle Wirkung Gärungsprozesse und wirken so blähungstreibend. Chemisch kann man sie in vier Gruppen unterteilen:

  • α-Methoxy(Methyl)-phenol-Verbindungen (z. B. in Ingwer, Muskatnuss),
  • Säureamidverbindungen (z. B. in Paprika, Cayennepfeffer),
  • Senföle,
  • Sulfid- und Thioverbindungen aus Allium-Arten (z. B. in Knoblauch, Zwiebeln).

Scharfstoffe werden hauptsächlich als Gewürze verwendet.

Ätherische Öle gegen Blähungen

Ätherische Öle sind flüssige, leicht flüchtige, charakteristisch riechende Öle. Sie schmecken aromatisch, scharf oder bitter. Man unterscheidet aromatisch riechende bzw. schmeckende (Aromatika), aromatisch und bitter schmeckende (Aromatika-Amara) und aromatisch und scharf schmeckende Drogen (Aromatika-Acria). 

Ätherische Öle sind Stoffgemische aus Terpenverbindungen (z. B. Menthol, Thujon), Phenylpropanderivaten (z. B. Zimtaldehyd), Kohlenwasserstoffen und deren Derivaten sowie schwefel- und stickstoffhaltige Verbindungen (z. B. Senföle).

Die pharmakologischen Wirkungen der ätherischen Öle sind vielfältig. So wirken Kamille, Minze, Melisse, Fenchel, Kümmel, Zimtrinde, Pomeranzen und Schafgarbe spasmolytisch auf die glatte Muskulatur und somit lindernd bei krampfartigen Beschwerden. Außerdem regulieren sie die Magensaftsekretion und die Magenmotorik. Ihre blähungstreibende Wirkung ist antiseptischen Einflüssen bei Gärungsprozessen und ihrer choleretischen Eigenschaften geschuldet. Auch Anis, Engelwurz, Koriander, Liebstöckel, Rosmarin, Oregano, Senföle und Basilikum haben letztere Wirkungen.  

Kümmel, Dimeticon oder Simeticon

Als wohlschmeckende Prophylaxe sollten blähende Speisen wie Kohl mit blähungstreibenden Gewürzen wie Kümmel zubereitet werden. Als Digestiv eignen sich anishaltige Getränke wie Ouzo, Raki oder Pastis. Bei akuten Beschwerden finden Tees und Zubereitungen aus den zuvor genannten Drogen Anwendung. 

Als synthetische Alternative bei Blähungen und Völlegefühl stehen in verschiedenen Darreichungsformen Präparate zur Verfügung, die Dimeticon oder Simeticon enthalten. Sie wirken auf rein physikalischem Wege und sind auch bei Kindern anwendbar. Entscheidend für ihre Wirkung ist eine ausreichend hohe Dosierung. Eine Überdosierung ist weitgehend unproblematisch, da keine Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt stattfindet.

Antazida bei Sodbrennen

Ein Überschuss an Magensäure, wie er durch Süßspeisen, sehr scharfe Gewürze und Alkohol verursacht wird, kann vor allem Sodbrennen, aber auch Völlegefühl und Magendrücken verursachen. Derartige Beschwerden behandelt man am besten mit Antazida (s. Tab. 2). Hier kommen Präparate mit Aluminium-Magnesium-Salzen oder Calciumcarbonat infrage. Sie neutralisieren die Magensäure und schaffen so schnelle Linderung. Natriumhydrogencarbonat (Bullrichs Salz) ist als Antazidum obsolet, da es einen Säure-Rebound (reaktiv erhöhte Magensäuresekretion) hervorruft.

Alginsäurehaltige Präparate bilden eine säurebindende Schutzschicht auf der Magenschleimhaut und verhindern so eine Magenreizung. Protonenpumpeninhibitoren wie Omeprazol und Pantoprazol sind aufgrund ihres verzögerten Wirkeintrittes und der obligatorischen Einnahme auf nüchternen Magen vor einer Mahlzeit zur Behandlung akuter säurebedingter Beschwerden ungeeignet.

In Maßen essen und Verdauungsspaziergang einlegen

Neben allen pharmakologischen Interventionen sollen natürlich auch noch die konservativen Methoden zur Verdauungsförderung nicht unerwähnt bleiben: Zum einen der Verdauungsspaziergang – Bewegung regt die Magen-Darm-Tätigkeit an und verbrennt zumindest einen Teil der aufgenommenen Kalorien – und zum anderen die Empfehlung, das Festmahl in Maßen statt in Massen zu genießen.

Übersicht der Drogen gegen Verdauungsbeschwerden (Tab. 1):

Bezeichnung der DrogeWirkung
Angelikawurzel (Angelicae radix)spasmolytisch, Magensaftsekretion↑
Anisfrüchte (Anisi fructus) spasmolytisch, karminativ
Artischockenblätter (Cynarae folium)Gallensaftsekretion↑
Bittere Schleifenblume (Iberis amara)motilitätssteigernd
Enzianwurzel (Gentianae radix)Magensaftsekretion↑, Gallensaftsekretion↑, Speichelsekretion↑
Fenchelfrüchte (Foeniculi fructus)antibakteriell, spasmolytisch
Javanischer Gelbwurz (Curcumae xanthorrhizae rhizoma)antibakteriell, Gallensaftsekretion↑
Kalmuswurzel (Calami rhizoma)spasmolytisch
Kamillenblüten (Matricariae flos)antibakteriell, spasmolytisch
Koriander (Coriandri fructus)spasmolytisch, Speichelfluss↑, Magensaftsekretion↑
Kümmelfrüchte (Carvi fructus) und Kümmelöl (Carvi aetheroleum)antibakteriell, spasmolytisch, Gallensaftsekretion↑, Magensaftsekretion↑
Löwenzahn (Taraxaci radix cum herba)Gallensaftsekretion↑
Mariendistelfrüchte (Cardui mariae fructus)zytoprotektiv, Leberregeneration↑
Melissenblätter (Melissae folium)spasmolytisch, karminativ
Muskatöl (Myristicae aetheroleum)spasmolytisch
Nelkenöl (Cariophylli floris aetheroleum)desinfizierend, antiphlogistisch
Pfefferminzöl (Menthae piperitae aetheroleum)spasmolytisch, karminativ, Gallensaftsekretion↑
Pomeranzenschalen (Aurantii pericarpium)Magensaftsekretion↑, Gallensaftsekretion↑, Speichelsekretion↑
Schafgarbe (Millefolii herba)spasmolytisch, Gallensaftsekretion↑
Schöllkraut (Chelidonii herba)motilitätssteigernd (Magen), spasmolytisch (Gallenwege, Darm)
Süßholzwurzel (Liquiritiae radix)spasmolytisch
Wermutkraut (Absinthii herba)motilitätssteigernd, antibakteriell
Zimtöl (Cinnamomi aetheroleum)spasmolytisch

Übersicht an OTC-Präparaten bei Verdauungsbeschwerden (Tab. 2):

ProduktnameDarreichungsformInhaltsstoffe
Carminativum Hetterich®flüssigKamillenblüten, Pfefferminzblätter, Kümmelfrüchte, Fenchelfrüchte, Pomeranzenschalen
Abdomilon®flüssigAngelikawurzel, Melissenblätter, Kalmuswurzel, Wermutkraut, Enzianwurzel
Carmenthin®festPfefferminzöl, Kümmelöl
Pascoventral®flüssigKamillenblüten, Pfefferminzblätter, Kümmelfrüchte
Gastricholan-L®flüssigPfefferminzblätter, Kamillenblüten, Fenchelfrüchte
esto-gast®flüssigCitronellöl, Muskatöl, Zimtöl, Nelkenöl
Monopräparate
Gastrovegetalin®fest/flüssigMelissenblätter
Ardeycholan® Hepar-POS®, Hepar-SL®festArtischockenblätter
Therapie-Tees
Sidroga® Magen-Darm-AnregungsteeLöwenzahn, Tausendgüldenkraut, Enzianwurzel 
Sidroga® Leber- und Gallentee NLöwenzahn, Pfefferminzblätter, Schafgarbe, Javanischer Gelbwurz
Sidroga® Magen-Darm-BeruhigungsteeSchafgarbe, Pfefferminzblätter, Kamillenblüten
Sidroga® Verdauungs- und GallenteeLöwenzahn, Pfefferminzblätter, Schafgarbe
Simeticon/Dimeticon
Lefax®, Sab simplex®fest/flüssigDimeticon/Simeticon
Antazida
Rennie®festCalciumhydrogencarbonat, Magnesiumhydrogencarbonat
Gaviscon® advanceflüssigNatriumalginat, Kaliumhydrogencarbonat
Gaviscon® dualfest oder festNatriumalginat, Kaliumhydrogencarbonat, Calciumcarbonat
GaviNatura®festNatriumhydrogencarbonat, Polysaccharide aus Aloe vera und Malve, Kamille-Flavonoide
Talcid®, Riopan®, Maaloxan®fest/flüssigAluminium-Magnesium-Verbindungen