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Wann sind Nahrungsergän­zungsmittel sinnvoll?

Weiße Kapseln auf Holzbrett
Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht ohne Befund eingenommen werden. | Bild: Lothar Drechsel / AdobeStock

Weiblich, älter als 50 Jahre, Akademikerin, Nichtraucherin und normalgewichtig – das sind die typischen Eigenschaften von Menschen, die Nahrungsergänzungsmittel (NEM) konsumieren. Personen, die Supplemente einnehmen, pflegen häufig einen gesundheitsbewussten Lebensstil. Besonders Menschen mit Fehlernährung oder Personen, die Komorbiditäten aufweisen, können von einer Nahrungsergänzung profitieren. 

Martin Smollich, Professor am Institut für Ernährungsmedizin des Uniklinikums Schleswig-Holstein, stellte jüngst in einem Vortrag des Ernährungscurriculums der jungen Gruppe der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (JDGEM) Indikationen vor, bei denen Personen von bestimmten Nahrungsergänzungen profitieren können. 

Sinnlose, aber ungefährliche Einnahmen von NEM thematisierte er ebenso wie das Gefahrenpotenzial, das von Supplementen ausgehen kann.

Nahrungsergänzungsmittel können hilfreich sein bei …

… diagnostiziertem Mangel: Wird ein Mangel laborchemisch festgestellt, sollte der entsprechende Mikronährstoff supplementiert werden. Im Winterhalbjahr in Deutschland kann auch die Allgemeinbevölkerung Vitamin D supplementieren, um eine adäquate Versorgung sicherzustellen.

… Schwangeren: In diesem Lebensabschnitt sollten Folsäure und Iod von Beginn an adäquat supplementiert werden, um die gesunde Entwicklung des Kindes abzusichern. Die mehrfach ungesättigte Fettsäure Docosahexaensäure kann auch eingenommen werden, um eine normale Gehirnentwicklung des Kindes zu unterstützen. Die Vitamine D und B12 sowie das Spurenelement Zink können als Nahrungsergänzungsmittel in der Schwangerschaft sinnvoll sein, wenn ein Mangel festgestellt wurde.

veganer Ernährung: Werden konsequent und langanhaltend keine tierischen Produkte verzehrt, sollte Vitamin B12 supplementiert werden.

onkologischen Patienten: Laut Smollich gibt es eine gute Studienlage zu verminderten Nebenwirkungen der Chemotherapie, wenn vor Behandlungsbeginn Vitamin D und Selen (bei festgestellt niedrigen Serumspiegeln) eingenommen werden.

… altersbedingter Makuladegeneration: Bei dieser Erkrankung der Netzhaut können die Vitamine C und E hilfreich sein. Von Supplementen mit Zink, Kupfer und ß-Carotin könnte diese Patientengruppe ebenfalls profitieren.

… Hypertriglyceridämie: Die Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure und Eicosapentaensäure können dazu beitragen, den Triglycerid-Wert im Blut zu senken.

Migräne: In der Anfallsprophylaxe kann sich Vitamin B2 günstig auswirken.  

… bariatrischen Operationen: Je nach Operationsverfahren müssen bestimmte Nährstoffe ein Leben lang supplementiert werden.

… Einnahme bestimmter Arzneistoffe: Bei der längerfristigen Verwendung von Protonenpumpen-Inhibitoren sollte Vitamin B12 supplementiert werden. Auch wenn Metformin eingenommen wird, sollte auf eine ausreichende Versorgung mit Cobalamin geachtet werden.

Wann die Einnahme von NEM außerdem sinnvoll ist

Das Tuberkulostatikum Isoniazid kann die Einnahme von Vitamin B6 nötig machen, unter Trizyklika sollte generell die Versorgung mit B-Vitaminen überwacht und gegebenenfalls supplementiert werden. 

Bei der längerfristigen Einnahme von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren sollte eine Nahrungsergänzung mit Folsäure in Erwägung gezogen werden. Das Spurenelement Zink kann sinnvoll sein, wenn Hydrochlorothiazid eingenommen wird, und das Mengenelement Eisen kann unter ACE-Hemmern reduziert im Serum vorliegen und eine Ergänzung nötig machen.

In diesen geschilderten Fällen sollte – am besten nach einer laborchemischen Abklärung – eine Supplementation des entsprechenden Mikronährstoffes erfolgen. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln kann aber auch sinnlos sein, wie folgende Beispiele verdeutlichen.

Nahrungsergänzungsmittel sind sinnlos zur …

… unspezifischen Primärprävention: Manche Verbraucher erhoffen sich durch die Supplementation von Mikronährstoffen einen präventiven Effekt gegen Krebs, Demenz, kardiovaskuläre Erkrankungen oder andere Krankheitsbilder. Derartige Auswirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln sind wissenschaftlich nicht belegt, wie der Ernährungsmediziner Smollich betonte. Eine Einnahme, die sich im Referenzbereich der täglichen empfohlenen Zufuhr des Vitamins befindet (Aufnahme über die Nahrung mit beachten), richtet aber keinen Schaden an. Auch Nahrungsergänzung mit Fischöl oder Omega-3-Fettsäuren sind zur Demenz-Prävention wahrscheinlich ungeeignet, können aber (adäquat dosiert) von Gesunden eingenommen werden.

… Verbesserung eines Typ-2 Diabetes: Manche Diabetiker nehmen Zimt-Supplemente ein, um die Stoffwechsellage zu stabilisieren. Dazu gibt es keine gesicherte Evidenz.

Infektprävention: Die Einnahme von Vitamin C und Zink kann möglicherweise die Infektdauer verkürzen, aber nicht präventiv helfen, fasste Smollich die aktuelle Studienlage zusammen.

Nahrungsergänzungsmittel können aber auch Schadenspotenzial haben. Worauf ist zu achten?

Nahrungsergänzungsmittel können gefährlich sein bei …

Überdosierung: Die Höchstmengenempfehlungen von Mikronährstoffen und Mineralstoffen sollten nicht überschritten werden. Auch bei Pflanzenstoffen, wie Algen und Grüntee-Extrakten, sollten die Verzehrempfehlungen auf der Packung beachtet werden.

… Ex-Rauchern: Vitamin B12 und ß-Carotin könnten bei (Ex)-Rauchern möglicherweise die Entstehung eines Lungenkarzinoms begünstigen.

… Schwangeren: Vitamin A (Retinolsäure) sollte in der Schwangerschaft nicht supplementiert werden, da es bei Überdosierung ernsthafte Folgen für die Entwicklung des Kindes haben kann, warnte Smollich.

… onkologischen Patienten: Viele Krebspatienten erhoffen sich von Antioxidantien oder Pflanzenstoffen während der Radio- oder Chemotherapie eine bessere Verträglichkeit dieser Behandlungen oder mehr Therapieerfolg. Smollich betonte, dass auf Interaktionen zwischen Wirkstoffen und Nahrungsergänzungsmittel geachtet werden muss. Außerdem sollte die Tumortherapie nicht abgebrochen werden, um eine unwirksame Naturstofftherapie durchzuführen.