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Arznei-Telegramm: Kritischer Blick auf neues Migränemittel Lasmiditan

Frau hält ein Glas mit Wasser und eine Tablette in je einer Hand
Welchen Nutzen hat die Einnahme von Lasmiditan? | Bild: Iryna_B / AdobeStock

Seit 17. August 2022 ist Lasmiditan in Rayvow® zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen (mit oder ohne Aura) für Erwachsene zugelassen. 

Wie Triptane wirkt Lasmiditan an Serotoninrezeptoren. Doch soll der Wirkstoff aufgrund der fehlenden gefäßverengenden Eigenschaften (Vasokonstriktion) sich im Gegensatz und alternativ zu Triptanen auch für Migränepatienten mit ausgeprägtem Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung, peripher arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) oder Schlaganfall in der Vorgeschichte eignen.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) sieht Lasmiditan derzeit erst als Option für Migränepatienten, wenn diese ihre akuten Attacken mit Analgetika, NSAR oder Triptanen nicht in den Griff bekommen oder diese Arzneimittel nicht vertragen. 

Damit bleiben Schmerzmittel und Triptane nach wie vor und trotz innovativer Migränearzneimittel – wie Lasmiditan oder Rimegepant (Vydura®) – die Mittel der ersten Wahl bei akuter Migräne.

Lasmiditan eher schlechter wirksam als Triptane?

Autoren des „Arznei-Telegramms“ haben Lasmiditan nun kritisch geprüft. Sie sehen hinsichtlich der Wirksamkeit von „Lasmiditan keinen Vorteil gegenüber Triptanen“. Tendenziell scheine Lasmiditan „eher schwächer zu wirken“. 

Eine im Oktober 2021 in „JAMA Network Open“(„Comparison of New Pharmacologic Agents With Triptans for Treatment of Migraine: A Systematic Review and Meta-analysis“)  veröffentlichte Übersichtsarbeit, die 64 klinische Studien mit insgesamt 46.442 Patienten einschloss, attestiert Triptanen, Lasmiditan und Gepanten (Rimegepant, Ubrogepant) zwar eine bessere Schmerzfreiheit als Placebo (zwei Stunden nach Anwendung), allerdings schnitten die meisten Triptane hier besser ab als Lasmiditan oder die Gepante. 

Studien, die Triptane direkt mit Lasmiditan vergleichen, fehlen jedoch. Die FDA konnte im Zuge der Zulassung von Lasmiditan im Oktober 2019 „keine Anhaltspunkte“ dafür finden, „dass Lasmiditan wirksamer ist als andere von der FDA zugelassene Arzneimittel zur Akutbehandlung von Migräne“.

Was macht Lasmiditan mit dem Herz-Kreislauf-System?

Nun soll Lasmiditan vor allem Vorteile für kardiovaskulär vorerkrankte Migränepatienten bringen, bei denen Triptane kontraindiziert sind. Allerdings lag in den Zulassungsstudien bei „nur 2,2 Prozent“ der Patienten tatsächlich eine Kontraindikation gegen Triptane vor, liest man im „Arznei-Telegramm“. Somit geben sich die Autoren der Fachzeitschrift auch in diesem Punkt unzufrieden mit der Datenlage. 

Sie bemängeln zudem, dass bei einer der drei zulassungsrelevanten klinischen Studien (SAMURAI) Migränepatienten mit unkontrolliertem Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen nicht teilnehmen durften – immerhin 77,9 Prozent der Teilnehmer hatten wenigstens einen kardiovaskulären Risikofaktor(„Neurology“: „Lasmiditan is an effective acute treatment for migraine: A phase 3 randomized study“) 

Insgesamt stuften die Studienautoren damals das Auftreten von kardiovaskulären behandlungsbedingten Nebenwirkungen als „niedrig“ ein. Es sei zu Palpitationen (0,5 Prozent unter 200 mg Lasmiditan, 0,3 Prozent unter 100 mg Lasmiditan) und Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) gekommen.

Blutdrucksteigerung und mehr kardiovaskuläre Ereignisse

In CENTURION, einer weiteren zulassungsrelevanten Studie, stieg unter 200 mg Lasmiditan der Blutdruck gesunder über 65-Jähriger im Mittel um 7 mmHg (Placebo 4 mmHg). Zudem berichten die Autoren des „Arznei-Telegramm“ über signifikant mehr kardiovaskuläre Ereignisse im Zusammenhang mit Lasmiditan als mit Placebo und beziehen sich dabei auf die EMA (Europäische Arzneimittelagentur).

Die FDA erklärte im Rahmen der Zulassungsprüfung, dass die „vorgelegten Daten, einschließlich nichtklinischer und menschlicher Ex-vivo-Studien zur Vasokonstriktion der Koronararterien“ nicht dafür sprächen, die Anwendung von Lasmiditan zu beschränken. Allerdings seien die Daten auch „zu begrenzt, um die kardiovaskuläre Sicherheit von Lasmiditan endgültig festzustellen“.

Und nun?

Eine abschließende Empfehlung, ob Lasmiditan für kardiovaskulär vorerkrankte Migränepatienten sicher ist, scheint schwierig. Selbst die Redaktion des „Arznei-Telegramm“ ist geteilter Meinung: 

„Ein Teil der Redaktion lehnt die Anwendung bei Patienten mit manifesten Gefäßerkrankungen wegen der unzureichenden Sicherheitsdaten jedoch ab, die Übrigen halten den Gebrauch bei diesen Patienten allenfalls bei hohem Leidensdruck und dann nur nach sorgfältiger Aufklärung für vertretbar“

Redaktion des „Arznei-Telegramm“