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Erhöht Zöliakie das Krebsrisiko?

Es ist schon länger bekannt, dass Patienten mit Zöliakie häufiger an Lymphomen (benigne oder maligne Tumoren, die von den Lymphozyten ausgehen) und Dünndarmkrebs leiden. Ob auch weitere gastrointestinale Krebserkrankungen gehäuft auftreten, wurde bisher kontrovers diskutiert.
Eine große französische KohortenstudieClinical Gastroenterology and Hepatology: "High Risk of Digestive Cancers in Patients With Celiac
Disease: A Nationwide Case-Control Cohort Study" untersuchte nun an 27.114 Zöliakie-Patienten die Zusammenhänge zwischen Zöliakie, Krebserkrankungen im Magen-Darm-Trakt sowie entzündlichen Erkrankungen.
Und tatsächlich: Wie erwartet trat das Non-Hodgkin-Lymphom (Gruppe aller malignen Lymphome) rund viermal häufiger bei Zöliakie-Patienten auf (Odds-Ratio: 4,08). Auch solide Tumoren wurden bei Zöliakie im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant häufiger diagnostiziert.
Zur Erinnerung: Was ist Zöliakie?
Zöliakie ist eine immunologische Krankheit, bei der eine Unverträglichkeit glutenhaltiger Lebensmittel wie Weizen und Dinkel vorliegt. Verzehren Betroffene dennoch glutenhaltige Lebensmittel, folgt eine entzündliche Reaktion und autoimmunologisch vermittelte Zottenatrophie der Darmschleimhaut.
Typische Symptome gibt es nicht, da sowohl intestinale Beschwerden wie Diarrhoe, Erbrechen, Obstipation und abdominelle Beschwerden als auch unspezifische Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Erschöpfung oder bei Kindern Gedeihstörungen auftreten können.
Selbst fast asymptomatische Verläufe wie Eisenmangelanämie oder seltener sogar wiederholte Fehlgeburten sind bei unerkannter Zöliakie möglich.
Zöliakie-Patienten leiden häufiger an Dünndarmkrebs
Die deutlichste Assoziation stellten die Forschenden bei Dünndarmkrebs fest, der fast vierzehnfach häufiger bei Zöliakie im Verhältnis zur Kontrollgruppe auftrat. Rund doppelt so häufig erkrankten sie an Krebs der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und – in absteigender Reihenfolge – ebenfalls signifikant häufiger an Krebs der Speiseröhre, des Dickdarms (Kolon) und des Magens.
Insgesamt seien die Erkrankungen in Absolutzahlen aber selten, erinnern die Forschenden. So gäbe es etwa fünf Fälle von Dünndarmkrebs pro 1.000 Patienten. Allerdings korreliere die niedrige Inzidenz auch mit dem jungen Durchschnittsalter der Studienpopulation, das mediane Alter betrug 37 Jahre.
Gut zu wissen: Kohortenstudie untersucht Datenbank
Für die Untersuchung verwendeten die Forschenden die Daten einer nationalen französischen Datenbank, die die Diagnosedaten aller hospitalisierten Patienten anonym erfasst.
Im Zeitraum zwischen 2011 und 2019 konnten so 27.114 Patienten mit Zöliakie eingeschlossen und für neun Jahre nachverfolgt werden. 72,7 % von ihnen waren weiblich. Als Kontrollgruppe diente die gleiche Anzahl Patienten gleichen Alters und gleichen Geschlechts ohne Zöliakie.
Begleiterkrankungen bei Zöliakie: Typ-1-Diabetes, Thyreoiditis und Co
Aufgrund der Pathogenese als Autoimmunerkrankung kommt Zöliakie selten allein. Wie erwartet, stellten auch die Forschenden der aktuellen Studie fest, dass sowohl Osteoporose und rheumatoide Arthritis als auch Typ-1-Diabetes und Thyreoiditis (Entzündung der Schilddrüse) signifikant häufiger in der Zöliakie-Gruppe diagnostiziert wurden.
Die Schilddrüsenerkrankung wurde bei Zöliakie beispielsweise fünfmal häufiger diagnostiziert als in der Kontrollgruppe. Da diese Komorbiditäten hinreichend bekannt sind, werten die Forschenden die Bestätigung der Assoziationen zusätzlich als interne Validierung ihrer Studie.
Bei Lymphomen: Strikter Glutenverzicht kann helfen
Doch wie sieht es mit entzündlichen Erkrankungen aus? Rund viermal häufiger litten Zöliakie-Patienten an Morbus Crohn. Colitis ulcerosa wurde etwa dreimal häufiger diagnostiziert. Auch die nichtinfektiöse Enterokolitis (Entzündung des Dünndarms und des Kolons) und die nichtalkoholische chronische Pankreatitis traten signifikant häufiger auf.
Besonders auffällig war jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko für perniziöse Anämie (Vitamin-B12-Mangelanämie) in der Zöliakie-Gruppe (Odds-Ratio von 11,28).
„Unsere Daten weisen nicht nur auf ein hohes Risiko für Magen-, Pankreas- und Darmkrebs hin, sondern auch auf ein erhöhtes Risiko für entzündliche Erkrankungen, die diese Krebsarten begünstigen“, schreiben die Forschenden in ihrer Publikation.
Grundsätzlich erhöht ein chronisch-entzündlicher Prozess das Risiko für eine bösartige Entartung: Das Risiko für Lymphome im Gastrointestinaltrakt lässt sich beispielsweise senken, indem Betroffene mit Zöliakie bei ihrer Ernährung konsequent auf Gluten verzichten, um eine immunologische Reaktion zu vermeiden.
Ob sich eine strikt glutenfreie Ernährung auch in Bezug auf Entzündungsreaktionen außerhalb des Dünndarms lohnt, darüber ist die Datenlage inkonsistent.
Bei chronischer Pankreatitis an Zöliakie denken!
Eindeutig ist jedoch, dass Betroffene von Zöliakie mit nichtalkoholischer chronischer Pankreatitis fast sechsmal häufiger die Diagnose eines Pankreas-Karzinoms erhielten als Zöliakie-Patienten, die nicht an einer nichtalkoholischen chronischen Pankreatitis leiden. Eine genetische Prädisposition scheint nicht hinter der erhöhten Krebsinzidenz zu liegen.
Hierfür untersuchten die Forschenden Studien der Genom-wide association und fanden keine Überlappungen zwischen Genen, die eine Prädisposition für Zöliakie darstellen, und Pankreaskrebs. Es sei hingegen plausibel, dass die chronische Entzündung, die häufiger bei Zöliakie vorkommt, der treibende Risikofaktor hinter dem erhöhten Auftreten von Pankreaskrebs bei Zöliakie-Patienten ist.
Vor diesem Hintergrund könnte es umgekehrt sogar sinnvoll sein, bei Betroffenen dieser chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung gezielt ein Screening auf Zöliakie vorzunehmen, zumal die Symptomatik äußerst diskret verlaufen kann.
Analog beobachteten die Wissenschaftler ein sehr deutlich erhöhtes Risiko für Magenkrebs, wenn Zöliakie-Patienten begleitend an einer perniziösen Anämie leiden. Diese deutet nämlich auf eine autoimmunbedingte Typ-A-Gastritis hin.
Bei Zöliakie: Magenbiopsie und Koloskopie sinnvoll
Die starke Assoziation zwischen Magenkrebs und Zöliakie unterstützt das Vorgehen bei der Diagnostik von Zöliakie. Üblicherweise wird eine Duodenalbiopsie (Gewebeprobe aus dem Zwölffingerdarm) genommen, auch vom Magen werden Gewebeproben entnommen und diese im Verlauf wiederholt.
Nachdem Zöliakie auch das Risiko für ein Kolonkarzinom erhöht, erscheint zusätzlich eine gezielte Koloskopie (Darmspiegelung) als Screening-Untersuchung sinnvoll.
Vor diesem Hintergrund ermuntern die Forschenden in ihrem Schlusssatz, Zöliakie-Patienten lebenslang durch endoskopische Follow-up-Untersuchungen zu begleiten. Quelle:
- https://www.cghjournal.org/action/showPdf?pii=S1542-3565%2824%2901081-4