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Brasilianische Forschungsergebnisse wecken Hoffnung: Schlangengift gegen Corona?

Nahaufnahme einer Viper Bothrops jararacussu
Das Gift der Viper Bothrops jararacussu könnte helfen, die Vermehrung von SARS-CoV-2 in Zellen zu hemmen. Darauf deuten Laborversuche aus Brasilien hin. | Bild: IMAGO / agefotostock

Bothropstoxin-I (BthTX-I) ist ein Myotoxin (Muskellähmendes Gift), das aus dem Gift der Schlange Bothrops jararacussu isoliert wird. Den brasilianischen Wissenschaftlern um Marjorie C. L. C. Freire zufolge hat es bereits „beträchtliche“ antimikrobielle Aktivität gegen teilweise auch multiresistente Bakterienstämme gezeigt. Funktioniert Bothropstoxin-I vielleicht auch gegen SARS-CoV-2?

Die Forschergruppe vom Institut für Chemie (IQ) der staatlichen Universität von São Paulo (Unesp) in Brasilien erforschte die Wirkung dieses Toxins folglich auch gegen SARS-CoV-2, zunächst in Laborversuchen. Sie veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Arbeit nun Mitte August im internationalen Fachjournal „Molecules“.

Gut zu wissen: Die Jararacussu-Schlange 

Die Jararacuçu-Schlange (Jaracussu) zählt zur Familie der Vipern – die allesamt giftig sind – und zur Unterfamilie der Grubenottern. Sie wird bis zu 150 cm lang, wobei die Weibchen auch über 2 m groß werden können. Die Giftzähne der Jararacussu sitzen im vorderen Oberkiefer und sind einklappbar und auffallend lang. Die Schlange kann pro Biss 300 Mikrogramm Gift in die Bisswunde sezernieren. Ohne medizinische Versorgung verlaufen 15 bis 18 Prozent der Bisse einer Jararacussu-Schlange tödlich.

Bothropstoxin-I hemmt SARS-CoV-2

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Bothropstoxin-I in der Lage ist, die Vermehrung von SARS-CoV-2 in Affenzellen um 75 Prozent zu hemmen. Dafür wurde Bothropstoxin-I zur Affenzellkultur hinzugefügt und diese eine Stunde später mit SARS-CoV-2 infiziert. Zwei Tage später untersuchten die Wissenschaftler, wie stark das Virus in seiner Vermehrung gehemmt worden war. Diese Hemm-Ergebnisse verglichen sie sodann mit der natürlichen Vermehrung von SARS-CoV-2 in Affenzellen (ohne Bothropstoxin-I) und machten Unterschiede in der Replikation aus: „Wir haben ein Peptid gefunden, das für Zellen nicht toxisch ist, aber die Virusvermehrung hemmt“, erklärt Eduardo Maffud Cilli, Professor am IQ und einer der Autoren der Studie. Er denkt, wenn Bothropstoxin-I als Arzneimittel verfügbar wäre, könnte durch die virushemmende Wirkung des Schlangengifts der menschliche Körper Zeit gewinnen, um ausreichend Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu bilden, „da das Virus in seiner Infektionsgeschwindigkeit beeinträchtigt wäre und sich nicht im Organismus ausbreiten würde“, erklärt Cilli.

Auch bei Virusvarianten wirksam?

Den Wissenschaftlern zufolge wirkt Bothropstoxin-I dadurch antiviral, dass es mit einem für die Vermehrung von SARS-CoV-2 wichtigen COVID-19-Enzym – der Papain-like Protease (PLpro) – wechselwirkt und dieses blockiert. Interessant sei dieser Ansatz vor allem deswegen, da alle bislang aufgetretenen SARS-CoV-2-Varianten dieses Enzym besäßen und somit die Hoffnung besteht, dass Bothropstoxin-I deswegen auch gegen Virus-Varianten wirkt und diese „Wirksamkeit gegen verschiedene Virusmutationen beibehält“, heißt es auf dem brasilianischen News-Portal „Por dentro do RN“.

Braucht man Arzneimittel, wenn es doch Impfstoffe gibt?

Mittlerweile sind einige sehr wirksame Impfstoffe gegen COVID-19 entwickelt. Weitere befinden sich in der Pipeline und könnten in Kürze zugelassen werden, zum Beispiel Novavax oder in Großbritannien auch der Ganzvirus-Impfstoff VLA2001 – braucht man denn dann überhaupt noch Arzneimittel gegen SARS-CoV-2? Den brasilianischen Wissenschaftlern zufolge kommen Anti-Corona-Arzneimitteln trotz der verfügbaren Corona-Impfstoffe immer noch eine wichtige Bedeutung zu, da die Immunisierung der Weltbevölkerung wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Das – gemeinsam mit der Herausforderung neu auftretender Varianten – mache die Wichtigkeit der Suche nach wirksamen Arzneimitteln deutlich, erklären die Wissenschaftler. Fairerweise muss man hier jedoch dazu sagen, dass auch die Forschung um Bothropstoxin-I erst in den Kinderschuhen steckt, wurde die Wirksamkeit des Schlangengifts gegen SARS-CoV-2 bislang doch nur im Zellkulturversuch untersucht. Somit dürfte auch bis zur Verfügbarkeit des potenziellen Corona-Arzneimittels aus Schlangengift noch einige Zeit verstreichen.

Weitere Forschung geplant

Doch soll es rasch weitergehen: Die Wissenschaftler wollen im nächsten Schritt untersuchen, welche Dosis genügt, um SARS-CoV-2 wirksam zu hemmen. Zudem interessiert es sie, ob Bothropstoxin-I auch weitere schützende Effekte auf Zellen hat wie zum Beispiel, dass diese sich gar nicht mehr mit SARS-CoV-2 infizieren lassen und Bothropstoxin-I folglich verhindern könnte, dass SARS-COV-2 überhaupt in die Zelle eindringt. Danach wolle man die präklinische Phase starten, um die Wirksamkeit von Bothropstoxin-I in der Behandlung von mit SARS-CoV-2 infizierten Tieren zu untersuchen. „Unsere Ergebnisse sind vielversprechend und stellen eine wertvolle Ressource bei der Erforschung neuer Moleküle für die Entdeckung und Entwicklung von Medikamenten gegen die SARS-CoV-2-Infektion dar“, so Cilli abschließend.

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