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Sport in der Schwangerschaft: ja oder nein?

Sollte man in der Schwangerschaft zum Schutz des Kindes und der Mutter besser auf Sport verzichten? | Bild: fizkes / AdobeStock 

Früher waren schwangere Frauen eher dazu angehalten, während der Schwangerschaft auf Sport zu verzichten. Grund war die Sorge vor einer Frühgeburt oder dass Sport beim Fötus Stress auslöst und ihm schadet. Diese Empfehlung hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Fachgesellschaften sind sich heute einig, dass – bei einer gesunden Schwangeren – moderater Sport den Verlauf einer Schwangerschaft positiv beeinflusst: „Eine gesunde, stabile Schwangerschaft wird durch Sport nicht gefährdet. Im Gegenteil: Sport im richtigen Maß ist gut für Mutter und Kind“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) bei „Frauenärzte im Netz“. 

Ein großer Vorteil ist z. B., dass Schwangere durch Sport einer übermäßigen Gewichtszunahme entgegensteuern.

Das Baby trainiert mit

Die mütterliche Aktivität scheint sich zudem positiv auf das Herz des Babys auszuwirken. 2011 stellten Wissenschaftler auf der FASEB-Konferenz (Federation of American Societies for Experimental Biology) hierzu eine Studie vor: In dieser wurde die Herzfunktion von Babys, deren Mütter in der Schwangerschaft sportlich aktiv waren, mit der Herzfunktion von Babys inaktiver Mütter verglichen. Das Ergebnis: Die Babys trainierter Mütter hatten ein stärkeres Herz und einen langsameren Puls – ein „Hinweis auf eine besser trainierte Herzmuskulatur“, hieß es in dem Paper damals.

In einer 2018 veröffentlichten Übersichtsarbeit„Spotlight on the fetus: how physical activity during pregnancy influences fetal health: a narrative review“, veröffentlich im „BMJ Open Sport and Medicine“   kommen Wissenschaftler ebenfalls zu einem positiven Ergebnis, wenn sich werdende Mütter in der frühen Schwangerschaft mit „niedriger Intensität“ körperlich bewegen. Diese Aktivität erhöhte die Durchblutung der Nabelschnur sowie der Plazenta, verbesserte die Anpassung des fetalen Herzens an die Umgebung und hatte damit positive Auswirkungen auf Mutter und Kind.

Gut zu wissen: Wie reagiert das Baby auf Sport?

Die größte gynäkologisch-geburtshilfliche Fachgesellschaft in den USA (ACOG, American College of Obstetricians and Gynecologists) hat die wichtigsten Studien, die sich damit beschäftigen, wie sich körperliche Aktivität der Mutter auf das Baby auswirkt, zusammengefasst. Laut der ACOG konnten mehrere Studien zeigen, dass sich die kindliche Herzfrequenz „minimal bis mäßig“ um 10 bis 30 Schläge pro Minute während oder nach dem Training erhöhte (normal sind 120 bis 160 Schläge pro Minute)(nachzulesen bei „JAMA“: „Fetal Heart Rate Response to Maternal Exertion“ sowie „Journal of Obstetrics and Gynaecology Canada“: „Clinical physiology of exercise in pregnancy: a literature review“ sowie „American Journal of Obstetrics and Gynecology“: „Fetal heart rate responses to maternal exercise“ und „Obstetrics Gynecology“: „Exercise During Pregnancy: Fetal Responses to Current Public Health Guidelines“) .

Trieben Frauen während der Schwangerschaft Sport, unterschied sich das Geburtsgewicht des Babys „minimal bis gar nicht“ verglichen mit dem von Babys, deren Mütter nicht aktiv gewesen waren(nachzulesen bei „Cochrane“: „Aerobic exercise for women during pregnancy“ sowie „Medicine & Science in Sports & Exercise“: „Effects of physical exercise on pregnancy outcomes“ sowie „Clinical Obstetrics and Gynecology“: „Effect of Exercise on Birthweight“) . Waren die Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel „intensiv“ sportlich aktiv, so erhöhte dies die Wahrscheinlichkeit, dass das Baby 200 g bis 400 g weniger wog als Babys von Vergleichspersonen. Dem ACOG zufolge bestand allerdings kein „erhöhtes Risiko für eine kindliche Wachstumsverzögerung“.

Sport ja, aber keine Verausgabung!

Anders bewerten die Wissenschaftler der Übersichtsarbeit die Datenlage, wenn sich die werdenden Mütter körperlich stark forderten. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass „einige Formen körperlicher Aktivität zumindest eine vorübergehend ungünstige Wirkung“ auf den Fötus haben könnten – auch wenn die verfügbaren Daten nicht ausreichten, um allgemeine Empfehlungen auszusprechen.  

Bei den „Warnungen“ geht es vor allem um Frauen, die sich körperlich stark verausgabten (Trainingsintensität über 90 Prozent der maximalen Sauerstoffkapazität/-aufnahme). Das kann den Wissenschaftlern zufolge beim Fötus einen zu langsamen Herzschlag (Bradykardie) oder auch eine erhöhte fetale Herzrate auslösen – was den „Fötus möglicherweise vorübergehend“ belaste. 

Sechs Olympia-Teilnehmerinnen als Probanden

Die Studie(„Wellbeing may be compromised during strenuous exercise among pregnant elite athletes“, veröffentlicht 2011 im „British Journal of Sports Medicine“) , auf die sich die Wissenschaftler im „BMJ“ bezogen, wurde an sechs Olympionikinnen durchgeführt, die vor der Schwangerschaft wöchentlich 15 bis 22 Stunden trainiert hatten. In Woche 23–29 der Schwangerschaft absolvierten sie drei bis fünf Laufbandeinheiten mit 60- bis 90-prozentiger maximaler Sauerstoffbelastung. Ausgewertet wurde die Durchblutung der Nabelschnur- und Gebärmutterarterien. 

Der mittlere Blutfluss in der Gebärmutterarterie lag während der körperlichen Aktivität bei 40–75 Prozent des Ausgangswertes. Die fetale Herzfrequenz lag im normalen Bereich (110–160 bpm), solange die Frau unter 90 Prozent der maximalen mütterlichen Herzfrequenz (MHR) trainierte. Eine fetale Bradykardie und ein hoher Pulsatilitätsindex der Nabelarterie traten erst auf, wenn die Frau mit mehr als 90 Prozent ihrer maximalen Herzfrequenz trainierte. Beides normalisierte sich nach Ende der Aktivität rasch.

Keine Frühgeburten, weniger Bluthochdruck, Diabetes und Kaiserschnitte

Eine große Sorge beim Thema Sport in der Schwangerschaft ist stets, dass körperliche Aktivität eine Frühgeburt auslösen könnte. 2016 entkräfteten Wissenschaftler jedoch die These, dass Sport in der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburten oder einem niedrigen Geburtsgewicht des Babys zusammenhängt. 

Begannen Schwangere (normalgewichtig, unkomplizierte Einlingsschwangerschaft) Ende des ersten oder während des zweiten Trimenons (Woche 8 bis 22) drei- bis viermal pro Woche für im Mittel 60 Minuten mit Radfahren, Wassergymnastik, Tanzen und Kraftübungen (Anstrengung lag bei 60 bis 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz) und behielten die Aktivität bis zur Geburt bei, war weder das Risiko für eine Frühgeburt vor der 37. Schwangerschaftswoche noch für ein niedriges Geburtsgewicht erhöht. 

Im Gegenteil: Die körperlich aktiven Schwangeren entbanden signifikant häufiger vaginal, hatten signifikant weniger Kaiserschnitte sowie deutlich seltener einen Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck in der Schwangerschaft. Deshalb sollte Bewegung „gefördert“ werden, rieten die Wissenschaftler im „American Journal of Obstetrics and Gynecology“(AJOG: „Exercise during pregnancy in normal-weight women and risk of preterm birth: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials“)  und riefen in einem Editorial  geradezu dazu auf: „Exercise in Pregnancy!“

Vorteile auch bei Rückenschmerzen und Geburtsgröße

Einer 2017 im „JAMA“ veröffentlichten Arbeit(„Exercise During Pregnancy“)  zufolge beugt Bewegung in der Schwangerschaft auch 

  • einer Makrosomie des Neugeborenen (abnormale Größe des Babys, Geburtsgewicht oberhalb von 4.350 g), 
  • einer Präeklampsie,
  • Schmerzen im unteren Rücken und Beckengürtel sowie 
  • einer Harninkontinenz vor.

Sport ist gesundheitsfördernd – auch in Schwangerschaft

Das ACOG hält regelmäßige körperliche Aktivität aufgrund der aktuellen Studienlage „in allen Lebensphasen, auch in der Schwangerschaft“ für gesundheitsfördernd. Eine Schwangerschaft sei „ideal“, um einen gesunden Lebensstil weiterhin zu pflegen oder damit zu beginnen. 

Dem stimmt auch der NHS (National Health Service) zu: „Setzen Sie Ihre normale tägliche körperliche Aktivität oder Bewegung (Sport, Laufen, Yoga, Tanzen oder Spaziergänge) so lange fort, wie Sie sich wohlfühlen“, empfehlen die britischen Gesundheitsexperten.

Empfehlungen des ACOG:

  • „Körperliche Aktivität und Sport in der Schwangerschaft sind mit minimalen Risiken verbunden und kommen nachweislich den meisten Frauen zugute.“
  • Schwangerschaftsbedingte physiologische Veränderungen sowie die Anforderungen des Fötus könnten eine Anpassung der Trainingsroutine erfordern.
  • Vor Beginn eines Trainingsprogramms sollten medizinische Gründe ausgeschlossen werden, die körperlicher Aktivität und Sport entgegenstehen.
  • „Frauen mit unkomplizierten Schwangerschaften sollten ermutigt werden, vor, während und nach der Schwangerschaft Sport- und Krafttrainingsübungen durchzuführen.“
  • Um das Frühgeburtenrisiko zu reduzieren, ist keine routinemäßige Einschränkung der körperlichen Aktivität notwendig.
  • Bei Komplikationen in der Schwangerschaft sollten Gynäkologen oder andere Geburtshelfer die Umstände „sorgfältig beurteilen“, bevor sie Empfehlungen zur körperlichen Aktivität aussprechen.

Dem ACOG zufolge profitieren Schwangere und das Ungeborene von regelmäßiger körperlicher Bewegung, da diese

  • Rückenschmerzen reduziert,
  • Verstopfung lindert,
  • das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie und Kaiserschnittgeburten verringert,
  • eine gesunde Gewichtszunahme in der Schwangerschaft fördert,
  • die allgemeine Fitness sowie Herz und Blutgefäße stärkt,
  • hilft, nach der Geburt wieder das Ausgangsgewicht zu erreichen.

In der Schwangerschaft keine routinemäßige Bettruhe!

Das ACOG ist strikt gegen routinemäßige Bettruhe in der Schwangerschaft. Es gebe keine Beweise, dass Bettruhe vorzeitigen Wehen vorbeuge, erklärt die amerikanische Fachgesellschaft(„Obstretrics & Gynecology“: „Practice Bulletin No. 171: Management of Preterm Labor“ und „Cochrane“: „Hospitalisation and bed rest for multiple pregnancy“) . Eine längere Bettruhe birgt sogar Risiken, wie venöse Thromboembolien, Knochendemineralisation oder negative psychosoziale Auswirkungen. Auch senkt den derzeit verfügbaren Daten zufolge eine routinemäßige Bettruhe nicht die Gefahr einer Präeklampsie(„Obstetrics & Gynecology“: „ACOG Practice Bulletin No. 202: Gestational Hypertension and Preeclampsia“) .