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Neues Jahr, neue Arzneimittel – diese werden erwartet

Zahlreiche bunte Tabletten, Kapseln und Co.
Für das Jahr 2024 stehen etwa 40 neue Medikamente für den Markteintritt in den EU-Ländern bereit. | Bild: New Africa / AdobeStock

Mit welchen neuen Arzneimitteln ist im Jahr 2024 zu rechnen? Alljährlich veröffentlicht der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) seine Prognose. So auch in diesem Jahr. Der Verband erwartet demnach, dass mehr als 40 neue Arzneimittel gegen unterschiedlichste Krankheiten für einen Markteintritt in den EU-Ländern in Betracht kommen. Dies zeigten zahlreiche kürzlich erteilte Zulassungen und laufende Zulassungsverfahren. 

Neben neuen Therapieoptionen gegen Herzinsuffizienz, Wechseljahresbeschwerden, Migräne oder Anämie könnte es in folgenden Indikationen Innovationen geben:

Neue Antikörper gegen die Alzheimer-Demenz?

Bei der Alzheimer-Demenz könnten in diesem Jahr endlich wieder neue Arzneimittel zur Verfügung stehen – in Europa die ersten seit 2002. Denn der 2021 in den USA zugelassene Antikörper Aducanumab (Aduhelm) erhielt von der europäischen Aufsichtsbehörde EMA keine Zulassung. 

Der vfa sieht ein bis zwei aussichtsreiche Antikörper-Kandidaten, für die derzeit Zulassungsverfahren laufen. Allerdings sollen auch sie den kognitiven Abbau lediglich verlangsamen, jedoch nicht stoppen können. Der Einreichung dieser Zulassungsanträge für Alzheimer-Therapeutika sollen mehr als 150 gescheiterte Projekte vorausgegangen sein.

Neue Hoffnung bei Krebserkrankungen

Wie in den vergangenen Jahren ist die Pipeline bei Arzneimitteln gegen Krebserkrankungen prall gefüllt – rund ein Viertel der Mittel, die dieses Jahr auf den Markt kommen könnten, stammen aus diesem Bereich. Sie repräsentieren unterschiedlichste Arzneimittelklassen, darunter 

  • Kinasehemmer,
  • ein Antikörper-Toxin-Konjugat,
  • mehrere Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Tislelizumab) sowie
  • zwei bispezifische Antikörper (u. a. Elranatamab),

die die Bindung von Immunzellen an Krebszellen ermöglichen und so deren gezielte Eliminierung initiieren. Ebenso vielfältig sind die Indikationen, in denen diese neuen Arzneimittel eingesetzt werden sollen: 

Sie reichen von Brust- oder Prostatakrebs (Trastuzumab-Duocarmazin, Piflufolastat), Magen-, Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, über Gallengangkarzinome (Futibatinib), nichtkleinzellige oder kleinzellige Lungenkarzinome, Nasopharynx- oder Merkelzell-Karzinome, Melanome (Relatlimab/Nivolumab) und das Multiple Myelom (Elranatamab) bis hin zu Myelofibrose (Momelotinib), dem Myelodysplastischen Syndrom sowie dem Non-Hodgkin-Lymphom.

Weitere angepasste Impfstoffe gegen COVID-19

Auch im Bereich COVID-19 bzw. Post-COVID werden Neuerungen erwartet: So dürfte es in diesem Jahr im Herbst wieder angepasste Impfstoffe geben und zudem möglicherweise noch einen neuen mRNA-Impfstoff auf Basis von selbstamplifizierender mRNA (sa-mRNA). Neben mRNA, die für das Spike-Protein codiert, enthält er zusätzlich Gene für das Enzym Replikase, das die mRNA vervielfältigen kann. Der in Japan bereits zugelassene Impfstoff soll über einen längeren Zeitraum für Antigenbildung sorgen als die bereits zugelassenen Vakzinen. Zudem sollen niedrigere Dosen verabreicht werden können, was die Verträglichkeit steigern soll.

In der Therapie tut sich ebenfalls etwas: Für schwer erkrankte Personen könnte es eine zusätzliche Option geben, die überschießende Immunreaktion abzumildern. Zugelassen ist bislang Dexamethason.

Gegen das Post-COVID-Syndrom wird es dem vfa zufolge zwar nichts gänzlich Neues geben. Es sollen jedoch Arzneimittel, die bereits in anderen Indikationen auf dem Markt sind, für diese Indikation erstattungsfähig werden.

Neuzugänge bei Autoimmunkrankheiten

Im Bereich der Autoimmunkrankheiten könnte es dieses Jahr einige Neuzugänge geben: Bis zu drei Wirkstoffe gegen paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH), bis zu zwei gegen die Nerven und Muskeln betreffende Erkrankung Myasthenia gravis sowie weitere gegen atopische Dermatitis und Multiple Sklerose.

Neue Gentherapien bei angeborenem Gendefekt

Des Weiteren könnte es in diesem Jahr auch neue Gentherapien bei den angeborenen Erkrankungen Sichelzell-Anämie und Beta-Thalassämie geben, die auf der Genschere CRISPR/Cas9 basieren. Die EMA hat für Exagamglogen autotemcel Mitte Dezember die Zulassung empfohlen. Der Vorteil gegenüber den bisherigen gentherapeutischen Methoden ist, dass CRISPR/Cas9 einen zielgenaueren Eingriff ins Genom ermöglicht.

Neben Gentherapien, die eine Heilung der angeborenen Defekte ermöglichen, wird zudem an Arzneimitteln zur Linderung der Folgen genetisch bedingter Krankheiten geforscht. So könnten in diesem Jahr auch Präparate zur Behandlung von Kofaktor-Molybdän-Mangel und von CDKL5-Mangelsyndrom zur Verfügung stehen sowie zwei Arzneimittel für den Einsatz bei Duchenne-Muskeldystrophie.

Kritik an den Rahmenbedingungen

Ob all diese Innovationen auch in Deutschland zeitnah auf den Markt kommen und dort auch dauerhaft bleiben, ist in den Augen von vfa-Präsident Han Steutel allerdings fraglich: „Bis 2022 ließen es die deutschen Rahmenbedingungen zu, dass Unternehmen fast alle ihre neu zugelassenen Medikamente zeitnah und dauerhaft auf den Markt bringen. Doch seit dem Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes mit seinen folgenreichen Eingriffen auch in das Erstattungssystem hat sich das geändert. Es ist daher offen, welche neuen Medikamente tatsächlich Deutschland erreichen und auch nach der Nutzenbewertung als Therapieoptionen verfügbar bleiben“, so Steutel.