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Die wichtigsten Fragen und Antworten zu RSV

Asiatisches Kind im Krankenhausbett mit Beatmungsmaske
Vor allem Säuglinge und Kleinkinder erkranken an RSV. | Bild: Apichit / AdobeStock

Lange wurde unterschätzt, wie stark Respiratorische Synzytialviren (RSV) in der Allgemeinbevölkerung zirkulieren. Seit der Wintersaison 2010/11 berichtet das Robert Koch-Institut (RKI) über die Infektionslage mit dem Virus in Deutschland. Derzeit haben 75 Prozent der Kinder, die wegen einer Atemwegsinfektion im Krankenhaus sind, RSV. Das berichtete das RKI im ersten ARE (akute respiratorische Erkrankungen)-Wochenbericht 2024. 

Im Epidemiologischen Bulletin 1/2024 fasst das Robert Koch-Institut die wichtigsten Punkte zu RSV in einem Ratgeber zusammen:

Wie sieht das RS-Virus aus?

RSV ist ein einzelsträngiges RNA-Virus mit einer doppelschichtigen Lipidhülle aus der Familie der Pneumoviridae. In diese Lipidhülle sind Glykoproteine eingelagert – unter anderem das Fusionsprotein (F-Protein) und das Adhäsionsprotein (G-Protein), die für die Pathogenität, sprich die krankmachenden Eigenschaften von RSV, bedeutend sind. 

Es zirkulieren zwei Gruppen von RS-Viren: RSV-A und RSV-B. Sie unterscheiden sich im Adhäsionsprotein. In den meisten RSV-Saisons dominiert RSV-A.

Woher hat RSV seinen Namen?

Bei einer Infektion heftet sich das RS-Virus über sein Adhäsionsprotein an seine Wirtszelle (zilientragende Epithelzellen der Atemwege). Anschließend sorgt das Fusionsprotein dafür, dass das Virus in die Zellen gelangt und die Atemwegszellen miteinander verschmelzen, was man Synzytienbildung nennt. 

Daher stammt der Name Respiratorisches Synzytialvirus bzw. RSV. Die geschädigten Epithelzellen und die dadurch ausgelöste Immunreaktion sorgen für Zelltrümmer und Schleim, welche schließlich die Atemwege verengen.

Wann ist RSV-Saison?

RSV ähnelt in der Saisonalität der Grippe (Influenza). Die meisten Erkrankungen treten zwischen November/Dezember und März/April auf. Einen Infektionsgipfel, der in der Regel vier bis acht Wochen dauert, beobachtet man oft im Januar und Februar. 

In den Sommermonaten kommen RSV-Infektionen hingegen nur sporadisch vor. Corona hat das saisonale Muster von RSV etwas verschoben, sodass man in den letzten Jahren bereits sehr früh eine hohe RSV-Aktivität beobachten konnte.

Wer erkrankt vor allem an RSV?

RS-Viren können Menschen jeglichen Alters infizieren und Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege provozieren. Am häufigsten treffen RSV-Infektionen Säuglinge – vor allem Frühgeborene –, Kleinkinder und ältere Menschen. 

Neugeborene können in den ersten vier bis sechs Lebenswochen noch durch Antikörper der Mutter, die über die Plazenta (diaplazentar) in den letzten Schwangerschaftswochen an das Baby übergegangen sind, geschützt sein. Bei Frühgeborenen fehlt dieser Nestschutz.

Das RKI schätzt, dass sich im ersten Lebensjahr 50 bis 70 Prozent der Säuglinge mit RSV infizieren und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu jedes Kind eine RSV-Infektion durchgemacht hat. 

Erkranken Kleinkinder schwer (untere Atemwege) aufgrund von RSV, sterben 0,2 Prozent der hospitalisierten Kinder auch ohne bekanntes erhöhtes Risiko. Bei Frühgeborenen und Kindern mit Vorerkrankungen (Lungen-, Herz- und neuromuskuläre Erkrankungen, Immunschwäche, Trisomie 21) liegt die Sterblichkeit deutlich höher (1,2 Prozent bei Frühgeborenen, 4,1 Prozent bei bronchopulmonaler Dysplasie, 5,2 Prozent bei angeborenem Herzfehler). Jungen erkranken häufiger als Mädchen.

Was sind die Symptome einer RSV-Infektion?

Eine erste Infektion (Primärinfektion) äußerst sich meist „deutlich“ klinisch als Erkrankung der oberen Atemwege mit Schnupfen, nichtproduktivem Husten und Pharyngitis (Rachenentzündung), die nach 1–3 Tagen auf die unteren Atemwege mit produktivem Husten und eventuell Dyspnoe (erschwertes Atmen oder Atemnot) „wechseln“ kann. 

Typisch ist auch eine exspiratorische Obstruktion (sinngemäß: eine Verengung beim Ausatmen). Kinder fiebern häufig. Bei 5 Prozent zeigt sich ein keuchhustenähnliches Krankheitsbild

Säuglinge sind oft im Allgemeinzustand reduziert und haben Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme (Trinkschwäche). Zu Komplikationen und schweren Pneumonien kommt es vor allem bei Risikopatienten. Langzeitfolgen einer RSV-Bronchiolitis können ein überempfindliches Bronchialsystem und wiederkehrende Obstruktionen sein.  

Wichtig ist zudem, dass bei 75 Prozent aller Mittelohrentzündungen bei Kindern unter drei Jahren RSV alleinig oder als Co-Erreger nachgewiesen werden kann.  

RSV-Reinfektionen sind häufig, aber größtenteils auch weniger schwer als die Primärinfektion. Eine lebenslange Immunität besteht folglich nicht.

Wie kann man sich mit RSV anstecken?

RS-Viren übertragen sich durch Tröpfcheninfektion, wobei die Schleimhaut der oberen Atemwege und die Bindehaut (Konjunktiven) die wichtigsten Eintrittspforten sind. Laut RKI bleibt RSV auf Händen 20 Minuten infektiös, auf Papierhandtüchern 45 Minuten und auf Einmalhandschuhen oder Kunststoffoberflächen sogar mehrere Stunden. Die Inkubationszeit – die Zeit zwischen Kontakt und den ersten Symptomen – liegt bei 2–8 Tagen (durchschnittlich 5 Tage).

Wie lange ist man ansteckend?

Bereits einen Tag nach Ansteckung können RSV-Infizierte wiederum andere anstecken und infektiös sein, also noch vor ihrem eigenen Symptombeginn. 

Immunkompetente sind dem RKI zufolge 3–8 Tage ansteckend, Früh- und Neugeborene und Menschen mit Immunschwäche könnten das Virus hingegen über Wochen (teils sogar Monate) ausscheiden.

Wie sieht die Therapie bei RSV aus?

„Eine wirksame kausale Behandlung der RSV-Infektion existiert nicht“, erklärt das RKI, weswegen man die Erkrankung rein symptomatisch behandelt: ausreichend Flüssigkeit, um Sekret zu mobilisieren, und Kochsalztropfen für die Nase. 

Erkranken Patienten schwer, müssen sie unter Umständen intubiert werden, teils könnten Bronchodilatatoren die Atemnot lindern. Antibiotika wirken nicht (RSV ist ein Virus). Sie sind lediglich dann indiziert, wenn eine bakterielle Zweitinfektion auftritt.

Kann man gegen RS-Viren impfen?

2023 war das Jahr der ersten RSV-Impfstoffe: Gleich zwei aktive Impfstoffe haben die EU-Zulassung erhalten – Abrysvo® (Pfizer) und Arexvy (GSK). Beide Impfstoffe dürfen ältere Menschen ab 60 Jahren zum RSV-Schutz erhalten. 

Abrysvo® dürfen zudem Schwangere zwischen den Schwangerschaftswochen 24 und 36 geimpft bekommen, um den sodann geborenen Säugling in seinen ersten sechs Lebensmonaten durch maternale Antikörper vor schweren RSV-Erkrankungen zu schützen. 

Bei den Antigenen setzen Pfizer und GSK auf ein rekombinant hergestelltes Präfusionsprotein von RSV. Die Präfusionsform des F-Proteins ist das primäre Ziel neutralisierender Antikörper sowie die Struktur, die es einnimmt, um sich an die menschlichen Zellen zu heften und mit diesen zu verschmelzen (fusionieren).

Derzeit empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die aktive RSV-Impfung nicht. Dem RKI zufolge „berät“ sie aktuell jedoch bereits zu dem Thema. 

Fachgesellschaften haben sich hingegen schon für die Impfung ausgesprochen. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) empfiehlt die Impfung für immungeschwächte Patienten mit hämatologischen oder onkologischen Erkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) spricht sich für eine RSV-Impfung für ab 60-Jährige und für Erwachsene mit schweren pulmonalen oder kardiovaskulären Vorerkrankungen oder Immunschwäche aus.

Gibt es noch eine andere Prophylaxe gegen RSV?

Noch vor den aktiven Impfstoffen gab es Palivizumab in Synagis® (seit 1999) und seit 2022 auch Nirsevimab (Beyfortus®), die als passive Immunisierung (keine Impfstoffe!) gegen RSV eingesetzt werden können. 

Die Antikörper binden das RS-Virus, neutralisieren es und verhindern so, dass es die Lungenzellen infiziert. Der Nachteil: Palivizumab und Nirsevimab stimulieren nicht das menschliche Immunsystem zur aktiven Bekämpfung des Virus, es bildet folglich keine eigenen Antikörper und Gedächtniszellen, weswegen der RSV-Schutz lediglich temporär ist.

Palivizumab ist zugelassen für Frühchen (vor der 35. Schwangerschaftswoche geboren) sowie für Kleinkinder unter zwei Jahren mit bronchopulmonaler Dysplasie (chronische Lungenerkrankung) und bestimmten Herzfehlern. Palivizumab wirkt nur kurz, die Kinder müssen den Antikörper während der RSV-Saison monatlich erhalten. 

Bei Nirsevimab hingegen genügt eine einmalige Dosis für die gesamte RSV-Saison. Auch ist die Zulassung breiter gefasst: Nirsevimab dürfen nicht nur Frühgeborene beziehungsweise vorerkrankte Kinder erhalten, sondern alle Neugeborenen, Säuglinge und Kleinkinder während ihrer ersten RSV-Saison.