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Begünstigen sich perinatale Depression und Autoimmun­erkrankung?

Verzweifelte Frau mit Baby auf dem Arm
Frauen mit perinatalen Depressionen waren zu 30 % häufiger bereits wegen einer diagnostizierten Autoimmunerkrankung in Behandlung. | Bild: Home-stock / AdobeStock

Dass entzündliche Autoimmunerkrankungen durch schwere Depressionen begünstigt werden können, ist schon länger bekannt. Wir wissen auch, dass die Hormonveränderungen, die während und kurz nach einer Schwangerschaft im Körper der Mutter ablaufen, das Immunsystem beeinflussen. 

Aber gibt es eine direkte Verbindung zwischen Depressionen von werdenden bzw. frisch gebackenen Müttern und Autoimmunerkrankungen?

Das schwedische Forschungsteam um Emma Bränn zeigt jetzt, dass Frauen, die an einer perinatalen Depression (kurz: PND) leiden, ein 30 % höheres Risiko haben, zusätzlich dazu noch eine Autoimmunerkrankung (Kurz: AD, autoimmune disease) zu entwickeln. 

Auch andersherum besteht der Zusammenhang: Das Risiko, während der Schwangerschaft oder innerhalb eines Jahres nach Geburt eine Depression zu entwickeln, ist um 30 % erhöht, wenn die Frau schon eine diagnostizierte Autoimmunerkrankung hat.

Gut zu wissen: Depressionen rund um die Geburt

Perinatale Depression (PND) ist ein Überbegriff, der sich auf den gesamten Zeitraum von der Schwangerschaft bis in die frühe Mutterschaft (bis 1 Jahr nach Geburt) bezieht.

Kommt die Depression während der Schwangerschaft vor, spricht man auch von einer pränatalen Depression. Dies betrifft etwa 18,4 % (schwer: 12,7 %) aller Schwangeren. Die vorherrschenden Symptome sind: Traurigkeit, übertriebene Sorge, Schlafstörungen und innere Leere.

Tritt eine Depression in den ersten Wochen nach der Geburt auf, spricht man von einer Wochenbettdepression. Hält sie bis zu einem Jahr nach der Geburt an, ist es eine postpartale Depression. Hier liegt die Prävalenz bei 19,2 % (schwer: 7,1 %). Symptome können sein:  gedrückte Stimmung, Selbstzweifel, Schuldgefühle, Überforderung, Isolation, Schlafstörungen bis hin zu Suizidgedanken.

PND können schwerwiegende Folgen für Mutter wie Kind und oft auch für die ganze Familie haben, Betroffene sollten unbedingt offen mit Partner/Familie/Freunden darüber sprechen und sich ärztliche Hilfe suchen!

Von einer PND zu unterscheiden, ist der sog. Baby Blues. Davon sind etwa 50–80 % der Mütter betroffen. Hierbei handelt es sich um keine Depression. Der Baby Blues entsteht vermutlich durch hormonelle Umstellung, Schlafmangel und/oder Überforderung. Er sollte nach kurzer Zeit ohne Behandlung wieder abklingen. Als Symptome können Stimmungslabilität, grundloses Weinen und Sorgen auftreten.

Bidirektionaler Zusammenhang vor allem bei MS-Patientinnen

Die Studie lief von 2001 bis 2013, in dieser Zeit wurden insgesamt 815.232 Frauen einbezogen. Die Daten für diese groß angelegte Untersuchung stammen aus den schwedischen Registern für Geburten, Patientendaten und ärztliche Verschreibungen. 

Die Forschenden identifizierten daraus 55.299 Frauen, die ab Tag der Konzeption (Empfängnis) bis ein Jahr nach Geburt eine Depression entwickelten. Jeder Betroffenen wurden zehn Frauen (552.990) zugeordnet, die keine PND zeigten (eingebettete Fall-Kontroll-Studie). 

Die Analyse ergab, dass die Frauen mit perinatalen Depressionen zu 30 % häufiger bereits wegen einer diagnostizierten Autoimmunerkrankung in Behandlung waren (adjustierte Odds Ratio 1,30 [95-%-Konfidenzintervall: 1,25–1,35]). 

In einer 2. Erhebung (Kohortenstudie) wurde untersucht, ob Frauen im späteren Verlauf ihres Lebens häufiger eine Autoimmunerkrankung entwickelten, wenn sie rund um die Entbindung Symptome einer Depression zeigten. Auch hierfür ist die Wahrscheinlichkeit um 30 % erhöht (adjustierte Hazard Ratio 1,30 [KI: 1,25–1,36]). 

Um genetisch bedingte Störfaktoren zu minimieren, untersuchten die Epidemiologen – wenn vorhanden – die nicht erkrankten Schwestern der Schwangeren/Mütter als Kontrollgruppe. Der Schwesternvergleich stützte die statistisch signifikanten Ergebnisse beider Modelle. 

Der stärkste bidirektionale Zusammenhang fand sich bei MS-Patientinnen. Frauen, die an Multipler Sklerose litten, hatten ein fast doppelt so hohes Risiko eine perinatale Depression zu entwickeln. 

Und Mütter mit einer PND hatten in den Folgejahren ein erhöhtes Risiko, an einer MS zu erkranken. Auch chronische Schilddrüsenentzündung, Psoriasis, Colitis ulcerosa und Zöliakie zeigten den Zusammenhang in beide Richtungen.

Ursachen müssen noch erforscht werden

Pathophysiologisch kann dieser Sachverhalt bisher nicht vollends erklärt werden. Die Forschenden vermuten Veränderungen im inflammatorischen Geschehen und der Sensitivität dafür, sowohl während der Schwangerschaft als auch bei depressiven Erkrankungen. Letztere scheinen wiederum mit entzündlichen Autoimmunerkrankungen in einem direkten Verhältnis zu stehen.

Zukünftige Untersuchungen werden den Einblick in das Zusammenspiel von Hormonen, Immunreaktionen und psychischer Gesundheit vertiefen. Quellen:

https://www.nature.com/articles/s41380-023-02351-1

https://www.aerzteblatt.de/archiv/126598/Peripartale-Depressionen-erkennen-und-behandeln